2.3.1 Wiederbeschaffungskosten

Die steuerrechtlichen Grundsätze zur Bestimmung des Teilwerts von Vorratsgütern über deren betriebsindividuelle Wiederbeschaffungskosten entsprechen jenen des Handelsbilanzrechts. Die Rechtsprechung erkennt jedoch nur nachhaltig gesunkene Wiederbeschaffungskosten als Grund für Teilwertabschläge an.[1] Auf die Höhe des erzielbaren Einzelveräußerungspreises kommt es nicht an.[2], [3] Selbst eine frühere Veräußerung der betreffenden Vorratsgüter zu einem höheren Preis steht einer Teilwertabschreibung nicht entgegen.[4]

2.3.2 Wiederherstellungskosten

Die Wiederherstellungskosten sind für Zwecke der steuerlichen Gewinnermittlung stets auf Vollkostenbasis zu ermitteln. Sie umfassen sämtliche aktivierungsfähigen Herstellungskostenbestandteile nach § 255 Abs. 2 HGB sowie bereits angefallene Verwaltungsgemein- und Vertriebskosten.[1] Maßgeblich sind die betriebsindividuellen Verhältnisse. Günstigere Produktionsmöglichkeiten in anderen Betrieben oder kostensenkende Rationalisierungsmaßnahmen sind unbeachtlich.[2] Strittig ist, ob Fremdkapitalzinsen in die Ermittlung der Wiederherstellungskosten eingehen.[3], [4]

[1] Vgl. BFH, Urteil v. 4.10.1989, II R 72/86, BStBl 1989 II S. 962; BFH, Urteil v. 17.5.1974, III R 50/73, BStBl 1974 II S. 508. Vgl. Schubert/Roscher, in Beck’scher Bilanz-Kommentar, 12. Aufl. 2020, § 253 HGB, Anm. 546; Kulosa, in Schmidt, EStG, 33. Aufl. 2014, § 6 EStG, Rz. 255.
[3] Für einen Einbezug (zumindest soweit Fremdkapitalzinsen nach § 255 Abs. 3 Satz 2 HGB, R 6.3 EStR als Bestand der historischen Herstellungskosten berücksichtigt sind) Schubert/Roscher, in Beck’scher Bilanz-Kommentar, 12. Aufl. 2020, § 253 HGB, Anm. 546 m. w. N. A. A. Ehmcke, in Blümich, EStG, KStG, GewStG, § 6 EStG, Rz. 648, Stand: November 2020; Kulosa, in Schmidt, EStG, 39. Aufl. 2020, § 6 EStG, Rz. 255.

2.3.3 Verkaufswert

Steuerliche Besonderheiten ergeben sich auch bei der verlustfreien Bewertung. Zur Ableitung des Teilwerts ist das in Tab. 2 dargestellte Schema wie folgt zu modifizieren:

  1. Steuerlich nicht als Abzugsposten anerkannt sind künftige Zinskosten bzw. ein aus der Kapitalbindung resultierender Zinsverlust. Diese Aufwendungen (Mindereinnahmen) gehören nach Ansicht des BFH zu den allgemeinen Betriebs(un)kosten.[1]
  2. Zusätzlich vom geschätzten Veräußerungserlös abzuziehen ist ein durchschnittlicher Unternehmergewinn.[2] Das gilt allerdings nur für solche Güter, die der Kaufmann üblicherweise mit Gewinn verkauft.[3]

Aufgrund des letzten Punkts kann der retrograd ermittelte Teilwert von Vorratsgütern unter dem handelsrechtlichen beizulegenden Wert liegen.

Unklar ist, ob künftige Lagerkosten den retrograd ermittelten steuerlichen Teilwert von Vorratsgütern reduzieren. Die Rechtsprechung ist in diesem Punkt nicht einheitlich. Während der I. Senat des BFH eine Berücksichtigung dieser Aufwendungen jedenfalls insoweit ablehnt, als sie den einzelnen Vorratsgütern nur "im Wege einer statistischen Aufschlüsselung zugerechnet werden" können, hat der IV. Senat[4] künftige Lagerkosten als Teil der vom Veräußerungserlös abzuziehenden Kosten beurteilt.[5]

Verkaufswertverfahren

 
Praxis-Tipp

Umgehung der Rechtsunsicherheit

Die geschilderte Rechtsunsicherheit lässt sich durch die Anwendung des von der Rechtsprechung gebilligten Verkaufswertverfahrens umgehen.

Das Verkaufswertverfahren sieht für den Fall einer Herabsetzung der Verkaufspreise von Vorratsgütern vor, den Teilwert durch Abzug des durchschnittlichen Rohgewinnaufschlags vom geschätzten Veräußerungserlös zu bestimmen. Der Rohgewinnaufschlag umfasst den bis zum Verkauf noch anfallenden betrieblichen Aufwand sowie den durchschnittlichen Unternehmergewinn. Er kann dem Jahresabschluss entnommen werden.[6] Hierzu ist die Differenz zwischen Erlösen und dem betrieblichen Aufwand ins Verhältnis zum Wareneinsatz zu setzen. Bei dieser Verfahrensweise enthält der Abschlagssatz auch die durchschnittlich bis zum Verkauf anfallenden Lagerkosten. Darüber hinaus umfasst er für die Vorratsgüter bereits angefallene und als Betriebsausgaben verrechnete Aufwendungen. Auf ihre Aussonderung kann verzichtet werden, wenn sie nicht ins Gewicht fallen.[7]

Nach dieser vereinfachten Form der retrograden Teilwertermittlung hängen die Zulässigkeit und Höhe einer Abschreibung vom Verhältnis zwischen dem durchschnittlichen Rohgewinnaufschlag laut Jahresabschluss und dem im Einzelfall tatsächlich kalkulierten Aufschlag ab. Übersteigt der durchschnittliche Rohgewinnaufschlag den kalkulierten um X EUR, führt jede Herabsetzung der Verkaufspreise um Z EUR zu einem berücksich...

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