Leitsatz

Der Gesellschafter einer noch zu gründenden GmbH kann im Hinblick auf eine beabsichtigte Unternehmenstätigkeit der GmbH nur dann zum Vorsteuerabzug berechtigt sein, wenn der Leistungsbezug durch den Gesellschafter bei der GmbH zu einem Investitionsumsatz führen soll.

 

Normenkette

§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG, Art. 168 EG-RL 112/2006

 

Sachverhalt

Der Kläger beabsichtigte die Aufnahme einer unternehmerischen (wirtschaftlichen) Tätigkeit über eine von ihm zu gründende GmbH, deren Alleingesellschafter er sein sollte. Geplant war der Erwerb der Vermögensgegenstände der bereits langjährig im Geschäft mit Bauelementen tätigen B-GmbH. Der Kläger bezog hierfür Beratungsleistungen einer Unternehmensberatung zur Existenzgründung sowie eines Rechtsanwalts zu einem (geplanten) Unternehmenskauf. Der Erwerb der Vermögensgegenstände der B-GmbH unterblieb ebenso wie die GmbH-Gründung.

Der beim Finanzamt nicht als Unternehmer geführte Kläger machte den Vorsteuerabzug für die von ihm bezogenen Beratungsleistungen geltend. Das Finanzamt lehnte dies ab. Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Demgegenüber gab das Finanzgericht (FG) der Klage statt (FG Düsseldorf, Urteil vom 30.1.2015, 1 K 1523/14 U, EFG 2015, 686). Der Kläger sei als Einzelperson vergleichbar einer Vorgründungsgesellschaft berechtigt, aus Rechnungen über von ihm bezogene Beratungsleistungen zum Zwecke der Vorbereitung und Errichtung einer Ein-Mann-GmbH den Vorsteuerabzug vorzunehmen. Unerheblich sei, dass der Kläger bei Bezug der Eingangsleistungen in der Gründungsphase nicht selbst als natürliche Person besteuerte Umsätze ausführen wollte.

 

Entscheidung

Auf die Revision des Finanzamts hob der BFH das Urteil des FG auf und wies die Klage ab, da der Kläger nicht Unternehmer war und auch kein Investitionsumsatz vorlag.

 

Hinweis

1. Der Vorsteuerabzug steht nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG und Art. 168 EG-RL 112/2006 (= MwStSystRL) nur Unternehmern ("Steuerpflichtigen") zu.

2. Gesellschafter sind nicht aufgrund des Haltens von Beteiligungen Unternehmer. Ein Vorsteuerabzug kann sich für den Gesellschafter ohne eigene Unternehmerstellung aber daraus ergeben, dass er aus Sicht seiner Gesellschaft einen Investitionsumsatz tätigt. Insoweit gilt nach der EuGH-Rechtsprechung Folgendes:

a) EuGH-Urteil Faxworld: Danach ist eine Vorgründungsgesellschaft zum Vorsteuerabzug berechtigt. Die Vorgründungsgesellschaft ist Steuerpflichtige, da sie die Veräußerung der von ihr erworbenen Vermögensgegenstände auf die noch zu gründende Aktiengesellschaft bewirkt. Damit die Vorgründungsgesellschaft "für die Zwecke ihrer besteuerten Um­sätze" handelt, reicht es aus, dass im Verhältnis zwischen Vorgründungsgesellschaft und Aktiengesellschaft eine Geschäftsveräußerung vorliegt, aufgrund derer es zu einer Rechtsnachfolge kommt (vgl. § 1 Abs. 1a Satz 3 UStG und Art. 19 Abs. 1 MwStSystRL). Die Vorgründungsgesellschaft kann dann als Übertragender die besteuerten Umsätze des Begünstigten der Übertragung (Aktiengesellschaft) berücksichtigen (EuGH, Urteil vom 29.4.2004, C-137/02, Faxworld, EU:C:2004:267, Rz. 26, 30f und 42, BFH/NV Beilage 2004, 225).

b) EuGH-Urteil Polski Trawertyn: Hier hat der EuGH zu einem Investitionsumsatz (Einbringung eines Grundstücks in eine Gesellschaft) entschieden, dass Art. 9, 168 und 169 MwStSystRL einer nationalen Regelung entgegenstehen, nach der weder die Gesellschafter noch die Gesellschaft den Vorsteuerabzug für Investitionskosten geltend machen dürfen, die vor Gründung und Eintragung dieser Gesellschaft von den Gesellschaftern für die Zwecke und im Hinblick auf die wirtschaftliche Tätigkeit der Gesellschaft getragen wurden (EuGH, Urteil vom 1.3.2012, C-280/10, Polski Trawertyn, EU:C:2012:107, BFH/NV 2012, 908).

c) EuGH-Urteil Malburg: Danach fällt die unentgeltliche Überlassung eines Mandantenstamms durch den Gesellschafter an seine Gesellschaft – anders als die Einbringung eines Grundstücks in eine Gesellschaft – nicht in den Anwendungsbereich der Steuer und ist keine wirtschaftliche Tätigkeit (EuGH, Urteil vom 13.3.2014, C-204/13, Malburg, EU:C:2014:147, Rz. 35, BFH/NV 2014, 813).

3. Unter Berücksichtigung dieser EuGH-Rechtsprechung geht der BFH davon aus, der Gesellschafter aus dem Bezug von Beratungsleistungen für die Gründung einer GmbH, die unternehmerisch tätig werden soll, nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt ist.

Entscheidend ist insoweit, dass die bezogenen Beratungsleistungen – anders als die Vermögensgegenstände in den den EuGH-Urteilen Faxworld und Polski Trawertyn zugrunde liegenden Rechtssachen – auch im Fall einer tatsächlichen GmbH-Gründung nicht auf diese übertragbar waren. Durch die bezogenen Beratungsleistungen sind keine übertragbaren Vermögenswerte ("Investitionsgüter") entstanden.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 11.11.2015 – V R 8/15

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