Rz. 1

Die handels- und steuerrechtliche Gewinnermittlung beruht im Wesentlichen auf einem Vergleich des Eigenkapitals bzw. Betriebsvermögens an 2 Stichtagen (§ 242 HGB, § 4 Abs. 1 EStG ggf. i. V. m. § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG, § 7 Satz 1 GewStG). Weil u. a. aus Gläubigergesichtspunkten, aber auch aus fiskalischen Gründen mit der Gewinnermittlung nicht bis zur – meist nicht feststehenden und nicht angestrebten – Beendigung der Unternehmung gewartet werden kann (Grundsatz der Abschnittsbesteuerung gemäß den §§ 25 Abs. 1, 36 Abs. 1 EStG), wird die von der Gründung bis zur Auflösung reichende Totalperiode in einzelne kleinere Teilperioden (Geschäfts- bzw. Wirtschaftsjahre) unterteilt, wobei die Begriffe "Geschäftsjahr" und "Wirtschaftsjahr" beide den Zeitraum zwischen 2 Bilanzstichtagen bezeichnen und das Geschäftsjahr den handelsrechtlichen und das Wirtschaftsjahr den steuerrechtlichen Ausdruck darstellt.[1] Da die Rechnungslegungsperioden sowohl in Bezug auf die Informationsfunktion als auch auf die Zahlungsbemessungsfunktion vergleichbar sein müssen, empfiehlt sich ein konstanter Zeitraum zwischen den einzelnen Jahresabschlüssen, der darüber hinaus auch hinsichtlich der Dokumentationsfunktion (Beweis- und Sicherungsfunktion) zweckadäquat ist. Die Rechnungsperiode "zwischen 2 Stichtagen" beträgt dabei i. d. R. ein Jahr und wird in einem nach § 242 HGB für den Schluss eines jeden Geschäftsjahres geforderten Jahresabschluss, der sich mindestens aus einer Bilanz und einer Gewinn- und Verlustrechnung (GuV) für den Schluss des jeweiligen Geschäftsjahres zusammensetzt, dargestellt. Der handelsrechtliche Begriff des Geschäftsjahres bezeichnet damit den Zeitraum, für den der Kaufmann einen Jahresabschluss zu erstellen hat,[2] wobei die Lage des Geschäftsjahres von der Wahl des Stichtages des Jahresabschlusses abhängt.[3]

Auch das deutsche Ertragsteuerrecht (Einkommen-, Körperschaft- und Gewerbesteuer) folgt dem Prinzip der "Jahressteuer" (§ 2 Abs. 7 Satz 1 EStG, § 7 Abs. 3 Satz 1 KStG, § 7 Satz 1 GewStG i. V. m. § 14 Satz 1 GewStG) und knüpft über den Grundsatz der Maßgeblichkeit (§ 5 Abs. 1 Satz 1 EStG) an die handelsrechtlichen Vorgaben an, sodass das handelsrechtlich gewählte Geschäftsjahr unter den weiteren Voraussetzungen des § 4a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 EStG dem steuerrechtlichen Wirtschaftsjahr entspricht.[4] Werden die Voraussetzungen des § 4a EStG nicht erfüllt, entspricht der Gewinnermittlungszeitraum dem Veranlagungszeitraum (Kalenderjahr; § 25 Abs. 1 EStG). Der steuerrechtliche Begriff des Wirtschaftsjahres bezeichnet damit den steuerlichen Gewinnermittlungszeitraum, der nur für Gewerbetreibende, deren Firma im Handelsregister eingetragen ist, sowie für Land- und Forstwirte vom Veranlagungszeitraum abweichen kann.

 

Rz. 2

Allerdings ist eine Periodisierung nach dem Kalenderjahr als Grundlage für die Rechnungslegung unter Umständen ungünstig, weil sie Wirtschaftsprozesse willkürlich "zerschneidet" und das Bilanzbild verzerrt. Branchenmäßigen und betrieblichen Besonderheiten – auch im Hinblick auf die Arbeitsbelastung –, wie man sie z. B. bei Zuckerfabriken (Ernte von Oktober bis Dezember), Brauereien (erhöhte Nachfrage über den Sommer) oder Versandhäusern (insbesondere Weihnachtsgeschäft) antrifft, kann so nicht ausreichend Rechnung getragen werden.[5] Zudem sind abweichende Geschäftsjahre oftmals auch auf historische Gegebenheiten, wie z. B. im Falle des sog. Braujahres (1.10.–30.9.), oder auch auf Gründe der Zweckmäßigkeit (z. B. Durchführung der Inventur, Konzernbelange) zurückzuführen.[6] Es kann daher sinnvoll sein, als Jahresabschlusszeitraum nicht das Kalenderjahr, sondern einen davon abweichenden Zeitraum zu wählen. Das Handels- und Steuerrecht akzeptieren unter bestimmten Bedingungen diese Notwendigkeit und lassen dem Bilanzierenden Wahlfreiheiten.

 

Rz. 3

Darüber hinaus kann der Bilanzstichtag als bilanz- und steuerpolitisches Mittel eingesetzt werden. Vor allem bei saisonabhängigen Unternehmen zeigen sich – je nach Stichtag – unterschiedliche Bilanzstrukturen aufgrund zeitabhängig unterschiedlicher Bestände, z. B. bei den Vorräten, den liquiden Mitteln und den Verbindlichkeiten. Steuerlich lassen sich Aufschub- und Verminderungseffekte allein durch die Lage oder Verlegung des Wirtschaftsjahres erzielen.

[1] Vgl. zum Periodisierungsprinzip § 252 Abs. 1 Nr. 5 HGB; Bieg/Kußmaul/Waschbusch, Externes Rechnungswesen, 6. Aufl. 2012, S. 48.
[2] Vgl. Zwirner/Heyd, in Beck´sches Steuerberater-Handbuch 2019/2020, ABC der Buchführung, Bilanzierung und Bewertung, Rz. 69.
[3] Vgl. Pöschke, in Staub, HGB, 2014, § 240 HGB Rz. 35.
[5] Vgl. Störk/Philipps, in Grottel u. a., Beck’scher Bilanz-Kommentar, 12. Aufl. 2020, § 240 HGB Rz. 62.
[6] Vgl. Haug, in Beck’sches Steuer- und Bilanzlexikon, 2021, Stichwort: Geschäftsjahr, Rz. 4; Zwirner/Heyd, in Beck´sches Steuerberater-Handbuch 2019/2020, ABC der Buchführung, Bilanzierung und Bewertung, Rz. 69c.

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