Rz. 32

Auch im Zuge der steuerlichen Gewinnermittlung führt die Aufzinsung von Rückstellungen zu Zinsaufwendungen und eine entsprechende (zeitlich vorgelagerte) Abzinsung dementsprechend zu Zinserträgen, welche es aus steuerlichen Gründen zu vermeiden gilt. § 6 Abs. 1 Nr. 3 und Nr. 3a Satz 1 Buchstabe e EStG postulieren ein generelles Abzinsungsgebot von unverzinslichen Verbindlichkeiten und Rückstellungen mit einer (tagegenau zu berechnenden)[1] Restlaufzeit von mindestens einem Jahr, soweit die Verbindlichkeiten und die Rückstellungen nicht auf einer Anzahlung oder auf einer Vorausleistung beruhen. Als Zinssatz ist ein einheitlicher Satz i. H. v. 5,5 % zu verwenden.[2]

Bekanntermaßen sind bei Rückstellungen, anders als bei Verbindlichkeiten, der Grund für die künftige Verpflichtung wahrscheinlich, die Höhe und/oder der Fälligkeitszeitpunkt jedoch ungewiss. Hieraus ergeben sich erhebliche Ermessensspielräume. Die in § 6 Abs. 1 Nr. 3a EStG getroffenen Regelungen sollen eine aus Sicht des Gesetzgebers unangemessen hohe Bewertung von Rückstellungen verhindern. Dieses Bestreben dürfte auch der Grund für folgende Formulierung in R 6.11 Abs. 3 Satz 1 EStR 2012 sein: "Mit Ausnahme der Pensionsrückstellungen darf die Höhe der Rückstellung in der Steuerbilanz den zulässigen Ansatz in der Handelsbilanz nicht überschreiten."

Die sich dahinter verbergende Begrenzung der Höhe einer steuerlichen Rückstellung auf den handelsrechtlichen Wert dieser Rückstellung ist aus vielerlei Gründen abzulehnen. Interessanterweise findet sich eine gelungene Übersicht zu den Argumenten gegen eine solche Begrenzung in den Materialien zur letzten Änderung der Einkommensteuer-Richtlinien. Dort heißt es: „Der handelsrechtliche Bilanzansatz als Bewertungsobergrenze für Rückstellungen in der Steuerbilanz ist aus folgenden Gründen nicht tragfähig:

  • Nach den allgemeinen Grundsätzen verdrängen für die steuerliche Gewinnermittlung die speziellen steuerlichen Bewertungsvorschriften die handelsrechtlichen Bewertungsvorschriften (vgl. § 5 Abs. 6 EStG).
  • Eine unterschiedliche Behandlung der Pensionsrückstellungen (keine Deckelung auf den handelsrechtlichen Ansatz) und der übrigen Rückstellungen (Deckelung auf den handelsrechtlichen Ansatz) ist sachlich nicht zu rechtfertigen.
  • Die Regelungen des BilMoG sind erklärtermaßen auf Steuerneutralität angelegt. Dieses Ziel würde deutlich verfehlt, wenn die mit dem BilMoG neu eingeführten handelsrechtlichen Abzinsungsregelungen dazu führen würden, dass die steuerlichen Rückstellungsbeträge auf die durch diese Abzinsungsregelungen abgesenkten Handelsbilanzansätze zu begrenzen wären.”[3]

§ 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchstabe f EStG stellt klar, dass bei der Bewertung von Rückstellungen die Wertverhältnisse am Bilanzstichtag maßgebend sind und entgegen der handelsbilanziellen Sicht künftige Preis- und Kostensteigerungen nicht berücksichtigt werden dürfen.

Die Kombination aus der Pflicht zur Abzinsung einerseits und dem Verbot der Berücksichtigung künftiger Preis- und Kostensteigerungen andererseits ist widersprüchlich:[4] Durch die Pflicht zur Abzinsung wird zwar berücksichtigt, dass die wirtschaftliche Belastung einer erst in Zukunft zu erbringenden Verpflichtung geringer ausfällt, als wenn sie zeitnah zu erbringen wäre. Durch das Verbot der Berücksichtigung künftiger Preis- und Kostensteigerungen wird insoweit aber nicht auf die wirtschaftlichen Verhältnisse im (in der Zukunft liegenden) Erfüllungszeitpunkt abgestellt.

 

Rz. 33

Bei verzinslichen Verbindlichkeiten und Rückstellungen, dies sind im Konkreten Schulden, bei denen ein Zinssatz vereinbart wurde (auch niedrige Verzinsung[5] und/oder zeitweise Verzinsung!) oder andere wirtschaftliche Nachteile als Gegenleistung für die Kapitalüberlassung in Kauf zu nehmen sind (verdeckte Verzinsung),[6] hat dagegen keine Abzinsung zu erfolgen (insbesondere bei Steuerrückstellungen, die nach § 233a AO verzinst werden). Somit kann sich der Darlehensnehmer einer Abzinsung und somit der (temporären) Generierung von Erträgen durch Vereinbarung einer niedrigen Verzinsung entziehen. Von einer solchen ist bereits bei einem Zinssatz "von mehr als 0 %" auszugehen.[7]

[2] Vereinfachend kann der Abzinsungsbetrag auch einheitlich für alle Schulden gem. §§ 12 ff. BewG ermittelt werden. Vgl. BMF, Schreiben v. 26.5.2005, IV B 2 – S 2175 – 7/05, BStBl 2005 I S. 700, Rz. 2.
[3] Beschluss des Bundesrates v. 14.12.2012, BR-Drs. 681/12 (Beschluss), S. 2.
[4] Vgl. mit umfangreichen Nachweisen und einer Analyse der wirtschaftlichen Auswirkungen: Scheffler, BB 2014, S. 299 – 303.
[5] Vgl. van de Loo, DStR 2000, S. 509.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge