Der Aussetzung und dem Ruhen des Verfahrens liegen in erster Linie Praktibilitätsüberlegungen zugrunde, die verhindern sollen, dass die Finanzgerichte mit einer Vielzahl von Verfahren überschwemmt werden. Das Finanzgericht hat zudem zusätzlich die Möglichkeit der Verfahrensaussetzung nach § 74 FGO. Dem Steuerpflichtigen bleibt der (bei Unterliegen kostenpflichtige) Gang zum Finanzgericht erspart.

Verfahrensaussetzung und Verfahrensruhe setzen voraus, dass der Einspruch zulässig ist.

1. Verfahrensaussetzung (§ 363 Abs. 1 AO)

Eine Verfahrensaussetzung kommt in Betracht, wenn die Entscheidung im Einspruchsverfahren von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einem Gericht oder einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist. Hierbei kann es sich um ein zivilrechtliches, ein öffentlich-rechtliches oder um ein steuerrechtliches Rechtsverhältnis handeln. In Betracht kommen hier insbesondere Erb- und Familienrechtsstreitigkeiten, die den Ausgang des Einspruchsverfahrens beeinflussen können.

2. Verfahrensruhe aus Zweckmäßigkeitsgründen (§ 363 Abs. 2 Satz 1 AO)

Eine Verfahrensruhe kann insbesondere dann zweckmäßig sein, wenn zu der Rechtsfrage bereits ein finanzgerichtliches Verfahren entweder beim Steuerpflichtigen selbst (für ein Vorjahr) oder in einem anderen, gleichgelagerten Steuerfall anhängig ist. Gleiches gilt, wenn die Entscheidung einer Rechtsfrage noch auf der Ebene der Mittel- oder Oberbehörden (OFD, Finanzministerium) erörtert wird, ferner, wenn die Aufklärung des Sachverhalts durch eine Außenprüfung erfolgen soll.

3. Verfahrensruhe kraft Gesetzes (§ 363 Abs. 2 Satz 2 AO)

Eine Verfahrensruhe tritt ein, wenn wegen der Verfassungsmäßigkeit einer Rechtsnorm oder wegen einer Rechtsfrage ein Verfahren vor dem EuGH, dem BverfG oder einem obersten Bundesgericht (insbesondere dem BFH) anhängig ist. Obwohl die Rechtsfolge des Ruhens kraft Gesetzes eintritt, empfiehlt sich ein Antrag häufig schon aus Gründen der Rechtssicherheit. Eine Verfahrensruhe kommt jedoch nicht in Betracht, soweit die Steuer aufgrund der höchstrichterlich anhängigen Streitfrage vorläufig festgesetzt wurde (§ 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO).

Hinweis

Die Verfahrensruhe ist problematisch, wenn sich der Einspruch nicht nur auf die höchstrichterlich anhängige Streitfrage beschränkt. Da es keine Teilentscheidungen gibt, ruht das Verfahren insgesamt, d.h. es kann auch über Fragen, die nicht Anlass der Verfahrensruhe sind, nicht entschieden werden. Will der Steuerpflichtige gleichwohl eine Entscheidung jetzt (insgesamt) herbeiführen, muss er die Fortsetzung des Einspruchsverfahrens beantragen (§ 363 Abs. 2 Satz 4 AO).

4. Rechtsfolgen bei Antragsablehnung

Lehnt das Finanzamt den Antrag des Steuerpflichtigen auf Verfahrensaussetzung oder Verfahrensruhe ab, kann dies nicht gesondert angefochten werden. Die Rechtswidrigkeit der Ablehnung muss dann im Klageverfahren gegen die Einspruchsentscheidung geltend gemacht werden (§ 363 Abs. 3 AO). Gleiches gilt für den Widerruf der Verfahrensaussetzung/Verfahrensruhe.

Setzt das Finanzamt die Bearbeitung des Verfahrens aus oder lässt es das Verfahren ruhen, ohne dass die hierfür erforderlichen gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen, kann der Steuerpflichtige Untätigkeitsklage (§ 46 FGO) erheben.

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