Fremdkapitalzinsen gehören nach § 255 Abs. 3 Satz 1 HGB nicht zu den Herstellungskosten. Sie sind nicht durch den Verbrauch von Gütern und die Inanspruchnahme von Diensten verursacht, sondern fallen für die Überlassung von Finanzierungsmitteln an. Dennoch erlaubt Satz 2 dieser Bestimmung im Einklang mit dem Steuerrecht[1] unter bestimmten Voraussetzungen ihre Einbeziehung. In diesem Fall gelten sie kraft gesetzlicher Fiktion als Herstellungskosten. Diese Sonderregelung verdeutlicht: der Gesetzgeber sieht die Nichtaktivierung der Fremdkapitalzinsen als Regelfall an und räumt das Wahlrecht lediglich i. S.e. sog. Bewertungshilfe ein.[2] Hiervon machen v.a. Unternehmen Gebrauch, die im Bereich der langfristigen Auftragsfertigung bei hohem Einsatz von Fremdkapital tätig sind. Kapitalgesellschaften oder diesen gleichgestellte Personenhandelsgesellschaften[3] verpflichtet § 284 Abs. 2 Nr. 5 HGB zu entsprechenden Angaben im Anhang.

Die Aktivierung von (kalkulatorischen) Eigenkapitalzinsen ist unzulässig.[4] Auch Kosten der Fremdkapitalbeschaffung dürfen nicht in die Herstellungskosten einbezogen werden.[5]

 
Hinweis

Steuerliche Behandlung der Fremdkapitalzinsen

Nach Auffassung der Finanzverwaltung ist die steuerrechtliche Behandlung der Fremdkapitalzinsen an die Ausübung des Einbeziehungswahlrechts in der Handelsbilanz gebunden.[6] Dieser Ansicht der Finanzverwaltung begegnet Kritik aus der Kommentarliteratur.[7]

Die Inanspruchnahme der Bewertungshilfe gem. § 255 Abs. 3 HGB ist an 2 Voraussetzungen geknüpft:

  1. Das Fremdkapital muss zur Finanzierung der Herstellung eines Vermögensgegenstands verwendet werden (sachlicher Bezug).
  2. Die Zinsen müssen auf den Zeitraum der Herstellung entfallen (zeitlicher Bezug).

An den sachlichen Bezug zwischen Herstellungsvorgang und Finanzierungsmaßnahme sind keine zu hohen Anforderungen zu stellen.[8] Er ist in jedem Fall gegeben, wenn ein Kreditvertrag nachweislich für Zwecke der Herstellungsfinanzierung abgeschlossen oder verlängert respektive eine Kreditlinie ausgenutzt oder auf die Rückführung eines Kredits verzichtet wird.[9] Fehlt es an einem solchen unmittelbaren Zusammenhang, ist eine quotale Zurechnung der Fremdkapitalzinsen auf die einzelnen Vermögensgegenstände auf der Grundlage betriebswirtschaftlicher Finanzierungshypothesen zulässig. Dabei kann z. B. vereinfachend unterstellt werden, sämtliche Vermögensgegenstände seien entsprechend der Kapitalstruktur des Unternehmens anteilig mit Eigen- und Fremdkapital finanziert oder das Eigenkapital werde primär zur Finanzierung des Anlagevermögens verwendet.[10]

Zu aktivierende Fremdkapitalzinsen dürfen dem Herstellungszeitraum nicht vor- oder nachgelagert sein, sondern müssen im Zeitraum der Herstellung anfallen.

[2] Vgl. BT-Drucks. 10/317 S. 88.
[4] Vgl. H 6.3 EStH.
[5] Vgl. BFH, Urteil v. 24.5.1968, IV R 6/67, BStBl 1968 II S. 574.
[7] Vgl. Kulosa, in Schmidt, EStG, 39. Aufl. 2020, § 6 EStG, Rz. 206 m. w. N.
[8] Engere Auslegung nach IDW RS HFA 31 n. F., Rn. 23 f.
[9] Vgl. Schubert/Hutzler, in Beck Bil-Komm., 12. Aufl. 2020, § 255 HGB, Rn. 505.
[10] Vgl. Hoffmann/Lüdenbach, NWB Kommentar Bilanzierung, 11. Aufl. 2019, § 255, Rz. 137; Müller/Kreipel, in Bertram/Kessler/Müller, Haufe HGB Bilanz Kommentar, 11. Aufl. 2020, § 255, Rz. 208.

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