Leitsatz

Der Eintritt eines Vermögensverfalls ist nach § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG auch dann zu vermuten, wenn das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Steuerberaters oder Steuerbevollmächtigten nicht in Deutschland, sondern in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union nach dessen Recht eröffnet worden ist.

 

Normenkette

§ 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG, Art. 3 Abs. 1, Art. 19 Abs. 1 EUV 848/2015, § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO

 

Sachverhalt

Die Steuerberaterkammer widerrief die Bestellung der Klägerin als Steuerberaterin mit der Begründung, diese sei zum einen ausweislich des vorgelegten Vermögensverzeichnisses überschuldet, zum anderen werde gegen sie in Großbritannien ein Insolvenzverfahren (Bankruptcy) geführt.

Das FG wies die hiergegen erhobene Klage ab. Wegen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Klägerin sei der Vermögensverfall zu vermuten. Dass es sich um ein Insolvenzverfahren in Großbritannien handele, ändere daran nichts. Die Vermutung des Vermögensverfalls sei nicht widerlegt. Selbst nach dem Verkauf der Immobilien verblieben erhebliche Verbindlichkeiten. Unerheblich sei das Vorbringen der Klägerin, dass sie nicht mehr als Einzelsteuerberaterin, sondern als Geschäftsführerin und Alleingesellschafterin einer Steuerberatungsgesellschaft tätig sei. Darüber hinaus ergebe sich ihre Unzuverlässigkeit in eigenen Angelegenheiten aus den erheblichen Steuerrückständen und aus ihrer Verurteilung wegen vollendeter und versuchter Steuerhinterziehung zu einer erheblichen Geldstrafe (Hessisches FG, Urteil vom 23.3.2016, 9 K 1614/15).

 

Entscheidung

Aus den in den Praxis-Hinweisen dargestellten Gründen hat der BFH die auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache gestützte Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin zurückgewiesen.

 

Hinweis

Nach § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG ist die Bestellung als Steuerberater zu widerrufen, wenn der Steuerberater in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, die Interessen der Auftraggeber sind dadurch nicht gefährdet. Ein Vermögensverfall wird (u.a.) vermutet, wenn ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Steuerberaters eröffnet ist.

Der Entlastungsbeweis sowohl zur Widerlegung der gesetzlichen Vermutung des Vermögensverfalls als auch zur fehlenden Gefährdung der Auftraggeberinteressen obliegt dem Steuerberater, denn das Gesetz geht beim Vorliegen eines Vermögensverfalls grundsätzlich davon aus, dass aufgrund der desolaten wirtschaftlichen Situation des Steuerberaters die Interessen der Auftraggeber gefährdet sind (ständige Rechtsprechung). Bei ungeordneten Vermögensverhältnissen besteht nämlich die Gefahr, dass der Steuerberater zur Erlangung eines finanziellen Vorteils seine beruflichen Pflichten verletzen und die Interessen seiner Mandanten nicht mit der erforderlichen Unabhängigkeit und Nachhaltigkeit verfolgen könnte.

Im Streitfall stellten sich die Fragen, ob (1.) der Vermögensverfall auch im Fall eines in Großbritannien über das Vermögen des Steuerberaters eröffneten Insolvenzverfahrens zu vermuten ist und ob (2.) es sich hierbei um eine Frage grundsätzlicher Bedeutung handelt, welche die Zulassung der Revision rechtfertigt. Der BFH hat die erste Frage bejaht und die zweite verneint.

Nach Art. 19 Abs. 1 der Verordnung EUV 848/2015 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.5.2015 über Insolvenzverfahren (ABl.EU Nr. L 141/19) wird die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens durch das zuständige Gericht eines Mitgliedstaats in allen übrigen Mitgliedstaaten anerkannt, sobald die Entscheidung im Staat der Verfahrenseröffnung wirksam ist. Nach Art. 2 Nr. 4 EUV 848/2015 ist ein "Insolvenzverfahren" i.S. dieser Verordnung ein in ihrem Anhang A aufgeführtes Verfahren.

Das im Streitfall nach den Feststellungen des FG in Großbritannien eröffnete Verfahren "Bankruptcy" nach Part IX Insolvency Act 1986 ist im genannten Anhang A aufgeführt. Die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners als Voraussetzung für die Eröffnung eines solchen Verfahrens unterscheidet sich vom deutschen Insolvenzrecht nicht.

Da weder dem Wortlaut des § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG zu entnehmen ist, dass lediglich nach den Bestimmungen der InsO eröffnete Insolvenzverfahren gemeint sind, noch Sinn und Zweck der Vorschrift, die Auftraggeber des Steuerberaters vor möglichen Berufspflichtverletzungen zu schützen, entgegenstehen und da die EU-Mitgliedstaaten mit der EUV 848/2015 deutlich zum Ausdruck gebracht haben, dass in jeweils anderen Mitgliedstaaten eröffnete Insolvenzverfahren gleiche Wirkungen haben sollen, hat der BFH die Voraussetzungen des § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG auch im Fall eines in Großbritannien eröffneten Insolvenzverfahrens als zweifellos erfüllt und ein Revisionsverfahren zur Klärung dieser Frage als nicht erforderlich angesehen.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Beschluss vom 17.8.2016 – VII B 59/16

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