Leitsatz

Ist unklar, ob ein Unternehmer, der Windkraftanlagen im Inland betreibt, im In- oder Ausland ansässig ist, kann er Vorsteuerbeträge im allgemeinen Besteuerungsverfahren geltend machen, wenn er trotz möglicher Umkehr der Steuerschuldnerschaft nach § 13b UStG Rechnungen mit Umsatzsteuerausweis erstellt hat und er deshalb ohnehin verpflichtet ist, die nach § 14c Abs. 1 UStG geschuldete Umsatzsteuer im allgemeinen Besteuerungsver­fahren zu erklären (Anschluss an BFH-Urteil vom 28.8.2013, XI R 5/11, BFHE 243, 51, BStBl II 2014, 497, entgegen Abschn. 18.15. UStAE).

 

Normenkette

§§ 13b, 14c, 16, 18 UStG

 

Sachverhalt

Die Klägerin, eine ausländische Gesellschaft, veräußerte mit Wirkung zum 31.12.2007, 1.4.2008 und 1.7.2008 drei im Inland gelegene Windkraftanlagen. Sie ging davon aus, dass sie den eigenen Betrieb zur Stromerzeugung eingestellt habe und nur noch die Abrechnung von Einnahmen und Ausgaben für die Erwerber vornehme. Gleichwohl erteilte sie im Streitjahr 2008 ganzjährig Rechnungen mit USt-Ausweis. Die Klägerin machte mit ihrer USt-Jahreserklärung 2008 auch Vorsteuerbeträge geltend. Demgegenüber ging das FA davon aus, dass die von der Klägerin erbrachten Leistungen aufgrund ihrer Auslandsansässigkeit § 13b UStG unterlägen. Wegen eines Steuerausweises in Rechnungen sei sie als Rechnungsaussteller Steuerschuldner nach § 14c UStG. Das FA erließ dementsprechend einen USt-Jahresbescheid 2008 über eine USt von 64.205,94 EUR, ohne einen Vorsteuerabzug zu berücksichtigen. Demgegenüber gab das FG (FG Münster, Urteil vom 5.9.2013, 5 K 1768/10 U, Haufe-Index 5532497, EFG 2013, 1890) der Klage statt. Die Klägerin habe in der ersten Jahreshälfte 2008 als inländischer Unternehmer Stromlieferungen erbracht, da sie über eine feste inländische Zweigniederlassung in Form der Windräder verfügt habe. Daher sei § 13b UStG nicht anzuwenden. Für die zweite Jahreshälfte schulde die Klägerin die USt nach § 14c Abs. 2 UStG. Ihr stehe auch der Vorsteuerabzug zu, der auf Leistungsbezüge für das erste Halbjahr 2008 entfalle.

 

Entscheidung

Der BFH bestätigte im Ergebnis die Entscheidung der Vorinstanz. Die Klägerin sei unabhängig von einer Ansässigkeit im Inland zum Vorsteuerabzug im Regelbesteuerungsverfahren berechtigt. Selbst wenn sie bereits im ersten Halbjahr 2008 nicht im Inland ansässig gewesen sei, sodass die von ihr abgerechneten Leistungen § 13b UStG unterlägen und damit für das erste Halbjahr 2008 eine Steuerschuld nach § 14c Abs. 1 UStG vorläge, sei wegen § 14c Abs. 1 UStG das Regelbesteuerungsverfahren anzuwenden, in dem die Klägerin auch Vorsteuerbeträge geltend machen könne. Daher konnte offenbleiben wie für eine (zusätzliche) Steuerschuld nach § 14c Abs. 2 UStG zu entscheiden ist.

 

Hinweis

1. Liegen bei im Ausland ansässigen Unternehmen abzugsfähige Vorsteuerbeträge i.S.v. § 15 UStGvor, ist zu entscheiden, in welchem Verfahren der Unternehmer den Vorsteuerabzug geltend machen kann. Anstelle des Regelbesteuerungsverfahrens kann dabei das Vergütungsverfahren gemäß § 18 Abs. 9 UStG i.V.m. §§ 59ff. UStDV anzuwenden sein. Letzteres erfasst z.B. die im Ausland ansässige Unternehmer, die im Inland überhaupt keine Umsätze oder nur Umsätze ausgeführt haben, für die der Leistungsempfänger nach § 13b UStG der Steuerschuldner ist (§ 59 Nrn. 1 und 2 UStDV).

2. Der BFH hatte bereits entschieden, dass das Regelbesteuerungs- nicht aber das Vergütungsverfahren anzuwenden ist, wenn der ausländische Unternehmer zwar selbst keine Umsätze im Inland ausführt, aber als Leistungsempfänger Steuerschuldner nach § 13b UStG ist (BFH, Urteil vom 14.4.2011, V R 14/10, BFH/NV 2011, 1626; BFH, Urteil vom 7.3.2013, V R 12/12, BFH/NV 2013, 1133). Maßgeblich war hierfür der mit dem Vergütungsverfahren angestrebte Vereinfachungszweck (§ 18 Abs. 9 Satz 1 UStG). Unterliegt der Unternehmer aufgrund einer von ihm bezogenen Leistung, für die er Steuerschuldner nach § 13b UStG ist, bereits dem Regelbesteuerungsverfahren, kann es durch die zusätzliche Anwendung des Vergütungsverfahrens zu keiner Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens kommen.

3. Der XI. Senat des BFH hat dies später auf den Fall erweitert, dass der Unternehmer dem Regelbesteuerungsverfahren unterliegt, da er Steuerschuldner aufgrund eines unrichtigen oder unberechtigten Steuerausweises nach § 14c Abs. 1 oder 2 UStG (§ 14 Abs. 2 oder 3 UStG a.F.) ist (BFH, Urteil vom 28.8.2013, XI R 5/11, BFH/NV 2013, 2033). Der vom XI. Senat entschiedene Streitfall wies die Besonderheit auf, dass der im Ausland ansässige Unternehmer einen alle Voraussetzungen erfüllenden Antrag auf Vorsteuervergütung beim BZSt zunächst fristgerecht gestellt hatte, diesen dann aber aufgrund einer Rechtsauskunft des BZSt zurückgenommen hatte und einen neuen Vergütungsantrag mangels Fristablauf nicht neu stellen konnte. Die Finanzverwaltung reagierte hierauf mit einem faktischen Nichtanwendungserlass (BMF, Schreiben vom 21.5.2014, IV D 3 – S 7359/13/10002, BStBl I 2014, 863), nach dem das BFH-Urteil nur für die entschiedene Fallgesta...

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