Rz. 679

Aufgrund der Regelungen in § 1 Abs. 2a GrEStG[1] tritt bei Änderungen im Gesellschafterbestand einer Grundbesitz haltenden Personengesellschaft Grunderwerbsteuerpflicht ein, wenn innerhalb eines Zeitraums von 5 Jahren der Gesellschafterbestand derart ausgewechselt wird, dass bei wirtschaftlicher Betrachtung dieser Gesellschafterwechsel als ein auf die Übereignung eines Grundstücks gerichtetes Rechtsgeschäft anzusehen ist. Das ist nach der Gesetzesfiktion stets der Fall, wenn 95 % der Anteile am Gesellschaftsvermögen auf neue Gesellschafter übergehen. Gehen weniger als 95 % der Anteile auf neue Gesellschafter über, ist zu prüfen, ob sich der Gesellschafterbestand so wesentlich geändert hat, dass dies wirtschaftlich der Entstehung einer neuen Gesellschaft gleichzusetzen ist. Aus der Gesetzesbegründung[2] ergibt sich, dass "anhand von Vereinbarungen und der tatsächlichen Ausführung im Einzelfall" zu entscheiden ist, ob eine wesentliche Änderung des Gesellschafterbestandes vorliegt. Die Gesetzesbegründung gibt hierzu ein Beispiel: An einer GmbH und Co. KG ist die Komplementär-GmbH mit mehr als 5 % beteiligt: Werden die Gesellschaftsanteile an der Komplementär-GmbH veräußert, so löst dieser Gesellschafterwechsel bei der GmbH aufgrund wirtschaftlicher Betrachtungsweisen Grunderwerbsteuer bezüglich des in der GmbH & Co. KG befindlichen Grundbesitzes aus.[3]

§ 1 Abs. 2a GrEStG fingiert einen rechtsgeschäftlichen Grundstücksübergang. Dabei sind nach Auffassung der Finanzverwaltung[4] die Steuerbefreiungen des § 3 i. V. m. § 6 Abs. 3 und 4 GrEStG zu beachten.

 
Praxis-Beispiel

Anwendbarkeit von Steuerbefreiungen

A, B und C sind Gesellschafter einer OHG. A überträgt seinen Anteil von 90 % auf seinen Sohn D. B überträgt seinen Anteil von 8 % auf den ihm fremden E. Auf die Übertragung des Anteils von A auf D, die zusammen mit der Anteilsübertragung von B auf E einen Grundstücksübergang nach § 1 Abs. 2a GrEStG auslöst, ist § 3 Nr. 6 GrEStG anzuwenden. Zu besteuern sind nur 8 % der Bemessungsgrundlage für die Übertragung des B auf E, da für die 2 % des C § 6 Abs. 3 GrEStG anzuwenden ist.

 

Rz. 680

Gehört zum Vermögen einer Gesellschaft ein inländisches Grundstück, so unterliegt gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG der Steuer auch ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übertragung eines Anteils an der Gesellschaft begründet, wenn dadurch alle (ab 1.1.2000) unmittelbar oder mittelbar mindestens 95 % der Anteile der Gesellschaft in der Hand des Erwerbers vereinigt werden.[5] § 1 Abs. 3 GrEStG stellt einen Ergänzungstatbestand zu den Erwerbsvorgängen nach § 1 Abs. 1 und Abs. 2a GrEStG dar, indem sie den Inhaber der Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft so behandelt, als gehörten ihm zufolge der Vereinigung dieser Anteile in seiner Hand die im Eigentum der Gesellschaft befindlichen Grundstücke. Gegenstand der Besteuerung ist somit nicht der Anteilserwerb als solcher, sondern die durch ihn begründete grunderwerbsteuerrechtlich eigenständige Zuordnung der der Gesellschaft gehörenden Grundstücke. Erfasst werden soll die Sachherrschaft bezüglich der Grundstücke, die durch die Innehabung der Gesellschaftsanteile vermittelt wird. Eine Anteilsvereinigung i. S. d. § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG liegt demgemäß auch dann vor, wenn der Anteilserwerber die Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft mittelbar über eine andere Gesellschaft hält, an der er zu 100 % beteiligt ist.

 

Rz. 681

Zu beachten ist bei der Unterschiedlichkeit der anzuwendenden Gesetzesvorschriften, dass § 1 Abs. 3 GrEStG subsidiär neben § 1 Abs. 2a GrEStG weiterhin anwendbar bleibt. Wenn demnach bei Umstrukturierungsmaßnahmen innerhalb eines Konzernverbundes eine Steuerbarkeit nach § 1 Abs. 2a GrEStG zu vermeiden ist (z. B. mangels Anteilsübertragung auf "neue" Gesellschafter), bleibt stets noch zu prüfen, ob nicht etwa der Tatbestand der (mittelbaren) Anteilsvereinigung bzw. Anteilübertragung i. S. d. § 1 Abs. 3 GrEStG erfüllt wird.

 

Rz. 682

Zentrale Frage ist die ertragsteuerliche Abzugsfähigkeit der Grunderwerbsteuer;[6] die OFD Rheinland vertritt hierzu folgende Auffassung: Mit Urteil v. 20.4.2011 (I R 2/10, BStBl II 2011 S. 761) hat der BFH entgegen der Verwaltungsauffassung zur Frage der ertragsteuerlichen Behandlung der GrESt aufgrund einer Anteilsvereinigung i. S. d. § 1 Abs. 3 GrEStG entschieden, dass die infolge einer Sacheinlage von Gesellschaftsanteilen aufgrund einer Anteilsvereinigung ausgelöste GrESt von der aufnehmenden Gesellschaft nicht als Anschaffungsnebenkosten zu aktivieren sind.

Bei einem Wechsel im Gesellschafterbestand einer PersGes. (§ 1 Abs. 2a GrEStG) gilt nach Abstimmung der obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder – unabhängig von der Veröffentlichung o. g. BFH-Urteils zur ertragsteuerlichen Behandlung von GrESt nach § 1 Abs. 3 GrEStG – weiterhin Folgendes: GrESt, die aufgrund eines Wechsels im Gesellschafterbestand einer PersGes. nach § 1Abs. 2a GrEStG zu zahlen sind, stellen keine sofort abzugsfähigen Betriebsausgaben oder Werbungskos...

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