Leitsatz

1. Zahlen geschiedene Eltern ihrem Kind, das in einem selbstständigen Haushalt lebt, jeweils eine Unterhaltsrente, hat Anspruch auf Kindergeld, wer die höhere Unterhaltsrente leistet. Hat derjenige, der das Kindergeld bisher erhalten hat, den Betrag an das Kind als Unterhalt weitergeleitet, so bleibt das Kindergeld für die Feststellung der höheren Unterhaltsrente außer Betracht.

2. Begehrt der Berechtigte mit der Klage, den die Zahlung von Kindergeld ablehnenden Bescheid der Familienkasse aufzuheben und die Familienkasse zu verpflichten, Kindergeld auf unbestimmte Zeit zu zahlen, handelt es sich um eine Verpflichtungsklage. Ist die Ablehnung des Kindergelds rechtswidrig, ist der Ablehnungsbescheid aufzuheben und die Familienkasse zu verpflichten, über den Kindergeldantrag erneut zu entscheiden.

 

Normenkette

§ 64 Abs. 3 EStG

 

Sachverhalt

Der Kläger (Vater) zahlte an den in einer eigenen Wohnung lebenden Sohn ab Oktober 1999 monatlich 525 DM. Die Mutter erhielt das Kindergeld von 250 DM und zahlte monatlich 600 DM. Der Vater war der Meinung, das Kindergeld sei bei der Unterhaltszahlung der Mutter nicht zu berücksichtigen. Daher stehe ihm das Kindergeld zu, da er mit 525 DM die höhere Unterhaltsrente zahle, während die Mutter nur 350 DM (600 DM ./. 250 DM) erbringe.

 

Entscheidung

Der BFH entschied zugunsten des Vaters. Denn er leiste mit 525 DM gegenüber 350 DM die höhere Unterhaltsrente. Die Aussage des BFH, es handele sich um eine Verpflichtungsklage, bedeutet, dass bei Klagen auf Zahlung von Kindergeld auf unbestimmte Zeit das FG regelmäßig das Kindergeld nicht selbst festsetzen kann, sondern die Familienkasse zu verpflichten hat, über den Kindergeldantrag erneut zu entscheiden. Es ergeht ein sog. Bescheidungsurteil nach § 101 Satz 2 FGO, da die Familienkasse die Sach- und Rechtslage nach ihrer letzten Entscheidung noch nicht geprüft hat.

 

Hinweis

Nach § 64 Abs. 1 EStG wird für jedes Kind nur einem Berechtigten Kindergeld gezahlt. Ist das Kind nicht in den Haushalt eines Berechtigten aufgenommen, erhält das Kindergeld nach § 64 Abs. 3 EStG derjenige, der dem Kind eine Unterhaltsrente zahlt. Zahlen mehrere Berechtigte eine Unterhaltsrente, erhält das Kindergeld derjenige, der die höchste Unterhaltsrente zahlt. Werden gleich hohe Unterhaltsrenten gezahlt oder zahlt keiner der Berechtigten Unterhalt, bestimmen die Berechtigten untereinander, wer das Kindergeld erhalten soll. Wird eine Bestimmung nicht getroffen, entscheidet auf Antrag das Vormundschaftsgericht.

Bisher war streitig, ob das an einen Elternteil ausgezahlte und von diesem an das Kind weitergeleitete Kindergeld bei diesem als Teil der Unterhaltsrente, d.h. als die Rente erhöhend, berücksichtigt werden kann. Sieht man das weitergeleitete Kindergeld als Bestandteil der Unterhaltsrente an und stellt man nicht darauf ab, woher die Mittel stammen, ist derjenige vorrangig berechtigt, dessen Unterhaltszahlungen einschließlich des erhaltenen und weitergeleiteten Kindergelds die höhere Unterhaltsrente zahlt.

Entscheidend muss jedoch sein, dass nach dem Zweck des Gesetzes derjenige das Kindergeld erhalten soll, der durch den Kindesunterhalt am meisten finanziell belastet ist. Dieser gesetzgeberischen Absicht würde es widersprechen, bei dem Vergleich der Zahlungen allein auf den dem Kind tatsächlich zugeflossenen Betrag abzustellen.

Nach § 1612b BGB wird bei dem Elternteil, dem das Kindergeld nicht ausgezahlt wird, das auf das Kind entfallende Kindergeld zur Hälfte auf den geschuldeten Unterhalt angerechnet. Entsprechend erhöht sich für den das Kindergeld beziehenden Elternteil der Unterhaltsanspruch um die Hälfte des Kindergelds. Das Kindergeld wirkt sich damit bei beiden Elternteilen als durchlaufender Posten aus. Deshalb ist es für den Vergleich der Unterhaltsrenten bei demjenigen, dem es ausgezahlt wird, zur Hälfte heraus- und bei dem anderen zur Hälfte der Zahlung hinzuzurechnen. Das rechnerische Ergebnis bleibt das Gleiche, wenn das Kindergeld – vereinfachend – bei dem Empfänger voll von seiner Unterhaltszahlung abgezogen wird. Das Kindergeld erhält danach derjenige Berechtigte, der nach Abzug des Kindergelds von seinen Unterhaltszahlungen die höchste Unterhaltsrente zahlt.

Wegen der Zu- und Abrechnung wirkt sich das Kindergeld rein wirtschaftlich betrachtet auf die Höhe der Unterhaltsbelastung nicht aus. Gleichwohl dürfte es im Eltern-Kind-Verhältnis von nicht unerheblicher atmosphärischer Bedeutung sein, welcher Elternteil – wenn auch unter Weiterleitung des Kindergelds – den höheren Unterhaltsbeitrag leistet.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 2.6.2005, III R 66/04

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