Leitsatz

1. Die wegen fehlender Anknüpfungstatsachen bestehende Ungewissheit hinsichtlich der behaupteten Vermietungsabsicht ist nicht i.S.v. § 171 Abs. 8 AO beseitigt, solange eine zukünftige Vermietung nicht ausgeschlossen ist und der Steuerpflichtige Maßnahmen ergreift, die darauf gerichtet sind, die Vermietung zu ermöglichen oder zu fördern.

2. Das FA ist bei ungewisser Vermietungsabsicht zur Änderung einer vorläufigen Steuerfestsetzung nach § 165 Abs. 2 Satz 1 AO auch dann befugt, wenn sich eine neue Tatsachenlage allein durch Zeitablauf ergeben hat. Kommt es über einen Zeitraum von mehr als zehn Jahren nicht zu der angeblich beabsichtigten Vermietung, ist es regelmäßig nicht zu beanstanden, wenn die Vermietungsabsicht verneint wird.

 

Normenkette

§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG, § 21, § 165 Abs. 1 Satz 1, § 165 Abs. 2 Satz 1, § 171 Abs. 8 AO

 

Sachverhalt

Die Klägerin und ihr Ehemann setzten mit wenig Geld, aber großem Einsatz ein nicht mehr zeitgemäßes Wohngebäude instand. Dafür benötigten sie 12 Jahre. Fünf Jahre nach der Fertigstellung verstarb der Ehemann der Klägerin. Die Klägerin zog in das Haus. Zu einer Vermietung kam es trotz regelmäßiger Annoncen in allen Jahren nicht. Das FA setzte die Steuer im Hinblick auf die vorab entstandenen Werbungskosten zunächst vorläufig fest und änderte die Bescheide nach mehr als zehn Jahren mit der Begründung, die Vermietungsabsicht lasse sich nicht mehr feststellen. Die Klage hatte keinen Erfolg.

 

Entscheidung

Der BFH hat nun auch die Revision der Klägerin zurückgewiesen. Das FA sei zur Änderung der Bescheide befugt gewesen. Die Festsetzungsfrist war im Änderungszeitpunkt noch nicht abgelaufen, weil die Unsicherheit noch nicht entfallen war. Die Klägerin und ihr Ehemann hatten fortlaufend Maßnahmen ergriffen, die eine Vermietung ermöglichen oder fördern sollten. Die Voraussetzungen des § 165 Abs. 2 Satz 1 AO lagen ebenfalls vor. Zwar hatte des FG für das Jahr der Änderungsbescheide eine entscheidungserhebliche Veränderung der tatsächlichen Umstände nicht festgestellt. Als solche hat der BFH jedoch den bloßen Zeitablauf angesehen, auf den sich das FA und das FG bei ihrer Überzeugungsbildung haben stützen dürfen und der vom FG nicht festgestellt werden muss (FG München, Urteil vom 23.1.2014, 15 K 905/12, Haufe-Index 7487606, EFG 2015, 98).

 

Hinweis

Die Besprechungsentscheidung beleuchtet die (nicht einfachen) Voraussetzungen für eine Bescheidänderung nach § 165 Abs. 2 Satz 1 AO.

1. Materiell-rechtliche Grundlagen. Werden Aufwendungen für ein noch nicht bebautes oder für ein bebautes, aber noch nicht vermietetes Grundstück als vorab entstandene Werbungskosten bei den Einkünften aus VuV geltend gemacht, entspricht es der Praxis der Finanzämter, die Einkünfte vorläufig festzusetzen.

a) Die Anerkennung vorab entstandener Werbungskosten hängt in solchen Fällen davon ab, ob sich aus äußeren Umständen ergibt, dass der Steuerpflichtige entschlossen war, das Grundstück zu bebauen und zu vermieten.

b) Fehlt es an äußerlichen Umständen, die einen sicheren Schluss auf das Vorliegen der Absicht zulassen, müsste die Berücksichtigung der Aufwendungen an sich unterbleiben, weil der Besteuerungstatbe­stand nicht festgestellt werden kann. § 165 AO erlaubt unter diesen Voraussetzungen die vorläufige Festsetzung oder Feststellung der Einkünfte bis zu einer abschließenden Klärung. Die Feststellung des Tatbestands wird dadurch in die Zukunft verlagert.

c) Ergibt sich aus der weiteren tatsächlichen Entwicklung, dass die Vermietungsabsicht von Anfang an bestand, z.B. weil es in absehbarer Zeit zu einer Vermietung gekommen ist, wird der Vorbehalt aufgehoben und die Festsetzung für endgültig erklärt. Stellt sich dagegen heraus, dass die behauptete Vermietungsabsicht zu keiner Zeit vorlag oder lässt sich auch unter Berücksichtigung der weiteren tatsächlichen Entwicklung nicht sicher feststellen, ob sie in der Vergangenheit bestand, müssen die vorläufigen Festsetzungen geändert werden.

d) Unter welchen Voraussetzungen zurückblickend der Schluss auf das Vorliegen der Absicht möglich, nicht möglich oder ausgeschlossen ist, beschäftigt die Rechtsprechung naturgemäß in einer Vielzahl von Einzelfällen. Darum ging es vorliegend jedoch nicht, denn gegen die Würdigung des FG, dass sich die Vermietungsabsicht für die Vergangenheit nicht mehr sicher beurteilen lasse, hatte die Revisionsklägerin keine Einwände erhoben. Streitig war nur, ob das FA zur Änderung der Bescheide befugt war.

2. Grundsätzlich ermöglicht § 165 Abs. 2 Satz 1 AO in diesen Fällen die Änderung quasi voraussetzungslos und ohne zeitliche Begrenzung, allerdings mit zwei Einschränkungen:

a) Verjährung: Grundsätzlich wird der Ablauf der Festsetzungsfrist in dem Umfang gehemmt, in dem die Steuer vorläufig festgesetzt worden ist. Die Festsetzungsfrist endet jedoch mit Ablauf eines Jahres, nachdem die Ungewissheit beseitigt ist (§ 165 Abs. 1 Satz 1 AO i.V.m. § 171 Abs. 8 AO). Höchstrichterlich noch ungeklärt war die Frage, wie dieses Merkmal zu verstehen ist. Der BF...

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