Rz. 1134

Grundsätzlich dürfen in der Aktiengesellschaft allein der Bilanzgewinn und unter bestimmten Voraussetzungen auch Gewinnrücklagen ausgeschüttet werden. Bei der GmbH hingegen ist von den Kapitalerhaltungsvorschriften der §§ 30, 31 GmbH nur das zur Erhaltung des statuarischen Stammkapitals (unabhängig von weiteren Eigenkapitalpositionen, Agien und Gewinnrücklagen) erforderliche Vermögen geschützt.[1] Daher sind Ausschüttungen in erheblich höherem Umfang zulässig als in der AG. Relevant werden die Vorschriften daher in erster Linie in der Krise der Gesellschaft.

 

Gesellschaftervermögen wird beeinträchtigt

Grundsätzlich verboten sind Auszahlungen an den Gesellschafter (oder ggf. Dritte, wenn die Leistungen einem Gesellschafter zuzurechnen sind oder ihm zugutekommen)[2], die das geschützte Gesellschaftsvermögen beeinträchtigen (§ 30 Abs. 1 Satz 1 GmbHG), indem sie eine Unterbilanz herbeiführen oder vertiefen.[3] Ausnahmen zu diesem Grundsatz sind in § 30 Abs. 1 Satz 2 und 3 GmbHG normiert (vollwertiger Rückgewähranspruch oder Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag, BGAV).

 

Rz. 1135

Eine Auszahlung liegt bei jeder – mittelbaren oder unmittelbaren – Verringerung des Gesellschaftsvermögens vor. Erfasst sind nicht nur Barzahlungen an den Gesellschafter, sondern auch der Abgang sonstiger Vermögensgegenstände, Dienstleistungen und Nutzungsüberlassungen.[4] Vom Tatbestand der Auszahlung zu trennen ist die Frage, ob die Auszahlung auch zulässig ist (zweistufige Prüfung), dazu sogleich.

 

Rz. 1136

Die Auszahlung ist ausnahmsweise zulässig, wenn

  • die Leistung durch einen vollwertigen Gegenleistungs- oder Rückgewähranspruch gedeckt ist (§ 30 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 GmbHG) und sich daher als bloßer Aktivtausch darstellt[5] oder
  • ein Austauschgeschäft zu angemessenen Konditionen vorliegt oder
  • ein Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag besteht.
 

Rz. 1137

Die Ausnahme nach § 30 Abs. 1 Satz 2 Hs. 2 GmbHG ist einschlägig, wenn ein vollwertiger Gegenleistungs- oder Rückgewähranspruch besteht. Dieser kann sich gegen den Gesellschafter oder einen Dritten richten.[6] Diese Vorschrift normiert vor dem Hintergrund einer bilanziellen Betrachtungsweise zum einen das Vollwertigkeitsgebot, zum andern das Deckungsgebot. Dem Vollwertigkeitsgebot wird dann entsprochen, wenn der Gegenleistungs- oder Rückgewähranspruch bilanziell in voller Höhe aktivierbar ist. Dies hängt im Wesentlichen davon ab, ob der Gegenanspruch in Hinblick auf die Bonität des Schuldners realisierbar ist.[7] Das Deckungsgebot schränkt diese rein bilanzielle Betrachtungsweise ein.[8]

Danach muss bei einem Austauschvertrag der Zahlungsanspruch gegen den Gesellschafter nicht nur vollwertig sein, sondern auch nach Marktwerten und nicht nach Abschreibungswerten den geleisteten Gegenstand decken (BT-Dr. 16/6140 S. 41).

 

Rz. 1138

Bei Austauschgeschäften ist danach die Leistung der Gesellschaft zum Verkehrswert (und nicht nur zum Buchwert) anzusetzen und diesem Wert muss eine äquivalente Gegenleistung gegenüberstehen ("at arms' length"), da dann das Vermögen nicht verringert wurde. Damit soll im Stadium einer Unterbilanz die Auskehrung nicht bilanziell erfasster stiller Reserven und der Vermögensabfluss durch Dienstleistungen, Nutzungsüberlassungen und nicht aktivierungsfähigen immateriellen Vermögenswerten verhindert werden.[9] Im Krisenfall sollten Geschäftsführer die Angemessenheit sorgfältig prüfen (lassen) und dies entsprechend dokumentieren.

 

Rz. 1139

Weiterhin ist die Auszahlung ausnahmsweise zulässig, wenn sie – da dort die dem Gläubigerschutz dienende Vermögensbindung durch die analoge Anwendung der §§ 302, 303, 309 AktG gewährleistet wird – im Rahmen eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrags (§ 291 AktG) erfolgt (§ 30 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 GmbHG) oder wenn es sich um die Rückzahlung eines Gesellschafterdarlehens oder vergleichbare wirtschaftliche Leistungen handelt (§ 30 Abs. 1 Satz 3 GmbHG). Allerdings ist auch im Falle eines bestehenden Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrags umstritten, ob der Verlustausgleichsanspruch werthaltig sein muss. Da dem Konzept nach § 30 GmbHG eine bilanzielle Betrachtungsweise zu Grunde liegt, dürfte die Werthaltigkeit erforderlich sein. Eine entsprechende Prüfung und Dokumentation ist im Krisenfall dringend zu empfehlen.

 

Rz. 1140

Selbst die Zusage fester Zinsen auf die Einlage kann gegen § 30 Abs. 1 GmbHG verstoßen, wenn hiervon nicht das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Vermögen ausgeschlossen wurde.[10]

 

Rz. 1141

Auch verdeckte Ausschüttungen können dem Auszahlungsverbot nach § 30 Abs. 1 GmbHG unterfallen. Verdeckte Ausschüttungen liegen beispielsweise vor, wenn die Gesellschaft einem Gesellschafter Leistungen gewährt, die sie so einem Dritten nicht gewährt hätte, eine äquivalente Gegenleistung des Gesellschafters mithin fehlt, und der Gesellschafter dadurch begünstigt wird.[11] In ihnen kann zugleich ein Verstoß gegen die gesellschafterliche Treuepflicht oder das Gleichbehandlungsgebot liegen.[12]

 

Rz. 11...

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