Steuerliche Besonderheiten ergeben sich auch bei der verlustfreien Bewertung. Zur Ableitung des Teilwerts ist das in Tab. 2 dargestellte Schema wie folgt zu modifizieren:

  1. Steuerlich nicht als Abzugsposten anerkannt sind künftige Zinskosten bzw. ein aus der Kapitalbindung resultierender Zinsverlust. Diese Aufwendungen (Mindereinnahmen) gehören nach Ansicht des BFH zu den allgemeinen Betriebs(un)kosten.[1]
  2. Zusätzlich vom geschätzten Veräußerungserlös abzuziehen ist ein durchschnittlicher Unternehmergewinn.[2] Das gilt allerdings nur für solche Güter, die der Kaufmann üblicherweise mit Gewinn verkauft.[3]

Aufgrund des letzten Punkts kann der retrograd ermittelte Teilwert von Vorratsgütern unter dem handelsrechtlichen beizulegenden Wert liegen.

Unklar ist, ob künftige Lagerkosten den retrograd ermittelten steuerlichen Teilwert von Vorratsgütern reduzieren. Die Rechtsprechung ist in diesem Punkt nicht einheitlich. Während der I. Senat des BFH eine Berücksichtigung dieser Aufwendungen jedenfalls insoweit ablehnt, als sie den einzelnen Vorratsgütern nur "im Wege einer statistischen Aufschlüsselung zugerechnet werden" können, hat der IV. Senat[4] künftige Lagerkosten als Teil der vom Veräußerungserlös abzuziehenden Kosten beurteilt.[5]

Verkaufswertverfahren

 
Praxis-Tipp

Umgehung der Rechtsunsicherheit

Die geschilderte Rechtsunsicherheit lässt sich durch die Anwendung des von der Rechtsprechung gebilligten Verkaufswertverfahrens umgehen.

Das Verkaufswertverfahren sieht für den Fall einer Herabsetzung der Verkaufspreise von Vorratsgütern vor, den Teilwert durch Abzug des durchschnittlichen Rohgewinnaufschlags vom geschätzten Veräußerungserlös zu bestimmen. Der Rohgewinnaufschlag umfasst den bis zum Verkauf noch anfallenden betrieblichen Aufwand sowie den durchschnittlichen Unternehmergewinn. Er kann dem Jahresabschluss entnommen werden.[6] Hierzu ist die Differenz zwischen Erlösen und dem betrieblichen Aufwand ins Verhältnis zum Wareneinsatz zu setzen. Bei dieser Verfahrensweise enthält der Abschlagssatz auch die durchschnittlich bis zum Verkauf anfallenden Lagerkosten. Darüber hinaus umfasst er für die Vorratsgüter bereits angefallene und als Betriebsausgaben verrechnete Aufwendungen. Auf ihre Aussonderung kann verzichtet werden, wenn sie nicht ins Gewicht fallen.[7]

Nach dieser vereinfachten Form der retrograden Teilwertermittlung hängen die Zulässigkeit und Höhe einer Abschreibung vom Verhältnis zwischen dem durchschnittlichen Rohgewinnaufschlag laut Jahresabschluss und dem im Einzelfall tatsächlich kalkulierten Aufschlag ab. Übersteigt der durchschnittliche Rohgewinnaufschlag den kalkulierten um X EUR, führt jede Herabsetzung der Verkaufspreise um Z EUR zu einem berücksichtigungsfähigen Verlust i. H. v. X + Z EUR. Im umgekehrten Fall (kalkulierter Rohgewinnaufschlag > durchschnittlicher Rohgewinnaufschlag) kommt eine Teilwertabschreibung nur in Betracht, soweit die Differenz zwischen tatsächlichem und (niedrigerem) durchschnittlichem Rohgewinnaufschlag hinter dem Betrag der Preissenkung zurückbleibt.

Eine allgemeine Formel zur Ermittlung des Teilwerts aus (herabgesetztem) Verkaufspreis und durchschnittlicher Rohgewinnspanne enthält R 6.8 Abs. 2 Satz 5, 6 EStR ("Formelmethode"). Danach gilt:

 
  TW = VPr  
(1 + ReGA + RoGAv • Z)  
mit TW = Gesuchter Teilwert
  VPr = Erzielbarer (herabgesetzter) Verkaufspreis [EUR]
  ReGA = Durchschnittlicher Reingewinnaufschlag [%]
  RoGAv = Verbleibender Rohgewinnaufschlag nach Abzug des Reingewinnaufschlags [%]
  Z = Anteil der im RGA enthaltenen Kosten, die nach dem Bilanzstichtag anfallen [%]

Die Formel dürfte im Regelfall einen zu hohen Teilwert ermitteln, da sie bei einer Herabsetzung des Verkaufserlöses eine parallele Reduktion des mit dem Rohgewinnaufschlag erfassten betrieblichen Aufwands unterstellt.

 
Praxis-Beispiel

Retrograde Teilwertermittlung von Waren

Ein Einzelhandelsunternehmen kalkuliert die Waren A und B wie folgt (vgl. Tab. 5, Beträge in EUR). Aus Vereinfachungsgründen sei angenommen, sämtliche im Rohgewinnaufschlag enthaltenen Kosten fallen nach dem Bilanzstichtag an, d. h. Z = 1:

 
Ware AK RoGAv ReGA

RoGAg =

RoGAv + ReGA
VPk VPr
[1] [2] absolut [3] % von [2] absolut [4] % von [2] + [3] Absolut [3] + [4] % von [2]    
A 100 40 40 14 10 54 54 154 133
B 400 60 15 46 10 106 26,5 506 420
 
Mit AK = Anschaffungskosten [EUR]
  TW = Gesuchter Teilwert [EUR]
  RoGAv = Rohgewinnaufschlag nach Abzug des Reingewinnaufschlags [%]
  ReGA = Durchschnittlicher Reingewinnaufschlag [%]
  RoGAg = Zu berücksichtigender Rohgewinnaufschlag (einschließlich Reingewinnaufschlag) [%]
  VPk = Ursprünglich kalkulierter Verkaufspreis [EUR]
  VPr = Erzielbarer (herabgesetzter) Verkaufspreis [EUR]

Tab. 5: Ausgangsdaten des Beispiels zur retrograden Teilwertermittlung von Waren

Der durchschnittliche Rohgewinnaufschlag einschließlich Reingewinnanteil (RoGAg) beträgt laut Jahresabschluss 40 %. Der übliche Reingewinnaufschlag (ReGA) beläuft sich bei allen Produkten auf 10 % der um die betrieblichen Aufwendungen...

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