Leitsatz

Es bestehen ernsthafte Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit eines Zinssatzes von 5,5% für die Abzinsung von Verbindlichkeiten gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG in einer anhaltenden Niedrigzinsphase.

 

Sachverhalt

Die Antragstellerin ist eine GmbH. Nach einer Außenprüfung erließ das Finanzamt geänderte Steuerbescheide, denen ein erhöhter Gewinn zugrunde gelegt wurde, da die unverzinslichen Verbindlichkeiten mit einer Laufzeit von mehr als 12 Monaten mit dem gesetzlichen Zinssatz von 5,5% abgezinst wurden. Hiergegen legte die Antragstellerin Einspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung der Bescheide. Dieses lehnte das Finanzamt ab.

 

Entscheidung

Der Antrag hatte in der Sache Erfolg, da Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Abzinsung mit Blick auf den typisierenden Zinssatz von 5,5% bestehen. Seit längerem mehren sich angesichts einer anhaltenden Niedrigzinsphase die verfassungsrechtlichen Zweifel an der Höhe der in den Steuergesetzen u. a. in § 238 AO, § 6a Abs. 1 Nr. 3a EStG festgelegten Zinssätzen von 6% bzw. 5,5%. Beim Bundesverfassungsgericht sind hierzu verschiedene Verfahren anhängig. Der Bundesfinanzhof hat bereits wegen verfassungsrechtlicher Zweifel gegen den Zinssatz des § 238 Abs. 1 Satz 1 AO AdV gewährt und festgestellt, dass der Zinssatz den angemessenen Rahmen der wirtschaftlichen Realität in erheblichem Maße überschreite.

Zwischenzeitlich hat der Abzinsungssatz des § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG mit 5,5% keinen Bezug mehr zum langfristigen Marktzinsniveau. So liege der Leitzins der EZB seit sechs Jahren unter 1%. Durch das gesetzliche Abzinsungsgebot sei der Steuerpflichtige gezwungen nicht realisierte Gewinne auszuweisen. Dies führe zu Zweifeln an der verfassungsrechtlichen Rechtmäßigkeit und rechtfertige es, die Vollziehung der Bescheide auszusetzen.

 

Hinweis

Mit der Entscheidung des FG Hamburg wird in anderen Fällen eine Aussetzung der Vollziehung nicht zwingend zu erreichen sein. Sie lässt aber eine Tendenz erkennen, dass auch der Abzinsungssatz für Verbindlichkeiten und Rückstellungen der Höhe nach in Frage zu stellen ist.

 

Link zur Entscheidung

FG Hamburg, Beschluss vom 31.01.2019, 2 V 112/18

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