Rz. 105

In den Jahren von 1950–1956 wurde auch bei Gewerbetreibenden mit abweichendem Wirtschaftsjahr vorübergehend eine zeitanteilige Zuordnung der Gewinne nach dem Verhältnis der Umsätze vorgenommen.[1] Aktuell sieht § 4a Abs. 2 Nr. 2 EStG für die Gewinne von Gewerbetreibenden aber keine derartige Aufteilung auf verschiedene Kalenderjahre mehr vor; vielmehr fingiert die Norm, dass der gesamte Gewinn des Wirtschaftsjahres in dem Kalenderjahr als "bezogen"[2] gilt, in dem das Wirtschaftsjahr endet. Die Fiktion aus § 4a Abs. 2 Nr. 2 EStG gilt jedoch nur für die Gewinnermittlung im engeren Sinne, sodass die außerhalb der Gewinnermittlung vorzunehmende Zurechnung einer verdeckten Gewinnausschüttung nicht von dieser Regelung erfasst ist und stattdessen im Kalenderjahr des Zuflusses berücksichtigt wird.[3]

 

Rz. 106

 
Praxis-Beispiel

Ein im Handelsregister eingetragener Gewerbetreibender hat ein vom Kalenderjahr abweichendes Wirtschaftsjahr (1.10.–30.9.). Der Gewinn aus Gewerbebetrieb beträgt

 
vom 1.10.00–30.9.01: 150.420 EUR
vom 1.10.01–30.9.02: 168.270 EUR

Damit ist bei der Veranlagung zur Einkommensteuer im Jahr 01 ein Gewinn von 150.420 EUR zu erfassen.

 

Rz. 107

Dieses Vorgehen führt dazu, dass im Einzelfall mehrere Wirtschaftsjahre in einem Kalenderjahr enden können. Bei Beendigung des Gewerbebetriebs an einem anderen Tag als dem Bilanzstichtag enden sodann das letzte vom Kalenderjahr abweichende Wirtschaftsjahr ebenso wie das Rumpfwirtschaftsjahr im gleichen Kalenderjahr und die Gewinne beider Wirtschaftsjahre werden zusammen erfasst (Gewinnballung), sodass u. U. auch ein höherer Tarif einschlägig ist.[4]

 

Rz. 108

 
Praxis-Beispiel

Ein auf den 31.1. endendes Wirtschaftsjahr wird auf das Kalenderjahr umgestellt, und zwar auf den 31.12.01. Im Veranlagungszeitraum der Umstellung (01) wird das Ergebnis von 23 Monaten, d. h. die Ergebnisse vom 1.2.00–31.1.01 und vom 1.2.01–31.12.01, steuerlich erfasst.

 

Rz. 109

Der gleiche Fall tritt ein, wenn das Wirtschaftsjahr von einem unzulässigerweise gewählten, abweichenden Wirtschaftsjahr auf das Kalenderjahr umgestellt wird.[5] Der progressionsbedingte Steuermehrbetrag kann indessen nicht aus sachlichen Billigkeitsgründen erlassen werden.[6]

 

Rz. 110

Ebenso wie die Gewinnbezugsfiktion auf der einen Seite zur Gewinnballung führen kann, kann sie auf der anderen Seite auch zu einer Steuerpause führen. Eine Steuerpause kann bei Betriebseröffnung mit einem vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahr oder bei Umstellung vom kalenderjahrgleichen Wirtschaftsjahr auf ein abweichendes Wirtschaftsjahr eintreten.[7] Wird von einem kalenderjahrgleichen Wirtschaftsjahr auf ein abweichendes Wirtschaftsjahr umgestellt, hat der Steuerpflichtige nur den Gewinn im sich dann zwangsläufig einstellenden Rumpfwirtschaftsjahr zu versteuern. Da dieser Gewinn i. d. R. niedriger sein wird als der Gewinn, der in einem vollen Wirtschaftsjahr erzielt wird, ist i. d. R. auch ein günstigerer Tarif einschlägig, der auch umso niedriger ausfällt je kürzer das Rumpfwirtschaftsjahr gebildet wird (z. B. Umstellung vom Kalenderjahr auf den Zeitraum vom 1.2. – 31.1., sodass im Jahr der Umstellung bloß der Gewinn eines Monats zu versteuern ist). Der in den restlichen Monaten erzielte Gewinn fällt in den folgenden Veranlagungszeitraum. Diese Rechtsfolge ist der Vorschrift des § 4a Abs. 2 Nr. 2 EStG aber immanent und wurde vom Gesetzgeber in Kauf genommen. Demzufolge sind die entstehenden Steuerpausen, die nicht auf Missbrauch beruhen, hinzunehmen, weshalb die Steuerpflichtigen im Gegenzug auch progressionsbedingte Nachteile akzeptieren müssen.[8]

 

Rz. 111

 

Beispiel[9]

Ein Gewerbetreibender ermittelte seinen Gewinn bislang nach dem Kalenderjahr und stellt nun im Einvernehmen mit dem Finanzamt für das Jahr 01 sein Wirtschaftsjahr erstmals auf den 1.4.–31.3. um. Vom Kalenderjahresbeginn bis zum 31.3.01 erzielt er einen Gewinn in Höhe von 200.000 EUR und vom 1.4.01–31.3.02 einen Gewinn in Höhe von 800.000 EUR.

Für das Kalenderjahr 01 ist ein Rumpfwirtschaftsjahr vom 1.1.01–31.3.01 zu bilden, wobei für das Jahr 01 lediglich 200.000 EUR als Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu versteuern sind. Der restliche im Jahr 01 erzielte Gewinn wird erst bei der Veranlagung für das Jahr 02 versteuert, sodass insoweit für einen Großteil der im Jahr 01 erzielten Gewinne eine Steuerpause eintritt und sich damit ein Stundungseffekt einstellt.

 

Rz. 112

Die Anwendung der Vorschrift des § 4a Abs. 2 Nr. 2 EStG bedeutet, dass bei Betriebseröffnung mit gleichzeitiger Wahl eines vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahres im Kalenderjahr der Betriebseröffnung kein Teil des Betriebsergebnisses zu versteuern ist. Durch die in § 4a Abs. 2 Nr. 2 EStG getroffene Regelung tritt eine Verlagerung der Besteuerung und damit auch ein Zinseffekt beim Steuerpflichtigen ein. Dies ist auch mit ein Grund dafür, dass ein Wechsel des Abschlusszeitpunkts grundsätzlich nur im Einvernehmen mit dem Finanzamt erfolgen darf.

 

Rz. 113

 
Praxis-Beispiel

Gründung eines Gewerbebetriebs zu...

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