Leitsatz

Schuldzinsen, die auf die Finanzierung des Kaufs eines nießbrauchsbelasteten Grundstücks(teils) entfallen, können beim nießbrauchsverpflichteten Eigentümer als vorweggenommene Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu berücksichtigen sein.

 

Sachverhalt

Der Steuerpflichtige erwarb 1995 zusammen mit seiner Schwester im Wege der vorweggenommenen Erbfolge von seiner Mutter und seiner Tante in X ein bebautes Grundstück mit einer kleineren Ladeneinheit und sechs vermieteten Mietwohnungen in zentraler Innenstadtlage. Die Eltern des Steuerpflichtigen und die Tante behielten sich jeweils den lebenslänglichen Nießbrauch vor. Nachdem der Vater des Steuerpflichtigen starb, standen die Nießbrauchsrechte der Mutter und der Tante, die beide in Y wohnen, je zur Hälfte zu. In 2011 erwarb der Steuerpflichtige von seiner Schwester deren hälftigen Miteigentumsanteil an dem nießbrauchsbelasteten Grundstück.

Die vom Steuerpflichtigen in der Einkommensteuererklärung 2012 bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung für diesen Grundstücksanteil als vorweggenommene Werbungskosten erklärten Schuldzinsen in Höhe von 6.900 EUR wurden vom Finanzamt nicht berücksichtigt. Zur Begründung führte das Finanzamt an, dass der Steuerpflichtige bei einem auf Lebenszeit bestehenden Nießbrauchsrecht nicht in absehbarer Zeit mit Einnahmen rechnen könne und es somit an einem hinreichend konkreten, objektiv feststellbaren Zusammenhang zwischen den Aufwendungen und zukünftigen Einnahmen fehle.

 

Entscheidung

Nach Auffassung des Finanzgerichts handelt es sich bei den geltend gemachten Schuldzinsen um vorweggenommene Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung. Die Einkünfteerzielungsabsicht könne auch dann bejaht werden, wenn wie im Urteilsfall zwar das konkrete Ende des Nießbrauchs noch nicht absehbar ist, aber aufgrund äußerer Umstände keine Zweifel daran bestehen, dass der Steuerpflichtige bereits im Streitjahr beabsichtige, nach dem Wegfall des rechtlichen Hindernisses steuerpflichtige Einkünfte zu erzielen. Hätte der Steuerpflichtige die Absicht gehabt, seinen Miteigentumsanteil an dem Grundstück zu veräußern, so hätte der Erwerb des hälftigen Miteigentumsanteils von seiner Schwester wenig Sinn gemacht, denn sie hätten das Grundstück auch gemeinsam veräußern können. Auch eine nicht zu steuerpflichtigen Einkünften führende zukünftige Nutzung des Grundstücks durch den Steuerpflichtigen (z.B. zu eigenen Wohnzwecken) könne - so das Finanzgericht - ausgeschlossen werden, da es sich bei dem Grundstück um ein typisches Vermietungsobjekt handele und die gesamte Familie des Steuerpflichtigen einschließlich seiner Mutter und Tante ihren Lebensmittelpunkt in Y habe. Zudem sei zu berücksichtigen, dass das Haus bereits seit vielen Jahren an fremde Dritte vermietet ist.

 

Hinweis

In den bisher (soweit ersichtlich) vom Bundesfinanzhof entschiedenen Fällen zur Berücksichtigung von Werbungskosten bei einem mit einem lebenslangen Nießbrauch belasteten Grundstück scheiterte die Berücksichtigung beim Grundstückseigentümer jeweils am Nachweis eines ausreichend bestimmten wirtschaftlichen Zusammenhangs zwischen den geltend gemachten Aufwendungen und der Einkunftsart, in deren Rahmen der Abzug begehrt wurde (vgl. BFH, Urteil v. 14.11.2007, IX R 51/06, juris m. w. N.). Nach Ansicht des Bundesfinanzhofs fehle es regelmäßig an der Absicht, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zu erzielen, wenn der Steuerpflichtige Aufwendungen für eine Immobilie tätige, die eine andere Person zu nutzen berechtigt und ein Ende der Nutzung nicht absehbar sei. In den entschiedenen Fällen wurde jedoch ausnahmslos um die Berücksichtigung von Erhaltungsaufwendungen als Werbungskosten gestritten. Lediglich für den Fall, dass der Steuerpflichtige die Aufwendungen im eigenen Interesse als zukünftiger Nutzer getätigt habe und der Nießbrauch zeitnah aufgehoben werden sollte, erkannte der Bundesfinanzhof vorab entstandene Werbungskosten aus Vermietung und Verpachtung an (BFH, Urteil v. 25.2.2009, IX R 3/07, BFH/NV 2009, 1251). Im Hinblick auf die grundsätzliche Bedeutung der Sache und die insoweit fehlende höchstrichterliche Rechtsprechung hat das Finanzgericht die Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen. Es bleibt abzuwarten, ob der Bundesfinanzhof in dem unter dem Az. IX R 20/17 geführten Revisionsverfahren der Rechtsauffassung des Finanzgerichts folgt und seine Rechtsprechung zur Berücksichtigung von Schuldzinsen als vorweggenommene Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung insoweit weiter modifiziert.

 

Link zur Entscheidung

FG Baden-Württemberg, Urteil vom 25.04.2017, 5 K 763/15

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