Rz. 66

Einführung von Aufzeichnungspflichten in Deutschland. Der BFH hat in seinem Grundsatzurteil vom 17.10.2001[1] sowie dem dazu ergangenen Beschluss vom 10.5.2001[2] ausführlich zu Dokumentations- und Mitwirkungspflichten bei der Prüfung internationaler Verrechnungspreise Stellung bezogen.[3] Der BFH kam zu dem Ergebnis, dass nach damals gültigem Recht außerhalb der Buchführungspflicht gem. §§ 238  ff. HGB und §§ 140  ff. AO keine verrechnungspreisspezifischen Dokumentationspflichten existierten. Auf diese beiden Entscheidungen des BFH hat der Gesetzgeber reagiert und mit dem Steuervergünstigungsabbaugesetz[4] Regelungen zu Dokumentationspflichten im Rahmen der Verrechnungspreisermittlung in § 90 Abs. 3 AO aufgenommen. Hiernach ist der Steuerpflichtige verpflichtet, bei Sachverhalten, die Vorgänge mit Auslandsbezug betreffen, über die Art und den Inhalt seiner Geschäftsbeziehungen mit nahe stehenden Personen i. S. d. § 1 Abs. 2 AStG Aufzeichnungen zu erstellen. Diese Aufzeichnungspflicht, die erstmals für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31.12.2002 begonnen haben, anzuwenden war,[5] umfasst auch die wirtschaftlichen und rechtlichen Grundlagen für eine den Grundsatz des Fremdvergleichs beachtende Vereinbarung von Preisen und anderen Geschäftsbedingungen mit der nahe stehenden Person. Zur weiteren Konkretisierung der Dokumentationspflichten hat der Gesetzgeber die sog. Gewinnabgrenzungsaufzeichnungsverordnung v. 13.11.2003 (GAufzV)[6] erlassen und die Finanzverwaltung das BMF-Schreiben v. 12.4.2005 (sog. VWG-Verfahren)[7] veröffentlicht. Die VWG-Verfahren wurden bezogen auf Fragen der Mitwirkungspflichten nach §§ 90 ff. AO und der Schätzung der Besteuerungsgrundlagen durch die VWG 2020 vom 3.12.2020[8] und i.Ü. durch die VWG VP vom 14.7.2021[9] ersetzt.

Der BFH hat mit Urteil vom 11.4.2013 entschieden, dass die Aufzeichnungs- und Vorlagepflichten nach § 90 Abs. 3 AO mit den Grundfreiheiten, konkret mit der Dienstleistungsfreiheit nach Art. 56 AEUV, vereinbar sind.[10]

 

Rz. 67

Änderungen durch das BEPS UmsG. Mit dem Gesetz zur Umsetzung der Änderungen der EU-Amtshilferichtlinie und von weiteren Maßnahmen v. 20.12.2016 (BEPS UmsG)[11] wurden die Ergebnisse der Maßnahme 13 des BEPS-Projekts der OECD/G20, d. h. das neue Kapitel V der OECD-Leitlinien, sowie die EU-rechtlichen Vorgaben zum CbCR (Rz. 75) in innerstaatliches Recht umgesetzt.[12] Hierbei wurde der 3-stufige Dokumentationsansatz der OECD

  • für die Stammdokumentation (Master File) und die landesbezogene, unternehmensspezifische Dokumentation (Local File) i. R. der verrechnungspreisbezogenen Aufzeichnungspflichten nach § 90 Abs. 3 AO und der GAufzV sowie
  • der länderbezogene Bericht im Rahmen der Anzeigepflichten in § 138a AO (Rz. 73  ff.) umgesetzt.

Von diesem Ansatz stellt die länderbezogene Berichterstattung – auch im innerstaatlichen Recht – die wesentliche Novität dar. Die weitere Neuerung der Stammdokumentation nach § 90 Abs. 3 Satz 3 AO beinhaltet zwar bezogen auf die Zwecksetzung, einen Überblick über den Organisationsaufbau und die Geschäftstätigkeit der Unternehmensgruppe, die Verteilung der Wertschöpfung in der Unternehmensgruppe sowie das System der Verrechnungspreisbestimmung zu vermitteln, erweiterte Aufzeichnungsinhalte, diese setzen jedoch auf bereits bisher nach § 90 Abs. 3 AO und der GAufzV verpflichtenden Inhalten auf.[13] Den inhaltlichen Kern der Verrechnungspreisdokumentation bildet die landesbezogene, unternehmensspezifische Dokumentation, die entsprechend dem Tranaktionsbezug der Verrechnungspreisbestimmung die geschäftsvorfallbezogenen Aufzeichnungen sachverhalts- und angemessenheitsbezogen enthält, wobei die Aufzeichnungsinhalte den bisher verpflichtenden Angaben weitestgehend entsprechen.[14] Basierend auf der Ermächtigungsgrundlage des § 90 Abs. 3 Satz 11 AO wurde zur weiteren Konkretisierung der geänderten Dokumentationspflichten die geänderte GAufzV am 20.7.2017 erlassen.[15]

 

Rz. 68

Vorlagefristen. Die Aufzeichnungen bzw. die Verrechnungspreisdokumentationen sind nach § 90 Abs. 3 Satz 5 AO im Regelfall nur im Rahmen einer Außenprüfung vorzulegen.[16] Das Finanzamt soll für die Anforderung der Aufzeichnungen die Geschäftsbereiche und die Geschäftsbeziehungen des Steuerpflichtigen bezeichnen, die Gegenstand ihrer Prüfung sein sollen, und dabei Art und Umfang der angeforderten Aufzeichnungen inhaltlich hinreichend bestimmt angeben.[17] Insoweit sind nicht die gesamten Dokumentationen des Steuerpflichtigen, sondern nur die von der Außenprüfung angeforderten Teilbereiche vorzulegen. Gleichwohl ist davon auszugehen, dass die Betriebsprüfungspraxis zunächst versuchen wird, möglichst viele Informationen vom Steuerpflichtigen zu erhalten und damit sämtliche Aufzeichnungen, d. h. die gesamte Verrechnungspreisdokumentation, anzufordern.[18] Einer entsprechenden Anforderung durch die Finanzverwaltung hat der Steuerpflichtige innerhalb von 60 Tagen nachzukommen.[19] Für außergewöhnliche Geschäftsvorfälle, zu denen nach § 3 Abs. 2 GAufzV z. B. Funk...

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