Einzige Voraussetzung ist, dass "der Steuerfall nicht abschließend geprüft ist". Eine Begründung des Vorbehalts der Nachprüfung ist nicht erforderlich.[1] Mit "geprüft" ist jede Art der Prüfung gemeint, also nicht nur eine Außenprüfung im formellen Sinn der §§ 193ff. AO, sondern auch die Prüfung an Amtsstelle. Solange das Finanzamt eine (weitere) Prüfung für erforderlich hält, ist "nicht abschließend" geprüft. Ob eine spätere Prüfung beabsichtigt ist oder tatsächlich durchgeführt wird, spielt dabei keine Rolle.

In welchen Fällen das Finanzamt einen Bescheid unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erlässt, steht in seinem pflichtgemäßen Ermessen nach § 5 AO. Da der Vorbehaltsvermerk in erster Linie den Belangen der Finanzverwaltung dient, hat der Steuerpflichtige grundsätzlich weder einen Anspruch auf ein Absehen von diesem noch einen Anspruch auf dessen Beifügung. Der Anspruch auf Beifügung könnte ausnahmsweise bei einer Schätzungsveranlagung wegen Nichtverfügbarkeit von Unterlagen in Betracht kommen.[2] Die Finanzämter sind angewiesen, bei Steuerpflichtigen, die der regelmäßigen Betriebsprüfung unterliegen oder bei denen eine Außenprüfung bevorsteht, die Steuern stets unter dem Vorbehalt der Nachprüfung festzusetzen. In allen anderen Fällen sollen die Finanzämter die Einkommensteuer nur dann unter dem Vorbehalt der Nachprüfung festsetzen, wenn die Bearbeitung der Steuererklärung nicht zeitnah abgeschlossen werden kann und die Vorbehaltsfestsetzung erhebliche steuerliche Auswirkungen hat, z. B. hohe Abschlusszahlungen oder Erhöhung laufender Vorauszahlungen. Ein Vorbehalt der Nachprüfung kommt danach insbesondere in Betracht, wenn noch Sachverhalte aufzuklären sind, dies aber voraussichtlich noch einige Zeit in Anspruch nehmen wird.

Schätzt das Finanzamt die Besteuerungsgrundlagen, weil der Steuerpflichtige keine Steuererklärung abgegeben hat, setzt es die entsprechende Steuer i. d. R. unter dem Vorbehalt der Nachprüfung fest.[3] Geschieht dies nicht, und legt der Steuerpflichtige keinen Einspruch ein, kann bei einer späteren Abgabe einer Steuererklärung, die zu einer niedrigeren Steuerfestsetzung führen würde, der bestandskräftig gewordene Steuerbescheid nicht mehr aufgrund neuer Tatsachen geändert[4] werden, da die verspätete Abgabe i. d. R. auf grobem Verschulden beruht.[5] Die Anweisung im AEAO zu § 162, Nr. 4 zur Vorbehaltsfestsetzung bei Schätzungsfällen liegt ausschließlich im Interesse der Verwaltung. Der Steuerpflichtige kann hieraus nach h. M. keinen Anspruch auf Beifügung des Vorbehalts herleiten, ebensowenig auf eine Begründung, falls das Finanzamt im Einzelfall von dieser Anweisung abweicht.[6] Nach Auffassung des FG Köln[7] erfordert die Abweichung von besagter Anweisung zumindest eine nachvollziehbare Ausübung des Ermessens und eine entsprechende Begründung.

 
Wichtig

Nichtigkeit des vorbehaltlosen Schätzungsbescheids prüfen

Helfen kann in einer solchen Situation nur noch, die Nichtigkeit des Schätzungsbescheids geltend zu machen, was an keine Frist gebunden ist. Nichtigkeit liegt allerdings nur dann vor, wenn sich das FA nicht an den wahrscheinlichen Besteuerungsgrundlagen orientiert, sondern bewusst – in Form einer Strafschätzung – zum Nachteil des Steuerpflichtigen schätzt.[8]

Der Vorbehalt der Nachprüfung umfasst stets den gesamten Bescheid und ist nicht nur bei ungewissen Tatsachenfragen, sondern auch bei Unsicherheiten in der Beurteilung von Steuerrechtsfragen möglich. Er ist eine unselbstständige Nebenbestimmung des Steuerbescheids i. S. d. § 120 AO und muss daher den formalen Erfordernissen des Steuerbescheids selbst genügen. Er ist nur wirksam, wenn er zusammen mit dem Steuerbescheid ergeht und dem Steuerpflichtigen bekannt gegeben wird. Die Kennzeichnung des Vorbehalts muss dabei für ihn eindeutig erkennbar sein. Eine Bezugnahme in einem Steuerbescheid auf sonstige Unterlagen, z. B. einen Außenprüfungsbericht, bewirkt keinen Vorbehalt, solange sich hieraus für den Steuerpflichtigen nicht eindeutig eine entsprechende Ermessensentscheidung des zuständigen Veranlagungsbeamten ergibt.[9] Unter bestimmten Umständen kann ein in dem bekannt gegebenen Bescheid unterbliebener Vorbehaltsvermerk im Wege einer Berichtigung[10] nachgeholt werden, z. B. wenn die unterbliebene Kennzeichnung auf einem Übertragungsfehler beruht.[11]

Das Finanzamt kann den Vorbehalt der Nachprüfung auch noch erstmals in einer Einspruchsentscheidung aussprechen.

 
Praxis-Beispiel

Vorbehalt nach Einspruch

Ein Steuerpflichtiger hat gegen einen endgültigen Einkommensteuerbescheid wegen der Nichtberücksichtigung von Werbungskosten Einspruch eingelegt. Das Finanzamt ist nunmehr gem. § 367 Abs. 2 Satz 1 AO gehalten, die Sache in vollem Umfang erneut zu überprüfen. Wenn es dabei zum Ergebnis gelangt, der Steuerfall ist nicht abschließend geprüft und bedarf auch nach Ergehen der Einspruchsentscheidung einer abschließenden Überprüfung, kann es die Einspruchsentscheidung unter den Vorbehalt der Nachprüfung stellen.[12] In der Regel handelt es ...

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