Rz. 25

Ein Hauptkritikpunkt an der aus der GuV-Rechnung abgeleiteten Wertschöpfungsrechnung besteht darin, dass die Ergebnisse der Wertschöpfungsrechnung unter anderem vom zugrunde liegenden Rechnungslegungssystem sowie der Ausübung von hiermit verbundenen Bilanzierungswahlrechten (z. B. Wahlrecht zum Ansatz aktiver latenter Steuern nach § 274 Abs. 1 Satz 2 HGB) abhängen. Zudem stellen sich Herausforderungen im Zusammenhang mit den außerhalb des Jahresergebnisses erfassten Bewertungsgewinnen und -verlusten. Falls man diese Probleme vermeiden will, bietet es sich an, die Wertschöpfungsrechnung aus der Kapitalflussrechnung abzuleiten. Für die Erstellung der Kapitalflussrechnung bestehen 2 Alternativen, entweder die indirekte Ableitung aus Zahlen der GuV-Rechnung und aus der Veränderung von Bilanzposten oder die direkte Ableitung aus Zahlungsströmen.[1] Da nur letztgenanntes Vorgehen einen zusätzlichen Erkenntnisgewinn verspricht, wird im Folgenden nur auf die Kapitalflussrechnung, erstellt nach der direkten Methode, näher eingegangen.

 

Rz. 26

Im Gegensatz zu der Ableitung der Wertschöpfungsrechnung aus der GuV-Rechnung oder der Kostenrechnung ist festzulegen, welche Cashflows in die Ermittlung der Wertschöpfung eingehen sollen. Dies setzt eine entsprechende definitorische Abgrenzung des Wertschöpfungsbegriffs voraus (vgl. Rz. 4 f.). Vergleichsweise unstrittig dürfte sein, dass Cashflows aus Finanzierungstätigkeit ausgenommen der Zinsen, Dividenden (einschließlich Rückkauf eigener Anteile) und Steuern[2] als wertschöpfungsneutral gelten. Strittig ist jedoch die Behandlung von Cashflows aus Erwerb bzw. Verkauf von Beteiligungen und Finanzinstrumenten. Da die Buchwerte allenfalls außerplanmäßig fortgeschrieben werden und daher nicht die Zahlungsmittelströme beeinflussen, ist es vertretbar, diese im Cashflow aus Investitionstätigkeit enthaltenen Zahlungsströme ebenfalls als wertschöpfungsneutral zu behandeln.

Aufgrund ihrer Zahlungsunwirksamkeit erscheinen Abschreibungen auf Sachanlagen und immaterielle Vermögenswerte nicht in der Kapitalflussrechnung. An deren Stelle treten bei einer konsequenten zahlungsstromorientierten Ausrichtung die durch die korrespondierenden Investitionen geleisteten tatsächlichen Ausgaben; diese zeigen das in der Periode tatsächlich – als Vorleistungen – in Anspruch genommene Volumen an Investitionsgütern auf.

 

Rz. 27

Dementsprechend wären die im Cashflow aus operativer Tätigkeit enthaltenen Zahlungsströme ohne Zahlungsströme aus financial assets at fair value through profit or loss und die im Cashflow aus Investitionstätigkeit enthaltenen Zahlungsströme für Investitionen und Devestitionen in Sachanlagen und immaterielles Vermögen für die Erstellung der Wertschöpfungsrechnung zu verwenden. Die auf die Arbeitnehmer, Fremdkapitalgeber sowie den Fiskus entfallenden Wertschöpfungsanteile ergeben sich in Höhe der an diese Personengruppe geleisteten Zahlungen. Beispielsweise wirkt sich die ebenfalls sowohl im Steueraufwand nach HGB als auch IFRS enthaltene Veränderung bilanzierter latenter Steuern nicht in den dem Fiskus zuordenbaren Steuerzahlungen aus. Die nach Abzug dieser Wertschöpfungsanteile von der gesamten zahlungsstromorientierten Wertschöpfung verbleibende Residualgröße ist den Anteilseignern zuzurechnen.

 

Rz. 28

 
Praxis-Beispiel

Das Unternehmen, welches die unter Rz. 35 abgebildete GuV-Rechnung für eine Periode aufstellt, ermittelt seine Kapitalflussrechnung nach der direkten Methode. Hierbei ergibt sich folgende Darstellung:[3]

 
  Einzahlungen aus Umsatzerlösen 4.931.209
+ sonstige betriebliche Einzahlungen 230.000
Materialauszahlungen – 1.454.067
Personalauszahlungen – 2.190.000
sonstige betriebliche Auszahlungen – 240.000
Zinsauszahlungen – 226.058
Steuerzahlungen – 40.000
Auszahlungen für erfolgswirksam zum beizulegenden Zeitwert bewertete finanzielle Vermögenswerte – 40.000
= Cashflow aus operativer Tätigkeit 971.084
Auszahlungen für Grundstücke und Bauten – 600.000
+ Einzahlungen aus Abgang von Betriebs- und Geschäftsausstattung 500.000
+ Einzahlungen aus dem Abgang von erfolgsneutral zum beizulegenden Zeitwert bewerteten finanziellen Vermögenswerten 65.000
= Cashflow aus Investitionstätigkeit – 35.000
Tilgung von Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten – 771.468
Tilgung von Leasingverbindlichkeiten – 133.942
= Cashflow aus Finanzierungstätigkeit – 905.410
= Summe der Cashflows 30.674

Aus dieser Kapitalflussrechnung lässt sich folgende Wertschöpfungsrechnung ableiten:

 
  Einzahlungen aus Umsatzerlösen 4.931.209
+ sonstige betriebliche Einzahlungen 230.000
+ Einzahlungen aus Abgang von Betriebs- und Geschäftsausstattung 500.000
= einzahlungswirksame Gesamtleistung 5.661.209
Materialauszahlungen – 1.454.067
Auszahlungen für Grundstücke und Bauten – 600.000
sonstige betriebliche Auszahlungen – 240.000
= zahlungswirksame Wertschöpfung 3.367.142
  Personalauszahlungen 2.190.000
+ Zinsauszahlungen 226.058
+ Steuerzahlungen 40.000
+ zahlungswirksamer Überschuss für Antei...

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