Leitsatz

1. § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG knüpft die Steuerpflicht an ein Rechtsgeschäft und nicht an die tatsächliche Vereinigung der Gesellschaftsanteile in einer Hand.

2. Ein Widerruf kann ein Rechtsgeschäft i.S. des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG sein, wenn das Recht zum Widerruf in einem schuldrechtlichen Geschäft angelegt ist.

3. Eine natürliche Person ist gegenüber den Weisungen eines Unternehmers in Bezug auf Gesellschaftsanteile verpflichtet i.S. des § 1 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. a GrEStG a.F., wenn sie rechtlich zur Herausgabe der Anteile verpflichtet ist. Eine solche Verpflichtung zur Herausgabe liegt in der Regel vor, wenn zivilrechtlich zwischen dem Unternehmer und der natürlichen Person ein unentgeltlicher Auftrag oder ein entgeltlicher Geschäftsbesorgungsvertrag besteht.

 

Normenkette

§ 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG, § 1 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. a GrEStG a.F., § 662, § 667, § 675 BGB

 

Sachverhalt

Der Kläger war Anfang des Jahres 2007 als Kommanditist mit einem Kommanditanteil von 10 % an der A‐GmbH & Co. KG beteiligt. Weitere Kommanditisten waren seine Söhne B und C mit einem Kommanditanteil von jeweils 45 %. Die A‐GmbH & Co. KG war ihrerseits mit einem Anteil von 25 % Kommanditistin der grundbesitzenden E‐GmbH & Co. KG. Weiterer Kommanditist war der Kläger mit einem Kommanditanteil von 75 %, den er im Jahr 2003 von ausscheidenden Kommanditisten erworben hatte.

Die Kommanditanteile an der A‐GmbH & Co. KG von jeweils 45 % hatte der Kläger seinen Söhnen jeweils mit Schenkungs- und Abtretungsvertrag vom 21.12.1995 unentgeltlich unter Vorbehalt eines lebenslangen Nießbrauchs an den Anteilen übertragen. Die Söhne hatten den Kläger unwiderruflich bevollmächtigt, für die Dauer des Nießbrauchs die Stimm- und Verwaltungsrechte bezüglich der Kommanditanteile auszuüben. Schließlich hatte sich der Kläger das Recht vorbehalten, die Schenkung jederzeit, ohne Angabe von Gründen, zu widerrufen und die Rückübertragung des jeweiligen Kommanditanteils an sich zu verlangen.

Mit Schenkungswiderruf- und Übertragungsverträgen vom 9.2.2007 zwischen dem Kläger und seinen Söhnen widerrief der Kläger jeweils die Schenkung der Kommanditanteile und verlangte die Rückübertragung der Anteile. Die Söhne kamen diesem Verlangen nach. Die Abtretungen standen "unter der aufschiebenden Bedingung der Eintragung des Kommanditanteilserwerbs an der E‐GmbH & Co. KG durch F oder ein anderes von W kontrolliertes Unternehmen im Handelsregister der E‐GmbH & Co. KG".

Im Anschluss daran veräußerte der Kläger 94,9 % der Kommanditbeteiligung an der A‐GmbH & Co. KG an die F. Zudem veräußerte die A‐GmbH & Co. KG 19,9 % ihrer Kommanditanteile an der E‐GmbH & Co. KG an die F.

Das FA vertrat die Auffassung, durch den in der Vereinbarung vom 9.2.2007 ausgesprochenen Widerruf der Schenkung von Kommanditanteilen und die damit verbundene Vereinigung der Anteile an der A‐GmbH & Co. KG sei in Bezug auf die grundbesitzende E‐GmbH & Co. KG der Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG verwirklicht worden. Da außerhalb seines Finanzamtsbezirks liegende Grundstücke betroffen waren, erließ es gegenüber dem Kläger einen entsprechenden Feststellungsbescheid nach § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GrEStG. Der steuerbegünstigte Anteil wurde in unstreitiger Höhe festgestellt.

Einspruch und Klage blieben erfolglos (FG Münster, Urteil vom 20.12.2016, 8 K 1686/13 GrE, Haufe-Index 10231901, EFG 2017, 332).

 

Entscheidung

Der BFH wies die Revision des Klägers als unbegründet zurück. Durch den Widerruf der Schenkungen am 9.2.2007 sei der Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG verwirklicht worden. Der Widerruf habe zu einer Rückabwicklung der ursprünglichen Schenkungen mit der Folge geführt, dass durch die Rückübertragung der geschenkten Kommanditanteile alle Anteile an der grundbesitzenden E‐GmbH & Co. KG in der Hand des Klägers vereinigt werden würden. Die Anteile seiner Söhne seien ihm vor dem Widerruf der Schenkungen am 9.2.2007 noch nicht zuzurechnen gewesen. Die Söhne seien vor dem Widerruf auch keine abhängigen Personen i.S.d. § 1 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. a GrEStG a.F. gewesen. Die in den Verträgen vom 9.2.2007 vereinbarten aufschiebenden Bedingungen beträfen ausschließlich die dingliche Umsetzung und nicht den Widerruf der Schenkungen. Sie stünden daher der Verwirklichung des Tatbestands des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG nicht entgegen.

 

Hinweis

1. Gehört zum Vermögen einer Gesellschaft ein inländisches Grundstück, unterliegt nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG der Steuer – soweit eine Besteuerung nach § 1 Abs. 2a GrEStG nicht in Betracht kommt – ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übertragung eines oder mehrerer Anteile der Gesellschaft begründet, wenn durch die Übertragung unmittelbar oder mittelbar mindestens 95 % der Anteile der Gesellschaft in der Hand des Erwerbers vereinigt werden würden. § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG knüpft die Steuerpflicht an das Rechtsgeschäft und nicht an die tatsächliche Vereinigung der Gesellschaftsanteile in einer Hand.

2. Unter Rechtsgeschäft i.S.d. § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG versteht man einseitige und zweiseit...

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