§ 256 Satz 1 HGB erlaubt für Zwecke einer vereinfachten bilanziellen Zugangsbewertung gleichartiger Vorratsgüter, eine von der Realität abweichende Verbrauchs- oder Veräußerungsfolge dieser Güter zu unterstellen. Die geforderte GoB-Konformität hat klarstellenden Charakter und soll Missbräuche ausschließen. Unzulässig sind danach etwa willkürliche Verbauchsfolgeunterstellungen, die selbst bei einer anderen Gestaltung des Betriebsablaufs niemals gewählt würden (z. B. Lifo-Methode bei verderblichen Waren oder bei Saisonbetrieben, die ihren Vorratsbestand während des Geschäftsjahrs regelmäßig vollständig verwenden.[1] Die Regelung trägt einem praktischen Bedürfnis Rechnung, da Vorratsgüter aufgrund ihrer physischen Beschaffenheit und der Vielzahl an Erwerbsvorgängen zu unterschiedlichen Preisen häufig ihre Identität verlieren, was eine Einzelbewertung aufwändig, wenn nicht gar unmöglich macht.

Handelsrechtliche Verwendungsfiktionen

Als mögliche Verwendungsfiktionen sieht § 256 Satz 1 HGB vor:

  • Die zuerst angeschafften Vermögensgegenstände gelten als zuerst verbraucht oder veräußert (first in, first out: Fifo-Methode).
  • Die zuletzt angeschafften Vermögensgegenstände gelten als zuerst verbraucht oder veräußert (last in, first out: Lifo-Methode).

Darüber hinaus kann die bereits erläuterte Durchschnittsmethode als ein spezielles Verbrauchsfolgeverfahren gedeutet werden.[2]

Zur Ermittlung der Zugangswerte ist der Endbestand mit den Preisen jener Vorratsgüter zu bewerten, aus denen sich der Lagerbestand nach der unterstellten Verbrauchsfolge zusammensetzt. Das sind

  • bei der Lifo-Methode die Preise des Anfangsbestands und ggf. der ersten Zugänge,
  • bei der Fifo-Methode die Preise der zuletzt beschafften Güter.

Das Lifo-Verfahren kann in unterschiedlichen Varianten zur Anwendung gelangen. Zum einen besteht die Wahl zwischen einer periodischen und einer permanenten Wertermittlung. Während das periodische Lifo-Verfahren die Anschaffungskosten nur einmalig für den am Jahresende vorhandenen Bestand aus dem Wert des Anfangsbestands und den Preisen der ersten Zugänge ermittelt, wird beim permanenten Lifo-Verfahren jeder Verbrauch unter Berücksichtigung der jeweils vorausgegangenen Zugänge bewertet.

Gestaltungsmöglichkeiten bei Mehrbestand

Weitere Gestaltungsmöglichkeiten ergeben sich bei der Bewertung eines sich im Vergleich zum Anfangsbestand (Basisbestand) aufgebauten Mehrbestands. Zur Bewertung des Mehrbestands sind unterschiedliche Vorgehensweisen denkbar:

  • Ansatz mit den Preisen der ersten Zugänge während des Geschäftsjahrs (konsequente Umsetzung der Lifo-Fiktion),
  • Ansatz mit den Preisen der letzten Zugänge (Kombination aus Lifo-Methode [Basisbestand] und Fifo-Methode [Mehrbestand]) oder
  • Ansatz mit den Durchschnittskosten aller Zugänge des Geschäftsjahrs (Kombination aus Lifo-Methode [Basisbestand] und Durchschnittsmethode [Mehrbestand]).

Der nach einer dieser Methoden bewertete Mehrbestand kann für die Fortführung der Bewertung mit dem Basisbestand zu einem einheitlichen Gesamtbestand zusammengefasst oder als eine davon getrennt fortzuführende Bewertungseinheit (sog. Layer) behandelt werden. Der Unterschied zwischen beiden Verfahrensweisen zeigt sich, wenn sich der Vorratsbestand in der Folgezeit reduziert: Bei einem einheitlichen Gesamtbestand ist in dieser Situation der Nettoabgang mit dem durchschnittlichen Stückpreis zu bewerten. Demgegenüber sind bei getrennter Führung von Basisbestand und in Vorjahren aufgebauten Mehrbeständen im Umfang des Mengenrückgangs einzelne Layer aufzulösen, und zwar in der umgekehrten Reihenfolge ihrer Bildung ("last in, first out"). Demzufolge werden die Nettoabgänge hier mit den Buchwerten der jeweils zuletzt aufgebauten Mehrbestände bewertet.

 
Praxis-Tipp

Zusammenfassung von Basis und Mehrbestand

Um die Komplexität der Vorratsbewertung möglichst gering zu halten, empfiehlt sich die Zusammenfassung von Basis- und Mehrbestand zu einem einheitlichen Bestand. Dieser Vorzug der einfachen Handhabung wird allerdings erkauft durch eine tendenziell höhere Bewertung der Vorräte. Umgekehrt bedeutet das, die Layer-Bildung trägt dem Ziel der Substanzerhaltung stärker Rechnung, indem sie in Zeiten steigender Preise eine nochmals niedrigere Bewertung des Vorratsbestands erlaubt. Damit gehen regelmäßig Liquiditäts- und Zinsvorteile aufgrund geringerer Mittelabflüsse in Form von Steuern und Ausschüttungen einher. Allerdings wird dieses Verfahren mit zunehmender Anwendungsdauer komplizierter, da es zur korrekten Erfassung von Mengenrückgängen und der für die einzelnen Teilbestände ggf. erforderlichen Niederstwertabschreibungen umfangreiche Dokumentationen verlangt.

Zu dem in der Praxis selten anzutreffenden Index-Verfahren als Sonderform der Lifo-Methode sei auf die Spezialliteratur verwiesen.[3]

[1] Vgl. auch R 6.9 Abs. 2 EStR sowie (in Bezug auf die Mindesthaltbarkeit von Vorräten strenger) BMF, Schreiben v. 12.5.2015, IV C 6 – S 2174/07/10001 :002, Rz. 9. S. auch die Erläuterungen zur steuerlichen Zulässigkeit von Verb...

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