UPS wurde in Seattle 1907 gegründet, beschäftigt weltweit 444.000 und in Deutschland 18.000 Mitarbeiter. UPS betreibt eine Flotte von 237 Flugzeugen, hat einen Fuhrpark aus 108.210 Paketautos, Transportern, Zugmaschinen, Motorräder (darunter auch über 8.100 Fahrzeuge mit alternativen Antrieben) und stellt täglich weltweit 19,1 Millionen Sendungen zu.

Die Ausgangslage: Um bis zu 120 Zwischenstopps pro Tag und Fahrer bei der riesigen Flotte zu bewältigen, müssen alle Logistik-Prozesse und Abläufe perfekt organisiert sein. Daher wurden bereits vor 2008 in Fahrzeugen Telematik, Fahrzeugsensoren und GPS-Ortung eingesetzt, um valide Daten zu sammeln und zu analysieren mit dem Ziel, zu verstehen, wo Effizienz verbessert werden kann. Da UPS-Manager das Logistik-Geschäft von der Pike auf lernen, können sie Analyseergebnisse richtig interpretieren, als wichtige Voraussetzung für eine praktische Umsetzung.

Attacken auf das Geschäftsmodell: Bei Analysen fielen 2008 hohe Reparaturkosten durch Unfälle auf. Die häufigste Unfallursache war dabei Linksabbiegen.[1] UPS untersuchte den Prozess des Linksabbiegens: Fahrer auf der Linksabbiegerspur müssen meist länger auf eine grüne Ampel warten, um schließlich noch den Gegenverkehr vorbeiziehen zu lassen. Das kostet wertvolle Zeit und teuren Sprit.

Die digitale Antwort: UPS integrierte in das gerade in der Entwicklung befindliche "On-Road Integrated Optimization and Navigation" ORION ein Rechts-Abbiege-Gebot, bei dem UPS-Fahrer stets in die nächstgelegene Rechtskurve gelotst werden.

Die technische Lösung: UPS vertraute Daten schon immer mehr als Intuition. Es hat frühzeitig Sensorik eingesetzt, über GPS flächendeckend Routen erfasst und gehört zu den Pionieren von Big-Data-Analytics. ORION ist das weltweit größte Operation-Research-Forschungsprojekt für den operativen Logistik-Betrieb, optimiert algorithmisch und überträgt situationsbezogen in Echtzeit Ergebnisse zur Lösung praktischer Probleme an die Fahrer. ORION gibt z. B. den Packern vor, welches Paket wo eingeladen werden muss, optimiert die Zuladung, so dass Suchen entfällt und verbietet auch Linksabbiegen, wann immer es eine sinnvolle Alternative gibt. Über ORION kann der Kunde seine Sendung verfolgen, das Bearbeitungszentrum erfährt, zu welchem Zeitpunkt wie viele zurückgesendete Pakete ankommen werden usw. Da es ORION nicht "von der Stange" gibt, wird das System komplett von UPS entwickelt.

ORION geht das alte Problem des Handlungsreisenden algorithmisch an: Gesucht ist ein optimaler Weg für die Rundreise eines UPS-Fahrers über ca. 120 Haltepunkte. Die Reihenfolge ist dabei so zu wählen, dass keine Station außer der ersten mehr als einmal besucht wird, die gesamte Reisestrecke möglichst kurz und die erste gleich der letzten Station ist. Es ist ein komplexes Optimierungsproblem, welches zwar exakt gelöst werden kann, aber bereits bei wenigen Stationen praktisch nicht mehr durchführbar ist. Um die Komplexität beherrschbar zu machen, werden Näherungslösungen für jeden Fahrer bereitgestellt. ORION funktioniert dabei völlig anders, als Menschen denken. Denn das System optimiert Touren über den ganzen Tag und lässt Fahrer möglicherweise direkt an mehreren Lieferorten vorbeifahren, wenn die Zeit, die sie für frühe Lieferungen benötigen würden, später zu Ineffizienzen führen. ORION kann mit temporärer Ineffizienz umgehen, wenn sie auf den Tag gesehen positive Effekte bringt. Menschen sind kaum in der Lage, diese Komplexität zu durchdenken, vgl. Abb. 3. Auf diese Weise spart UPS mit ORION jedes Jahr Hunderte Millionen Dollar ein.[2]

Die Vorteile des digitalen Geschäftsmodells und Quer-Denken beim Linksabbiegen sind ebenso überraschend wie enorm:

  • Erzwungenes Rechtsabbiegen hilft, Treibstoff zu sparen: UPS spart damit rund 38 Mio. Liter Sprit p. a.
  • Das wiederum führt zur Vermeidung von ca. 100.000 Tonnen CO2-Emmissionen p. a., und dafür gab es zu Recht einen Umweltpreis.
  • Trotz oft längerer Strecke wird die Fahrzeit kürzer, da beim Abbiegen mit Gegenverkehr stets viel Zeit verloren geht.
  • Statt 90 schaffen Fahrer nun bis zu 120 Zwischenstopps pro Tag.[3]

Alles soll perfekt sein: UPS als strenger Arbeitgeber überlässt nichts dem Zufall und bildet in Köln seine Boten aus. Software simuliert Fahrten, bei denen Gefahren auftauchen: spielende Kinder, parkende Autos, Kreuzungen, ausscherende Fahrzeuge. Fahrer werden durch ein spezielles Regelwerk für defensives Fahren geschult. Mitarbeiter üben, wie man auf eisglattem Boden Stürze vermeidet. Beim wackeligen Laufen mit rutschigen Schuhen sind sie mit Gurten gesichert. Die Fahrer lernen, ihre Gelenke beim Ein- und Aussteigen zu schonen, denn gesündere Mitarbeiter bedeuten für UPS weniger Krankheitstage. Auch das freundliche Verhalten gegenüber Kunden wird vom Konzern trainiert.[4] Verkehrschaos in Innenstädten begegnet UPS mit Microdepots und Lastenrädern mit E-Motor.[5]

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