Verluste aus Kapitalvermögen i. S. d. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG (= Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an einer Körperschaft i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG), die aus der Veräußerung von Aktien entstehen, dürfen nur mit Gewinnen aus Kapitalvermögen i. S. d. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG, die aus der Veräußerung von Aktien entstehen, ausgeglichen werden. Das allgemeine Verrechnungsverbot[1] gilt dabei entsprechend.[2] § 10d Abs. 4 EStG ist sinngemäß anzuwenden.

Eine Veräußerung i. S. d. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG ist weder von der Höhe der Gegenleistung noch von der Höhe der anfallenden Veräußerungskosten abhängig. Es steht grundsätzlich im Belieben des Steuerpflichtigen, ob, wann und mit welchem Ertrag er Wertpapiere erwirbt und wieder veräußert. Dadurch macht der Steuerpflichtige lediglich von gesetzlich vorgesehenen Gestaltungsmöglichkeiten Gebrauch, missbraucht diese aber nicht.[3]

Nicht ausgleichbare Verluste mindern in entsprechender Anwendung des § 10d Abs. 4 EStG die positiven Einkünfte, die der Steuerpflichtige in den folgenden VZ aus solchen Veräußerungen erzielt. Verluste aus Kapitalvermögen, die der Kapitalertragsteuer unterliegen, dürfen nur verrechnet werden oder mindern die Einkünfte, die der Steuerpflichtige in den folgenden VZ aus Kapitalvermögen erzielt, wenn eine Bescheinigung i. S. d. § 43a Abs. 3 Satz 4 EStG vorliegt.[4]

Der Verlust aus dem entschädigungslosen Entzug von Aktien durch eine Kapitalherabsetzung auf Null samt eines Bezugsrechtsausschlusses für die anschließende Kapitalerhöhung auf der Grundlage eines Insolvenzplans ist als Aktienveräußerungsverlust steuerbar. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, Abs. 4 Satz 1 EStG sind entsprechend anwendbar.[5]

 
Hinweis

Steuerbarkeit des insolvenzbedingten Untergangs von Aktien

Mit Urteil v. 17.11.2020[6] hat sich der BFH ausführlich zu den ertragsteuerrechtlichen Folgen aus einem insolvenzbedingten Untergang von Aktien geäußert. Danach ist in bestimmten Fällen die steuermindernde Berücksichtigung im Rahmen der Ermittlung der Einkünfte aus Kapitalvermögen zulässig. Dem ist die Finanzverwaltung mit BMF-Schreiben v. 19.5.2022[7] gefolgt.

 
Hinweis

Anhängiges Verfahren beim BFH

Beim BFH ist die Frage anhängig, ob die einschränkende Verlustverrechnung nach § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG a. F., wonach Verluste aus der Veräußerung von Aktien nur mit Gewinnen aus der Veräußerung von Aktien verrechnet werden dürfen, verfassungsgemäß ist. Am 17.11.2020 hat der BFH aufgrund der am 20.4.2018 eingelegten Revision beschlossen, dazu eine Entscheidung des BVerfG einzuholen.[8]

Die Finanzverwaltung hat auf diesen Beschluss reagiert und die Verlustverrechnungsbeschränkung für Aktienveräußerungsverluste nach § 20 Abs. 6 Satz 4 EStG[9] in den sog. Vorläufigkeitskatalog aufgenommen. Danach sind Steuerfestsetzungen hinsichtlich der Verlustverrechnungsbeschränkung für solche Aktienveräußerungsverluste nach § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO im Hinblick auf die Frage der Verfassungsmäßigkeit und der verfassungskonformen Auslegung des § 20 Abs. 6 Satz 4 EStG[10] vorläufig vorzunehmen, soweit dies verfahrensrechtlich möglich ist. Der entsprechende Vorläufigkeitsvermerk ist sämtlichen Einkommensteuerfestsetzungen für VZ ab 2009 beizufügen, zu denen ein Verlust aus Kapitalvermögen i. S. d. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG, der aus der Veräußerung von Aktien entstanden ist, nach § 20 Abs. 6 Satz 3 i. V. m. § 10d Abs. 4 EStG festgestellt wird, weil ein Ausgleich mit anderen Einkünften aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 6 Satz 4 EStG[11] nicht möglich ist.[12]

[4] § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG in der bis einschl. 31.12.2019 geltenden Fassung; § 20 Abs. 6 Satz 7 i. d. F. des Gesetzes zur Einführung einer Pflicht zur Mitteilung grenzüberschreitender Steuergestaltungen v. 21.12.2019, BGBl 2019 I S. 2875.
[9] § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG a. F.
[10] § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG a. F.
[11] § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG a. F.

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