Die Grundsätze der AO und der FGO über Fristversäumnis und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gelten für die Finanzbehörden in gleicher Weise wie für Steuerpflichtige.[1]

Versäumt also das Finanzamt eine Frist (z. B. die Frist für die Begründung der Revision), dann kann auch ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nur unter den Voraussetzungen des § 56 FGO gewährt werden, d. h., wenn durch organisatorische Maßnahmen eine zuverlässige Ausgangskontrolle fristgebundener Schriftstücke gewährleistet war und ein Organisationsmangel auszuschließen ist.[2]

Dabei gilt ein Sachgebietsleiter im Hinblick auf Vorgänge, die der Sache nach in sein Sachgebiet fallen, ungeachtet der Anordnungen über die Bearbeitung des Vorgangs und das Zeichnungsrecht, stets als Bevollmächtigter des Finanzamts. Das Finanzamt kann sich daher für etwaige schuldhafte Bearbeitungsfehler des Sachgebietsleiters nicht durch den Nachweis sorgfältiger Auswahl, Einweisung und Überwachung gem. § 56 FGO entschuldigen.[3]

Grundsätzlich ist eine Behörde – ebenso wie ein als Prozessbevollmächtigter bestellter Angehöriger der rechts- oder steuerberatenden Berufe – u. a. verpflichtet, ein Fristenkontrollbuch zu führen, in welches neben der Revisionsfrist die Erledigung des fristwahrenden Schriftsatzes bis zu seiner Absendung eingetragen wird und durch welches somit die Wahrung der Frist, insbesondere mithilfe einer Ausgangskontrolle, überwacht wird.[4] Auch muss die Kontrolle der Erledigung und tatsächlichen Absendung des jeweiligen Schriftstücks durch jemanden erfolgen, der den gesamten Bearbeitungsvorgang überwachen kann. Dieser hat die tatsächliche Übergabe fristwahrender Sendungen an die Post oder einen mit dem Transport zum Empfänger beauftragten Boten zu überwachen und in einem Fristenkontrollbuch zu vermerken.

Ist eine solche Ausgangskontrolle nicht eingerichtet, muss zumindest derjenige, der den Vorgang zuletzt bearbeitet hat oder an der Bearbeitung beteiligt war, die mit der Absendung beauftragte Poststelle auf die Frist und die Wichtigkeit des Schriftstücks hinweisen. Eines besonderen Hinweises bedarf es nach Auffassung des BFH[5] insbesondere deshalb, weil bei einer Behörde die Versendung fristwahrender Schriftsätze nicht die Regel, sondern die Ausnahme ist. Unterbleibt ein solcher Hinweis und findet nur eine Kontrolle der Übergabe des Poststücks an eine zur Weiterleitung zuständige Stelle wie die Registratur oder die Postausgangsstelle statt, wird die Erledigung also lediglich durch Abgangsvermerk der Stelle, die das Schriftstück an diese Postausgangsstelle weiterleitet, festgehalten, genügt dies nicht, um bei Fristversäumnis mangels Organisationsverschuldens Nachsicht gewähren zu können.[6]

Allerdings braucht weder der zuständige Sachgebietsleiter noch der Sachbearbeiter mit der Möglichkeit zu rechnen, dass etwa die gewöhnlich zuverlässig arbeitenden Mitarbeiter in der Poststelle eine falsche Versendungsform wählen. Sie sind auch nicht verpflichtet, die Durchführung der Anordnung über die Absendung des Briefs persönlich zu überwachen oder sich am nächsten Tag durch Nachfrage bei der Absendestelle von der Einhaltung der Anweisung zu überzeugen.[7]

Zur ordnungsgemäßen Begründung eines Wiedereinsetzungsantrags muss der gesetzliche Vertreter des FA vortragen, wie und durch welche Beschäftigten in seinem Amt Fristsachen gehandhabt werden; das gilt besonders dann, wenn ihre Erledigung an Fristen gebunden ist, die nicht zu den üblichen, häufig vorkommenden und einfach zu berechnenden Fristen gehören. Dazu zählt u. a. die Frist zur Stellung eines Antrags auf mündliche Verhandlung nach Ergehen eines Gerichtsbescheids ebenso wie die Revisionsbegründungsfrist. Wiedereinsetzung kommt nicht in Betracht, wenn dem Wiedereinsetzungsgesuch nicht zu entnehmen ist, welche Bedienstete die Postsendung entgegengenommen und über welche Qualifikation diese verfügt haben. Ist ein Organisationsverschulden als Ursache der Fristversäumnis nicht auszuschließen, kann nicht von einem entschuldbaren Versehen eines Mitarbeiters des Finanzamts ausgegangen werden.[8]

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