Entscheidend für den nachhaltigen Erfolg des Working Capital Managements ist – neben der Akzeptanz der Unabdingbarkeit von Prozessverbesserungen – die unterschiedlichen Interessen im Unternehmen auszubalancieren. Dies schlägt sich in der Ausgestaltung der 3 Prozesse "Forecast-to-Fulfill", "Order-to-Cash" sowie "Purchase-to-Pay" nieder und kann durch typische Kennzahlen verfolgt werden. Leading Practices können als Leitlinie dienen.

Neben den bereits genannten Zielkonflikten hinsichtlich unterschiedlicher Bereichs- und Abteilungsziele steht hier vor allem der Aspekt Liquidität vs. Profitabilität im Vordergrund. Das Ausbalancieren dieser beiden Ziele wird in der Praxis jedoch nicht immer nach einer festen Leitlinie geschehen können, sondern häufig aufgrund von folgenden Faktoren situativ bestimmt werden:

  • In "schwierigen" Wirtschaftssituationen werden Unternehmen vielleicht sogar zu Lasten der Profitabilität mehr Wert auf Cash legen als in stabilen Zeiten. Der Kernkonflikt "Liquidität vs. Profitabilität" kann am Beispiel von Unternehmensübernahmen im Private-Equity-Umfeld verdeutlicht werden. Hier stellt sich nach einer üblicherweise (stark) fremdfinanzierten Übernahme eines Unternehmens und den dann auf den späteren Exit abzielenden jahrelangen Weiterverkaufsvorbereitungen die Grundsatzfrage: Steigerung des Unternehmenswertes durch Abbau der Verbindlichkeiten und/oder Steigerung der Profitabilität?
  • Generell wird die Politik des Working Capital Managements in einem Unternehmen also wesentlich durch die Einstellungen der Unternehmensleitung und der Gesellschafter bestimmt, die sich im Spektrum von konservativ-absichernd bis offensiv-herausfordernd bewegen können. Diese Unternehmensentscheidungen beeinflussen insbesondere Reserven bei Liquidität und Beständen und damit das Working Capital.
  • Entscheidend ist auch: "You never walk alone". Die optimale Working Capital-Gestaltung macht nicht an den Unternehmensgrenzen halt; sie erfordert eine unternehmensübergreifende Betrachtung der Wertflüsse und der entstehenden Kostenbelastungen bei Kunden und Lieferanten.

Hierzu 2 Beispiele:

  1. Typisch für die Automobilindustrie ist, dass für viele Teile beim Original Equipment Manufacturer (OEM) Konsignationslager des Lieferanten eingerichtet werden. Dieses Vorgehen reduziert den Lagerbestand und damit das Working Capital des Kunden gegenüber klassischen Anlieferungsformen. Allerdings werden die Leistungen des Lieferanten für das Konsignationslager in aller Regel – abhängig vom Machtverhältnis zwischen Lieferant und OEM – in den Teilepreis eingepreist. Vorteilhaft für den OEM dürfte jedoch sein, dass die Tariflöhne bei ihm (z. B. durch Haustarife) i. d. R. höher sind als beim Lieferanten.
  2. Durch Factoring kann bei vielen Unternehmen der Order-to-Cash-Prozess erheblich verbessert werden. Doch auch hier wird der Factorer seine Leistungen für die Bevorschussung des Rechnungsbetrags und seine Leistungen im Rahmen des Forderungseinzugs verrechnen.

In beiden Fällen kann also die Working Capital-Performance verbessert werden; allerdings mit entsprechenden (negativen) Auswirkungen auf die GuV.

Unternehmensübergreifende Feststellungen

Ein Produkt oder eine Leistung kann insbesondere dann kostengünstig erstellt werden, wenn die zugehörige gesamte Supply Chain entlang der Lieferantenkette optimal abgestimmt ist.

  • Für die Supply Chains industrieller Produkte wären dann unter Working Capital-Aspekten insbesondere die Bestände entlang der Lieferkette abgestimmt zu reduzieren. Untersuchungen z. B. für den Automotive-Sektor zeigen jedoch, dass die Bestände beim OEM niedrig, dafür beim 1-tier-Lieferanten und der weiter vorgelagerten Lieferkette aber vergleichsweise sehr hoch sind. Supply-Chain-Verständnis, Informationspolitik und Macht der beteiligten Akteure sind die entscheidenden Parameter für die Ausgestaltung des Working Capital entlang dieser gesamten Lieferkette.
  • Eine der seltenen "Win-Win"-Situationen existiert beim Modell des "Supply Chain Financing" zur Optimierung der Days Payables Outstanding (DPO). Indem der Auftraggeber dem Lieferanten seine meist besseren Finanzierungskonditionen über eine zwischengeschaltete Bank zur Verfügung stellt, kann eine Ausweitung der DPO des Auftraggebers bei gleichzeitiger Reduktion der Days Sales Outstanding (DSO) des Lieferanten erreicht werden.

Die einfachen Beispiele verdeutlichen: Langfristig erfolgreich kann Working Capital Management nur dann sein, wenn die getroffenen Maßnahmen nicht nur nachhaltig verfolgt und gelebt werden, sondern diese auch über die Unternehmensgrenzen hinweg bestehen können. Wird dagegen auf Maßnahmen abgestellt, die Lieferanten alsbald in ihre Lieferkonditionen einpreisen, kann kein Wert geschaffen werden. Aus diesem Grund sollte die Balance von Liquiditäts- vs. Profitabilitätseffekten bei der Beurteilung und Implementierung von Working Capital-Maßnahmen bedacht werden.

Praktische Erfahrungen

Working Capital Management weist erhebliche Verbesserungspotenziale auf: von der Gestaltun...

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