Rz. 112

Rückstellungen sind in Höhe des nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung notwendigen Erfüllungsbetrages anzusetzen (§ 253 Abs. 1 Satz 2 HGB). Die Rückstellungsbewertung ist zukunftsorientiert, da für die Höhe der Rückstellung auf die zu erwartenden Preis- und/oder Kostenverhältnisse im Erfüllungszeitpunkt abzustellen ist.[1] Die unter Einschränkung des Stichtagsprinzips zu berücksichtigenden Preis- und Kostensteigerungen umfassen auch die Wechselkursverhältnisse im Erfüllungszeitpunkt. Deren Prognose entzieht sich i. d. R. aber hinreichender objektiver Anhaltspunkte.[2] Deshalb ist zum Devisenkurs am Bilanzstichtag umzurechnen.

 

Rz. 113

Beidseitig noch nicht erfüllte Importgeschäfte stellen für den Importeur eine Abnahmeverpflichtung auf der Grundlage des vereinbarten Preises in der vereinbarten Auslandswährung dar. Ein spezifisches Auslandsrisiko beruht folglich sowohl in einem möglichen Preisverfall an den entsprechenden internationalen Märkten als auch in einem möglichen Anstieg des Kurses der Auslandswährung (gefallener Wechselkurs). In beiden Fällen würde der im Zeitpunkt des Geschäftsabschlusses einkalkulierte Gewinn geschmälert oder aufgezehrt werden oder gar in einen Verlust umschlagen. Nur im letzteren Fall, bei sich konkret abzeichnenden Verlusten, können in der Handelsbilanz Rückstellungen für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften in Höhe des zu erwartenden Verlustes gebildet werden.[3]

 

Rz. 114

Rückstellungen für Verpflichtungen in ausländischer Währung sind grundsätzlich bei der Erstbilanzierung mit dem Devisenkassakurs am Bilanzstichtag umzurechnen. Nach DRS 25.13 darf statt der differenzierten (Geld- oder Brief-)Kurse der Devisenkassamittelkurs im Zeitpunkt der erstmaligen Erfassung zur Umrechnung der aus einem Fremdwährungsgeschäft resultierenden Vermögensgegenstände und Schulden verwendet werden, wenn die damit verbundene Auswirkung auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage unwesentlich ist.[4] Zwar erstreckt sich der Geltungsbereich des § 256a Satz 1 HGB nicht auf Rückstellungen. Es sind jedoch keine sachlichen Gründe ersichtlich, der Währungsumrechnung von Rückstellungen im Rahmen der Folgebewertung einen anderen Devisenkurs als den Mittelkurs zugrunde zu legen.[5] Zu jedem folgenden Bilanzstichtag ist die Rückstellung neu zu bewerten, und zwar mit demselben Wertmaßstab wie bei der Erstbewertung, d. h. mit dem nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung notwendigen Erfüllungsbetrag (§ 253 Abs. 1 Satz 2 HGB). Was die währungsbedingte Neubewertung angeht, steht die Prognose des Wechselkurses im Erfüllungszeitpunkt vor demselben Problem wie bei der Erstbewertung. Deshalb erfolgt die Umrechnung zum gültigen Devisenkassakurs am Abschlussstichtag ohne Berücksichtigung von Anschaffungswert-, Realisations- und Imparitätsprinzip.[6] Ein gegenüber der Erstbilanzierung gestiegener Umrechnungskurs führt zum Ausweis eines nicht realisierten Währungsgewinns, vorausgesetzt, Veränderungen anderer Preis- und Kostenverhältnisse kompensieren den Währungseffekt nicht. Das Höchstwertprinzip greift wegen § 253 Abs. 1 Satz 2 HGB für Rückstellungen nicht. Ein gegenüber der Erstbilanzierung gefallener Devisenkassamittelkurs führt dementsprechend zum Ausweis eines Währungsverlusts, wobei wiederum davon ausgegangen wird, dass im Übrigen die erwarteten zukünftigen Preis- und Kostenverhältnisse unverändert sind.

 

Rz. 115

Da sich die handelsrechtlich zwingende Berücksichtigung zukünftiger Preis- und Kostenverhältnisse regelmäßig nicht auf die Währungsverhältnisse im Erfüllungszeitpunkt erstreckt, sondern der Stichtagskurs zur Anwendung kommt, ergeben sich aus § 6 Abs. 1 Nr. 3 Buchstabe f letzter Halbsatz EStG für die steuerliche Bewertung von Rückstellungen keine Besonderheiten. Hiernach sind für die Bewertung von Rückstellungen die Wertverhältnisse am Bilanzstichtag maßgebend; die Berücksichtigung zukünftiger Preis- und Kostensteigerungen ist steuerlich unzulässig.[7] Handels- wie steuerbilanziell ist zum Devisenkassamittelkurs am Abschlussstichtag umzurechnen.

[1] Vgl. BR-Drucks. 344/08 v. 23.5.2008 S. 112.
[2] Es müssen "ausreichend objektive Hinweise auf den Eintritt künftiger Preis- und Kostensteigerungen schließen lassen.", BR-Drucks. 344/08 v. 23.5.2008 S. 112.
[3] IDW HFA RS 4 Tz. 25 ff.; in der Steuerbilanz dürfen Drohverlustrückstellungen nicht gebildet werden (§ 5 Abs. 4a EStG).
[4] Vgl. auch Richter in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG KStG Kommentar, § 6 EStG Rz. 23, Stand: 4/2020.
[5] Vgl. Richter, in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG KStG Kommentar, § 6 EStG Rz. 39, Stand: 4/2020.
[6] Vgl. BR-Drucks. 344/08 v. 23.5.2008 S. 134.
[7] Vgl. Schindler, in Kirchhof, Einkommensteuergesetz, 17. Aufl. 2018, § 6 EStG Rz. 154.

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