Leitsatz

Schuldzinsen für ein Darlehen, das zur Finanzierung einer Einkommensteuernachzahlung aufgenommen worden ist, können als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen abzugsfähig sein, wenn die Einkommensteuer später wieder herabgesetzt und hierfür steuerpflichtige Erstattungszinsen i.S. des § 233a AO i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 EStG gezahlt werden. Insoweit liegt ein Fall erzwungener Kapitalüberlassung vor, bei dem es zur Begründung des wirtschaftlichen Zusammenhangs zwischen Kreditaufnahme und späteren Zinseinnahmen ausreicht, wenn das Darlehen zu dem Zweck aufgenommen und verwendet worden ist, eine (letztlich nicht gerechtfertigte) Forderung zu erfüllen (Anschluss an das Senatsurteil vom 24. Mai 2011, VIII R 3/09, BFHE 235, 197, BStBl II 2012, 254).

 

Normenkette

§ 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 EStG, § 9 Abs. 1 Sätze 1 und 3 Nr. 1, § 12 Nr. 3 EStG, § 233a, § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO

 

Sachverhalt

Der Kläger war Gesellschafter zweier Personengesellschaften. Das FA erließ im Anschluss an eine Außenprüfung geänderte Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung, die im Jahr 2002 zu einer Änderung der Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1994 bis 1998 führte. Die daraus resultierenden Steuernachzahlungen finanzierte der ­Kläger über Darlehen. Die Darlehensverträge wiesen im Verwendungszweck auf die Steuernachzahlungen hin. Die gegen die geänderten Feststellungsbe­scheide eingelegten Einsprüche führten zu einer Steuererstattung und zur Zahlung von Erstattungszinsen i.S.d. § 233a AO i.H.v. 33.128 EUR. In der Einkommensteuererklärung erklärte der Kläger die Erstattungszinsen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 EStG als Einkünfte aus Kapitalvermögen. Er machte diesbezüglich die Aufwendungen für die Finanzierung der Steuernachzahlung (Zinsen und Gebühren der Darlehen) als Werbungskosten geltend. Das FA lehnte den Werbungskostenabzug ab. Einspruch und Klage (FG München, Urteil vom 15.10.2014, 1 K 1008/14, Haufe-Index 7697508) hatten keinen Erfolg.

 

Entscheidung

Der BFH hat auf die Revision des Klägers das FG-Urteil aufgehoben und der Klage stattgegeben.

 

Hinweis

1. Erstattungszinsen, die vom FA nach § 233a AO aufgrund der Rückzahlung von Steuern gezahlt werden, unterliegen nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 EStG als Einkünfte aus Kapitalvermögen der Besteuerung. Gegenstand des Urteils ist die Frage, ob Aufwendungen für Darlehen, die zur Finanzierung der später erstatteten Steuerzahlung aufgenommen wurden, als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen zu berücksichtigen sind. Der BFH hat dies bejaht.

2. Die Zahlung der Einkommensteuer und der auf diese entfallenden Nebenleistungen i.S.d. § 3 Abs. 4 AO sind nach § 12 Nr. 3 EStG grundsätzlich der steuerlich unbeachtlichen privaten Einkommensverwendung zuzuordnen. Dies schließt den Werbungskostenabzug grundsätzlich aus.

3. Erweist sich die Zahlung der Steuer jedoch als ungerechtfertigt, da die Steuerfestsetzung rechtswidrig war, handelt es sich um eine erzwungene Kapitalüberlassung. Der BFH hat in diesem Fall einen wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen Kreditaufnahme und späteren Erstattungszinsen bejaht. Dies gilt auch dann, wenn der Steuerpflichtige (bewusst) keinen Antrag auf AdV gemäß § 361 AO bzw. § 69 FGO gestellt hat.

4. Abziehbar sind aber nur die Finanzierungskosten, die tatsächlich auf die nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG steuerbaren Erstattungszinsen i.S.d. § 233a AO entfallen. Im vorliegenden Fall ergab sich der Veranlassungszusammenhang aus dem Verwendungszweck der Darlehen für die erstattete Steuer.

5. Auf die Feststellung der subjektiven Einkünfteerzielungsabsicht kommt es in den Fällen der erzwungenen Kapitalüberlassung nicht an. Maßgeblich ist allein die objektive Steigerung der finanziellen Leistungsfähigkeit. Entscheidend ist, ob die Erstattungszinsen die geltend gemachten Finanzierungskosten übersteigen und zu einem periodenübergreifenden Totalüberschuss führen. Dies war vorliegend der Fall.

6. Nach Auffassung des BFH handelt es sich bei der Steuererstattung und dem Zufluss der Erstattungszinsen um ein rückwirkendes Ereignis. Danach ist gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO eine Korrektur der Vorjahre im Hinblick auf die in diesen Jahren abgeflossenen Finanzierungskosten als vorweggenommene Werbungskosten möglich.

Entscheidung gilt nur für Rechtslage vor Einführung der Abgeltungsteuer

Darauf hinzuweisen ist, dass mit der Einführung der Abgeltungsteuer zum 1.1.2009 der Werbungskostenabzug nach § 20 Abs. 9 EStG ausgeschlossen ist und nur noch der Sparer-Pauschbetrag i.H.v. 801 EUR berücksichtigt wird. Danach ist die Frage nach geltendem Recht nicht mehr von Bedeutung.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 28.2.2018 – VIII R 53/14

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