Rz. 8

Die Regelung des § 10d EStG ab VZ 2004 (sog. Mindestbesteuerung) ist verfassungsgemäß, da selbst der eingeschränkte Verlustvortrag im Regelfall zu einem Verbrauch der Verluste führen wird. Die Rspr. hat daher grundsätzlich keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Mindestbesteuerung ab VZ 2004.[1] Der BFH hat aber Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Mindestbesteuerung geäußert, wenn eine Verlustverrechnung in späteren VZ aus rechtlichen Gründen (hier: nach § 8c KStG 2002 n. F.) endgültig ausgeschlossen ist.[2] Er hat mit Urteil vom 22.8.2012[3] die Grundkonzeption einer zeitlichen Streckung des Verlustvortrags als verfassungskonform angesehen. Es ist ausreichend, wenn die Verluste überhaupt, wenn auch in einem anderen VZ, berücksichtigt werden. Nachdem der BFH es zunächst ausdrücklich offengelassen hatte, ob dies auch gilt, wenn im Einzelfall der Verlustabzug gänzlich ausgeschlossen wird, da eine solche Situation im Streitfall nicht vorlag, hat er nunmehr in einem solchen Fall die Sache dem BVerfG mit der Frage vorgelegt, ob § 8 Abs. 1 KStG 2002 i. V. m. § 10d Abs. 2 EStG 2002 und ob § 10a Satz 2 GewStG 2002 gegen Art. 3 GG verstoßen.[4] Im Streitfall geht es um die Steuerlast einer in Insolvenz gefallenen GmbH. Das Insolvenzverfahren ist nach der Schlussverteilung aufgehoben worden, eine Möglichkeit, die Steuern im Wege des Verlustausgleichs für Verluste aus Vorjahren abzuziehen, besteht nicht mehr, sodass die Verluste definitiv geworden sind. Der BFH betont erneut,[5] dass die Mindestbesteuerung in ihrer Grundkonzeption einer zeitlichen Streckung des Verlustvortrags ungeachtet von dadurch ausgelösten Zins- und Liquiditätsnachteilen nicht gegen Verfassungsrecht verstößt, da insoweit die Abzugsfähigkeit von Verlusten nicht in ihrem Kernbereich betroffen oder gänzlich ausgeschlossen wird. Kommt es aber zu einer vollständigen Beseitigung der Abzugsmöglichkeit oder zu einem Ausschluss des Verlustausgleichs, bejaht der BFH einen Verstoß gegen Art. 3 GG. Es besteht aber kein Anspruch auf den Verlustabzug aus Gründen des Grundrechts- oder Vertrauensschutzes.[6]

Für die Gewerbesteuer hat der BFH die Verfassungsmäßigkeit der Mindestbesteuerung des § 10a GewStG auch dann bejaht, wenn es wegen der Begrenzung des Verlustvortrags zu einem endgültigen, nicht mehr verrechenbaren Verlust kommt.[7]

Gegen eine Einschränkung des Verlustabzugs selbst, also der Höhe nach, hat der BFH keine Bedenken.[8]

[1] BFH, Urteil v. 21.9.2016, I R 65/14, BFH/NV 2017 S. 267: kein Billigkeitserlass; BFH, Urteil v. 22.8.2012, I R 9/11, BStBl 2013 II S. 512: noch anhängige Verfassungbeschwerde beim BVerfG, 2 BvR 2998/12; ebenso Lindberg, in Frotscher/Geurts, EStG, § 10d EStG Rz. 7 ff., Stand 3/2022; Vogel, in Brandis/Heuermann , EStG,KStG,GewStG und Nebengesetze, § 10d EStG Rz. 6, 21 ff., Stand 12/2021; a. A. Lindauer, BB 2004, S. 2720 mit verfassungsrechtl. Bedenken; Lang/Englisch, StuW 2005, S. 2.
[2] BFH, Beschluss v. 26.8.2010, I B 49/10, BFH/NV 2010 S. 2356. Dazu reicht es nicht aus, wenn der Stpfl. das Definitivwerden der Verluste lediglich prognostiziert,

BFH, Urteil v. 22.8.2012, I R 9/11, BStBl 2013 II S. 512.

[6] Heuermann, FR 2012, S. 435; Heinicke, in Schmidt, EStG, 41. Aufl. 2022, § 10d EStG Rz. 10.
[8] BFH, Beschluss v. 29.4.2005, XI B 127/05, BFH/NV 2005 S. 1189; BFH, Urteil v. 1.7.2009, I R 76/08, BFH/NV 2009 S. 1708.

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