Zunächst muss der Unternehmer grundsätzlich prüfen, ob er mit seinen Umsätzen überhaupt in den Anwendungsbereich des § 3c UStG fallen kann. Dies ist grundsätzlich nur bei von ihm selbst veranlassten Beförderungs- oder Versendungslieferungen möglich. Solche können aber auch zu bejahen sein, wenn die Abnehmer eine formularmäßige Vollmacht zur Beauftragung eines Kurierdienstes zum Transport der bestellten Waren in ihrem Namen und für ihre Rechnung erteilt haben.[1] Außerdem müssen i. d. R. Lieferungen an "Privatpersonen" in einen anderen EU-Mitgliedstaat vorliegen. Unter besonderen weiteren Voraussetzungen können auch Lieferungen an sog. "Halbunternehmer", also Unternehmer mit ausschließlich steuerfreien Umsätzen, die nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt sind, Kleinunternehmer, pauschalierende Land- und Forstwirte oder "nicht unternehmerische" juristische Personen von § 3c UStG erfasst werden.

 
Wichtig

Keine Anwendung der Versandhandelsregelung

Die Versandhandelsregelung des § 3c UStG gilt generell nicht für die Lieferung neuer Fahrzeuge. Außerdem gilt bei der Lieferung von verbrauchsteuerpflichtigen Waren (Mineralöle, Alkohol, alkoholische Getränke sowie Tabakwaren) die Besonderheit, dass § 3c UStG dann nicht zur Anwendung kommt, wenn der Abnehmer ein Unternehmer oder eine juristische Person ist und deshalb einen i. g. Erwerb zu versteuern hat.[2]

Grundsätzlich kann die Vorschrift des § 3c UStG und die damit verbundene Verlagerung des Lieferorts in das Bestimmungsland der Ware nur ordnungsgemäß umgesetzt werden, wenn die jeweiligen Lieferschwellen bekannt sind.[3] Aktuelle Informationen hierzu können auf den Internetseiten des Bundeszentralamts für Steuern (www.bzst.de) abgerufen werden. Wurde die maßgebende Lieferschwelle im vorangegangenen Kalenderjahr nicht überschritten, ist das Überschreiten der Grenze aber im laufenden Kalenderjahr "zu erwarten", können sich die eingangs beschriebenen praktischen Probleme ergeben. D. h.: Mit Überschreiten der Lieferschwelle[4] im Laufe des Jahres wird der liefernde Unternehmer verpflichtet, sich im anderen Mitgliedstaat für Umsatzsteuerzwecke registrieren zu lassen. Er muss eine ausländische Steuernummer beantragen, unter dieser Steuererklärungen abgeben und die entsprechenden Beträge entrichten. Vorsteuerbeträge des Bestimmungslandes sind ebenfalls im "ausländischen Regelbesteuerungsverfahren" geltend zu machen, eine Erklärung im Vergütungsverfahren entfällt insoweit. Für inländische Vorsteuerbeträge ergeben sich durch § 3c UStG-Lieferungen grundsätzlich keine Änderungen, hier gelten weiterhin die Vorgaben des § 15 UStG.

 
Wichtig

Steuerverkürzung im Ausland

Werden die steuerlichen Pflichten im Bestimmungsland "übersehen", kommt es regelmäßig zu einer Steuerverkürzung i. S. d. § 370 Abs. 4 Satz 1 bzw. Abs. 6 Satz 2 AO, denn die Finanzbehörden im Bestimmungsland werden aufgrund der Unkenntnis keine Umsatzsteuer festsetzen (können).[5] Dabei spielt es dann auch keine Rolle, ob der inländische Lieferer anstatt der im Bestimmungsland zu entrichtenden Steuer in Deutschland (versehentlich) Umsatzsteuern angemeldet und entrichtet hat. Diese würde er dann ggf. ohnehin nach § 14c UStG schulden.

Die Einleitung eines Strafverfahrens durch einen ausländischen Fiskus ist auch nicht völlig unwahrscheinlich. So ist z. B. im österreichischen Umsatzsteuergesetz geregelt, dass Unternehmer, die Postdienste erbringen, auf Verlangen Auskunft über im grenzüberschreitenden Warenverkehr erfolgte Lieferungen von nicht im Inland ansässigen Unternehmern an Abnehmer im Inland zu erteilen haben.[6] Für Steuerberater kann sich aus einem solchen Szenario ein erhöhtes Haftungsrisiko ergeben.[7]

Da es in der Praxis schwierig ist, den Zeitpunkt des Überschreitens der Lieferschwelle exakt zu bestimmen, insbesondere, wenn zwischen Vertragsabschluss und Lieferung ein längerer Zeitraum liegt, dürfte es sich vielfach anbieten, frühzeitig zur Besteuerung im Bestimmungsland zu optieren. Eine solche Möglichkeit wird in § 3c Abs. 4 UStG ausdrücklich eingeräumt. Das bedeutet: Der Unternehmer kann auch ohne Überschreiten der Lieferschwelle seine Lieferung (nur) im Bestimmungsland versteuern. Der Verzicht ist gegenüber der zuständigen Behörde zu erklären und bindet den Lieferer mindestens für 2 Kalenderjahre.

Über Form und Frist der Verzichtserklärung enthält das Gesetz keine Bestimmung. Zur Vermeidung von Nachweisproblemen ist eine schriftliche Erklärung zweckmäßig.

 
Praxis-Tipp

Vor- und Nachteile abwägen

Ein frühzeitiger Verzicht auf die Anwendung der Lieferschwelle, also eine Option zur Anwendung der Versandhandelsregelung kann nicht nur dann sinnvoll sein, wenn die Lieferschwelle voraussichtlich im Lauf des Jahres ohnehin überschritten wird, sondern auch und gerade dann, wenn die Waren im Bestimmungsland niedriger besteuert werden als in Deutschland. Dabei sollte jedoch stets geprüft werden, ob die dadurch erlangten Vorteile die Mehraufwendungen für die Erfüllung der steuerlichen Pflichten im Ausland (Einschaltung eines Steue...

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