Rz. 66

Übertragung/Verlagerung von Geschäftschancen. Nach Rechtsprechung des BFH kann eine vGA unter anderem dann vorliegen, wenn eine Geschäftschance unentgeltlich oder gegen ein unangemessen niedriges Entgelt von einer Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter oder einer diesem Gesellschafter nahestehenden Person überlassen wird. Die ältere Rechtsprechung basierte auf dem zivilrechtlichen Wettbewerbsverbot des Gesellschafters, das aus seinen Treuepflichten gegenüber seiner Gesellschaft abgeleitet wird und es dem Gesellschafter abstrakt verbietet, im Geschäftsbereich seiner Gesellschaft tätig zu werden.[1] Dagegen beurteilt der BFH nach der sog. Geschäftschancenlehre die Überlassung von Geschäftschancen ausschließlich nach dem Fremdvergleichsgrundsatz und stellt darauf ab, ob 2 ordentliche und gewissenhafte Geschäftsleiter in vergleichbarer Situation ein Entgelt für die Übertragung der Geschäftschance vereinbart hätten. Im Einzelnen wurde das Vorliegen einer Geschäftschance in folgenden Fällen entschieden:

  • die Möglichkeit, ein Grundstück zu erwerben, zu bebauen und es anschließend gewinnbringend zu veräußern;[2]
  • die Möglichkeit der Verwertung von konkreten Kenntnissen über Geschäfte, z. B. Kaufinteressen für ein bestimmtes Grundstück;[3]
  • die Möglichkeit, separate, bereits akquirierte Aufträge auf eigene Rechnung auszuführen;[4]
  • die Möglichkeit, ein bereits begonnenes Bauprojekt mit Gewinnaussicht fortzusetzen;[5]
  • die Möglichkeit, laufende Mandantenverträge fortzuführen;[6]
  • die Möglichkeit zur Verwertung von Wissen, das ein Geschäftsführer im Rahmen seiner Geschäftsführertätigkeit bei einer GmbH erworben hat;[7]
  • die (vertraglich abgesicherte) Möglichkeit, eine Immobilie zu einem unter dem Marktpreis liegenden Preis zu kaufen;[8]
  • die Möglichkeit, Gewinne durch einen zentralen Wareneinkauf und -verkauf zu erzielen.[9]
 

Rz. 67

Singuläre vs. unternehmerische Geschäftschancen. Hinsichtlich der von der Rechtsprechung entschiedenen Fallgruppen ist zwischen sog. singulären und unternehmerischen Geschäftschancen zu unterscheiden. Singuläre Geschäftschancen beziehen sich hierbei auf Sachverhalte, in denen ein einzelnes, konkretisiertes Geschäft unentgeltlich oder verbilligt von einer Kapitalgesellschaft auf ihren Gesellschafter oder eine diesem Gesellschafter nahestehende Person übertragen wird.[10] Die Identifikation solcher singulärer Geschäftschancen ist zumeist problemlos möglich.[11] Dagegen wird unter einer unternehmerischen Geschäftschance die Möglichkeit verstanden, aus der Ausübung einer betrieblichen Funktion dauerhaft Gewinne zu erzielen.[12] Insoweit handelt es sich um Vermögensvorteile, die im Rahmen von Funktionsverlagerungen überführt werden und nicht unmittelbar auf ein (immaterielles) Wirtschaftsgut gerichtet sind.[13]

 

Rz. 68

Definition der Geschäftschance. Weder in der Rechtsprechung noch in der Literatur hat sich bislang eine allgemeine Definition zum Begriff der Geschäftschance herausgebildet. Die h. M. im Schrifttum versteht unter einer Geschäftschance eine bewertbare rechtliche und tatsächliche Möglichkeit, aus einem Geschäft Gewinne zu erzielen, soweit sich diese nicht aus anderen Wirtschaftsgütern ergibt.[14] Durch die Abgrenzung von anderen Wirtschaftsgütern wird einerseits sichergestellt, dass eine gesonderte Vergütungspflicht dann nicht besteht, wenn die Geschäftschance bereits mit Übertragung z. B. einer Gesamtheit von Wirtschaftsgütern (z. B. Betrieb, Teilbetrieb) abgegolten wurde.[15] Ferner soll sichergestellt werden, dass der Begriff der Geschäftschance nicht als Konglomerat verschiedenster (immaterieller) Wirtschaftsgüter (z. B. Geschäfts- oder Firmenwert, Marken, Patente, Know-how) verstanden wird, sondern einen darüber hinausgehenden Vermögenswert kennzeichnet.[16] Ferner kommt in dem Bestehen auch der tatsächlichen Möglichkeit zum Ausdruck, dass die Entgeltpflicht für die Verlagerung von Geschäftschancen nur dann besteht, wenn der Gesellschafter oder eine diesem Gesellschafter nahestehende Person auf der Grundlage seiner Personal-, Sach- und Finanzausstattung auch tatsächlich in der Lage wäre, die Geschäftschance selbst zu nutzen.[17] Dies ergibt sich im Übrigen daraus, dass der BFH die Entgeltpflicht für die Übertragung einer Geschäftschance ausschließlich aus dem Fremdvergleichsgrundsatz bestimmt und hiernach auch die Perspektive des übernehmenden Gesellschafters bzw. einer diesem Gesellschafter nahestehenden Person einzubeziehen ist, wonach ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter des Übernehmers der Geschäftschance auch bereit sein muss, diese gesondert zu vergüten.[18] Schließlich muss im Rahmen einer Geschäftschance die Aussicht auf eine vergleichsweise risikolose zukünftige Gewinnerzielung sichergestellt sein. Besteht demnach ein identifizierbares Verlustrisiko, liegt keine Geschäftschance vor.

 

Rz. 69

Zuordnung/Zurechnung, Entgeltpflicht und Bewertung. Eine Entgeltpflicht für die Übertragung einer Geschäftschance kommt grundsätzlich nur dann in Betracht, wenn die Gesc...

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