BMF, 28.3.2006, IV A 5 - S 7304 - 11/06

Bezug: BFH-Urteil vom 11.12.2003, V R 48/02, BStBl 2006 II S. … (das BFH-Urteil wird zeitgleich mit diesem Schreiben im BStBl 2006 II veröffentlicht)

Mit Urteil vom 11.12.2003, V R 48/02, BStBl 2006 II S. …, hat der BFH entschieden, dass sich der Unternehmer bei einer unentgeltlichen Lieferung oder sonstigen Leistung im unternehmerischen Interesse, die steuerfrei wäre, wenn sie gegen Entgelt ausgeführt würde, abweichend von § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 UStG darauf berufen kann, dass ihm der Vorsteuerabzug nach Art. 17 Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie zusteht. Der BFH hatte im Streitfall dem Unternehmer das Recht zum Vorsteuerabzug für Eingangsumsätze, die mit einer aus unternehmerischen Gründen zunächst unentgeltlich erfolgten Verpachtung zusammenhingen, zugesprochen, weil die ernsthafte Absicht, steuerpflichtige Vermietungsumsätze zu erzielen, nachgewiesen worden war.

Zur Anwendung des § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 UStG gilt nach dem Ergebnis der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder bis zu einer gesetzlichen Neuregelung Folgendes:

§ 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 UStG ist im Vorgriff auf eine zu erwartende gesetzliche Neuregelung nicht mehr anzuwenden. Soweit die Veranlagungen nach den Vorschriften der Abgabenordnung jeweils noch änderbar sind, ist dem Unternehmer auf Antrag der Vorsteuerabzug aus Umsätzen, die mit einer unentgeltlichen Lieferung oder sonstigen Leistung, die steuerfrei wäre, wenn sie gegen Entgelt ausgeführt würde, in Zusammenhang stehen, unter den allgemeinen Voraussetzungen des § 15 UStG zu gewähren.

Bei jedem Leistungsbezug ist zu prüfen, ob der Leistungsbezug für das Unternehmen erfolgt und der Unternehmer beabsichtigt, die Eingangsleistung zur Erzielung von zum Vorsteuerabzug berechtigenden Ausgangsumsätzen zu verwenden. Dabei ist auf die gesamte, im Zeitpunkt des Leistungsbezugs bekannte Verwendungsprognose abzustellen. Eine Verwendung für zunächst unentgeltlich zu erbringende Ausgangsumsätze ist insoweit unschädlich; Abschn. 203 Abs. 1 Satz 8 UStR steht dem nicht entgegen. Zum Nachweis der Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug vgl. Abschn. 203 Abs. 1 und 2 UStR.

Beispiel 1:

Unternehmer V errichtet ein Gebäude. Nach der Fertigstellung des Gebäudes soll es an den Hotelunternehmer H überlassen werden, wobei nach der vertraglichen Vereinbarung das Gebäude zunächst für ein Jahr unentgeltlich und danach für weitere 20 Jahre steuerpflichtig verpachtet werden soll.

V kann aus den Herstellungskosten des Gebäudes den Vorsteuerabzug in Anspruch nehmen, da bei Leistungsbezug feststeht, dass die Eingangsleistungen ausschließlich zur Erzielung von zum Vorsteuerabzug berechtigenden Ausgangsumsätzen verwendet werden sollen.

Beispiel 2:

Unternehmer V errichtet ein Gebäude. Nach der Fertigstellung des Gebäudes soll es an den Hotelunternehmer H überlassen werden, wobei nach der vertraglichen Vereinbarung das Gebäude zunächst für ein Jahr unentgeltlich und danach für weitere 20 Jahre steuerfrei verpachtet werden soll.

V kann aus den Herstellungskosten des Gebäudes keinen Vorsteuerabzug in Anspruch nehmen, da bei Leistungsbezug feststeht, dass die Eingangsleistungen ausschließlich zur Erzielung von nicht zum Vorsteuerabzug berechtigenden Ausgangsumsätzen verwendet werden sollen.

Liegt kein steuerbarer Ausgangsumsatz vor, dem der Leistungsbezug direkt zugerechnet werden kann, ist zu prüfen, ob der Leistungsbezug unternehmerisch veranlasst ist und (mittelbar) einer bestimmten Gruppe von Ausgangsumsätzen wirtschaftlich zugeordnet werden kann.

Beispiel 3:

Unternehmer U betreibt einen Kfz-Handel und eine Versicherungsvermittlungsagentur. Aus der Versicherungsagentur erzielt der Unternehmer ausschließlich nach § 4 Nr. 11 UStG steuerfreie Ausgangsumsätze. U lässt sich gegen Honorar eine Internet-Homepage gestalten, auf der er zu Werbezwecken und zur Kundengewinnung für seine Versicherungsagentur kostenlose Versicherungstipps gibt. Auf der Internetseite findet sich auch ein Kontaktformular für Anfragen zu Versicherungsbelangen. Die über das Internet kostenlos durchgeführten Beratungen sind mangels Entgelt nicht steuerbar.

U ist nicht zum Vorsteuerabzug aus der Gestaltung der Internet-Homepage berechtigt, da der Leistungsbezug insoweit ausschließlich Umsätzen zuzurechnen ist, die den Vorsteuerabzug ausschließen. Auch wenn die Gestaltung der Internet-Homepage nicht direkt mit den Umsätzen aus der Vermittlung von Versicherungen zusammenhängt, dient der Internetauftritt der Förderung dieses Unternehmensbereichs.

In den Fällen, in denen keine direkte wirtschaftliche Zuordnung einer unternehmerisch verwendeten Eingangsleistung möglich ist, ist die Aufteilung des Vorsteuerabzugs nach der Gesamtschau des Unternehmens vorzunehmen.

Beispiel 4:

Ein Hautarzt führt sowohl nicht zum Vorsteuerabzug berechtigende (80 % Anteil am Gesamtumsatz) als auch zum Vorsteuerabzug berechtigende Umsätze (z.B. kosmetische Behandlungen; 20 % Anteil am Gesamtumsatz) aus. Um für sein unternehmerisches Leistungsspektrum zu...

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