Dauerschuldverhältnisse sind – im Gegensatz etwa zu einem einfachen Kaufvertrag – dadurch gekennzeichnet, dass während ihrer Laufzeit ein dauerndes Verhalten oder wiederkehrende Leistungen geschuldet werden. Leistungs-, Neben- und Schutzpflichten entstehen ständig aufs Neue. Typische Dauerschuldverhältnisse sind etwa

  • Miete
  • Pacht
  • Leihe
  • Darlehen
  • Arbeits- und sonstige Dienstverträge
  • Gesellschaftsverträge und
  • Versicherungsverträge.

Der Ausstieg aus einem solchen Dauerschuldverhältnis setzt, wo nicht wirksam eine bestimmte Laufzeit vereinbart wurde und abgelaufen ist, die Kündigung durch eine Partei voraus.

6.1 Kündigungsfristen, Kündigungsschutz

Grundsätzlich sind die Parteien eines Vertrages, der ein Dauerschuldverhältnis begründet, frei, auch dessen Kündigung vertraglich zu regeln. Wann der Vertrag von

  • welcher Partei,
  • mit welchem zeitlichen Vorlauf und
  • in welcher Form

    gekündigt werden kann, unterliegt generell der Dispositionsfreiheit der Vertragspartner.

So kann etwa ein Bezugsvertrag mit einem Zulieferer die Klausel enthalten:

"Dieser Vertrag kann von beiden Seiten mit einer Frist von sechs Monaten zum Ende eines Kalenderjahres, erstmals zum Jahresende 2025, mittels eingeschriebenem Brief gekündigt werden. Zur Wahrung der Frist genügt der Poststempel."

 
Hinweis

Einschränkung der Dispositionsfreiheit durch Gesetz

Für einzelne Vertragstypen bestehen dagegen umfangreiche gesetzliche Vorgaben, die zum Schutze einer Partei die Vertragsautonomie beschränken. Dies gilt insbesondere für den (Wohnraum-)Mietvertrag und den Arbeitsvertrag.

6.2 Kündigung aus wichtigem Grund

Das Bedürfnis, Dauerschuldverhältnisse vorzeitig "aus wichtigem Grund" aufzulösen, findet seine gesetzliche Stütze in § 314 BGB. Danach kann jeder Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist ein Dauerschuldverhältnis kündigen.

Daneben gelten für einzelne Verträge speziellere Normen (leges speciales), die der Regelung in § 314 BGB vorgehen, wie für Wohnraummietverhältnisse in § 569 BGB, für Dienstverträge in § 626 BGB oder im Recht der BGB-Gesellschaft in § 723 BGB. Ebenso hat die Anpassung eines Vertrages nach § 313 BGB[1] wegen einer Störung der Geschäftsgrundlage Vorrang vor der Kündigung aus wichtigem Grund.

Ein wichtiger Grund für die sofortige Kündigung liegt vor,

"wenn dem kündigenden Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur vereinbarten Beendigung oder bis zum Ablauf einer Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann (§ 314 Abs. 1 BGB)."

Ein Verschulden des anderen Teils ist weder erforderlich noch ausreichend. Die Berechtigung, Schadensersatz zu verlangen, bleibt im Übrigen von einer Kündigung aus wichtigem Grund unberührt.

Der Grundsatz des Vorrangs der Erfüllung wird auch hier gewahrt: Liegt der wichtige Grund in einer vertraglichen Pflichtverletzung, ist zunächst eine Fristsetzung[2] oder Abmahnung erforderlich.[3] Fristsetzung oder Abmahnung sind aber ihrerseits in bestimmten Konstellationen entbehrlich.[4] Dies führt im Ergebnis in den Fällen wieder zur sofortigen Kündigung zurück, in denen "besondere Umstände vorliegen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen" die sofortige Kündigung rechtfertigen. Liegt es so, begründet auch eine nachhaltige Verletzung vertraglicher Pflichten aus einem Dauerschuldverhältnis das Recht zur sofortigen Kündigung ohne vorherige Fristsetzung oder Abmahnung.[5]

Schließlich darf der Kündigungsberechtigte im Interesse des anderen Teils nur eine "angemessene Frist" zwischen Kenntniserlangung vom Kündigungsgrund und Kündigungserklärung verstreichen lassen.[6] Diese Frist schützt nicht nur die andere Vertragspartei, sie überzeugt auch in der Sache: denn die Vertragspartei, die sich auf die Unzumutbarkeit der Fortsetzung eines Dauerschuldverhältnisses beruft, widerspräche sich selbst, wenn sie dieses Schuldverhältnis nach Eintritt der die Unzumutbarkeit begründenden Umstände noch über längere Zeit hinweg fortsetzte.

 

Beispiel 6

Der Unternehmer, der ein Gebäudereinigungsunternehmen betreibt, hat einen seiner Kunden außerhalb dieser Geschäftsbeziehung im Streit in strafrechtlich erheblicher Weise beleidigt und verletzt. Der Kunde kündigt den Reinigungsvertrag, der regulär nur zum Ende eines Kalenderjahres gekündigt werden dürfte, nach ärztlicher Versorgung und fünf Tage nach dem Vorfall ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist.

Die sofortige Kündigung ist gerechtfertigt.[7] Dem Kunden ist auch unter Berücksichtigung der Interessen des Unternehmers nicht zuzumuten, diesem bei der Ausführung der Reinigungsarbeiten in den eigenen Räumen zu begegnen. Einer Abmahnung bedurfte es nicht, weil der wichtige Grund außerhalb der vertraglichen Pflichten liegt. Die zwischen dem Vorfall und der Kündigung verstrichene Zeit ist noch angemessen.[8]

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