Rz. 1432

Im GmbHG finden sich keine Regelungen zur Nichtigkeit von Jahresabschlüssen, sodass nach allgemeiner Auffassung die aktienrechtlichen Vorschriften entsprechend angewandt werden.[1] Die Nichtigkeit kann von jedermann klageweise oder als Einrede geltend gemacht werden (§ 249 AktG analog).

 

Rz. 1433

Ein Jahresabschluss ist nichtig, wenn:

  • er gegen Gläubigerschutzvorschriften verstößt (§ 256 Abs. 1 Nr. 1 AktG analog): regelmäßig sind dies Verstöße gegen gesetzliche Vorschriften oder die Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung;[2]
  • wenn eine Abschlussprüfung trotz Prüfpflicht fehlt oder unzureichend ist (§ 256 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 AktG analog);
  • Verstöße gegen die gesetzlichen oder satzungsmäßigen Beschränkungen zur Einstellung/Entnahme von Beträgen in die Kapital- und Gewinnrücklage vorliegen (§ 256 Abs. 1 Nr. 4 AktG analog);
  • bestimmte Mängel bei der Einberufung vorliegen (§ 256 Abs. 3 Nr. 1 AktG analog);[3]
  • eine Anfechtungsklage Erfolg hatte (§ 256 Abs. 3 Nr. 3 AktG analog);
  • Klarheit und Übersichtlichkeit des Jahresabschlusses wesentlich beeinträchtigt sind (§ 256 Abs. 4 AktG analog);
  • Bilanzposten wesentlich[4] überbewertet sind, sodass das Eigenkapital zu hoch ausgewiesen ist (§ 256 Abs. 5 Nr. 1 AktG analog);
  • Bilanzposten wesentlich unterbewertet sind und dadurch die Vermögens- und Ertragslage der Gesellschaft vorsätzlich unrichtig wiedergegeben oder verschleiert wird, z. B. um Gesellschafter "auszuhungern" (§ 256 Abs. 5 Nr. 2 AktG analog).
 

Rz. 1434

Ein nichtiger Jahresabschluss führt nicht per se zur Nichtigkeit der Folgeabschlüsse, sondern nur dann, wenn der zur Nichtigkeit führende Fehler wiederholt wird.[5] Bis zur Korrektur des Vorjahresabschlusses wird der an sich richtige Folgeabschluss wegen Verstoßes gegen den Grundsatz der Bilanzidentität (§ 252 Abs. 1 Nr. 1 HGB) jedoch z. T. als schwebend unwirksam angesehen.[6]

 

Rz. 1435

Die Nichtigkeit eines Jahresabschlusses hat zur Folge, dass:[7]

  • die Rechnungslegungspflichten nicht erfüllt sind, kein Prüfbericht ergehen darf und gegebenenfalls Sanktionen der zuständigen Behörden drohen;
  • der Ergebnisverwendungsbeschluss nichtig ist (§ 253 AktG analog);
  • eine Haftung von Geschäftsführung und eines etwa bestehenden Aufsichtsrats für Schäden der GmbH möglich ist;
  • eine Strafbarkeit von Geschäftsführern und der Mitglieder eines etwa bestehenden Aufsichtsrats bei vorsätzlich falschen Angaben im Jahresabschluss gem. § 331 Nr. 1, 1a HGB, § 82 Abs. 2 Nr. 2 GmbHG möglich ist.
 

Rz. 1436

Die Nichtigkeit kann durch Zeitablauf (je nach Nichtigkeitsgrund sechs Monate bzw. drei Jahre ab Offenlegung) geheilt werden, womit der Jahresabschluss "gültig" wird (§ 256 Abs. 6 AktG analog).[8]

[1] BGH, Urteil v. 11.2.2008, II ZR 187/06, GmbHR 2008 S. 426; Liebscher, in MüKo-GmbHG, § 46 Rn. 35; Haas, in Baumbach/Hueck, GmbHG, § 46 Rn. 24; Geist, in DStR 1996, S. 306, 306; Tiedchen, in Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 42a Rn. 69; Bayer, in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, Anh. § 47 Rn. 1.
[2] BGH, Urteil v. 15.11.1993, II ZR 235/92, BB 1994 S. 107; Tiedchen, in Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 42a Rn. 70; Haas, in Baumbach/Hueck, GmbHG, § 42a Rn. 25.
[3] Eine analoge Anwendung des § 256 Abs. 2 wird überwiegend abgelehnt, dazu Fleischer, in MüKo-GmbHG, § 42a Rn. 29 und Haas, in Baumbach/Hueck, GmbHG, § 42a Rn. 24.
[4] BGH, Urteil v. 1.3.1982, II ZR 23/81, NJW 1983 S. 42; OLG München, Beschluss v. 7.1.2008, 7 U 3773/07, DB 2008 S. 440; Haas, in Baumbach/Hueck, GmbHG, § 42a Rn. 31; Wimmer, in DStR 1997, S. 1931, 1931.
[5] BGH, Urteil v. 30.9.1996, II ZR 51/95, NJW 1997 S. 196; Schmidt, in Scholz § 46 Rn. 37; Liebscher, in MüKo-GmbHG, § 46 Rn. 38.
[6] Koch, in MüKo-AktG, § 256 Rn. 86 m. w. N. [zur AG].
[7] Zu den Folgen z. B. Schmidt, in Scholz § 46 Rn. 42; Fastrich, in Baumbach/Hueck § 29 Rn. 43; Koch, in MüKo-AktG § 256 Rn. 78 [zur AG]; Rölike, in Spindler/Stilz AktG § 256 Rn. 86 ff. [zur AG]; Heidel, in Heidel AktG § 256 Rn. 43 ff. [zur AG]; OLG Dresden, Beschluss v. 16.2.2006, 2 U 290/05, DB 2006 S. 1606.
[8] Tiedchen, in Rowedder/Schmidt-Leithoff § 42a Rn. 78; Haas, in Baumbach/Hueck § 42a Rn. 32; Schmidt, in Scholz, § 46 Rn. 37.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge