Rz. 8

Zentrales Tatbestandsmerkmal der vGA-Definition. Die Unterschiedsbetragsminderung (oder verhinderte Unterschiedsbetragsmehrung) muss ferner durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst sein. Die gesellschaftsrechtliche Veranlassung der Unterschiedsbetragsminderung oder verhinderten Unterschiedsbetragsmehrung ist das zentrale Tatbestandsmerkmal und Kernproblem einer vGA. Die Veranlassung einer Unterschiedsbetragsminderung durch das Gesellschaftsverhältnis wird inhaltlich durch den Grundsatz des Fremdvergleichs konkretisiert.[1] Hierbei wird von der widerlegbaren Vermutung ausgegangen, dass ein Verhalten, das dem Fremdvergleich entspricht, nicht durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist. Im Hinblick auf materielle Gesichtspunkte wird der Fremdvergleichsgrundsatz mittels der Denkfigur des ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters präzisiert. Eine Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis ist infolgedessen gegeben, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte.[2] Weicht das Verhalten von dem ab, was ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter getan hätte, wird insofern die Veranlassung im Gesellschaftsverhältnis widerlegbar vermutet.[3] Aufgabe des Fremdvergleichs ist damit eine Angemessenheitsprüfung der Liefer- und Leistungsbeziehungen, um ein mögliches Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung feststellen zu können.

 

Rz. 9

Doppelter ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter. Dabei ist nach ständiger Rechtsprechung des BFH nicht nur die Sicht des ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters der liefernden oder leistenden Kapitalgesellschaft, sondern auch die Perspektive des Vertragspartners einzubeziehen.[4] Die Referenzfigur des ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters sowohl aufseiten des Leistenden wie aufseiten des Leistungsempfängers (doppelter ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter) konkretisiert mit dem ihm eigenen Sorgfalts- und Handlungsmaßstab den Fremdvergleich. Der Gesetzgeber hat diese Konkretisierung des Fremdvergleichsgrundsatzes mit dem UntStRefG 2008[5] mit § 1 Abs. 1 Satz 2 AStG (§ 1 Abs. 1 Satz 3 i. d. F. des AmtshilfeRLUmsG)[6]  ausdrücklich in das Gesetz aufgenommen. Hiernach ist für die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes – im Anwendungsbereich von § 1 AStG – davon auszugehen, "dass die voneinander unabhängigen Dritten alle wesentlichen Umstände der Geschäftsbeziehungen kennen und nach den Grundsätzen ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter handeln".[7]

Es entspricht der Auffassung der Finanzverwaltung, dass die Referenzfigur des doppelten ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters als "gängige Besteuerungspraxis" den Fremdvergleichsgrundsatz grundsätzlich und damit auch für Zwecke des vorliegend relevanten vGA i. S. v. § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG konkretisiert.[8]

 

Rz. 10

VGA an Nahestehende. Die Veranlassung einer Unterschiedsbetragsminderung (verhinderten Unterschiedsbetragsmehrung) durch das Gesellschaftsverhältnis bedeutet nicht, dass Vorteilsempfänger nur der Gesellschafter sein kann. Eine vGA kann vielmehr auch dann vorliegen, wenn die Unterschiedsbetragsminderung (verhinderte Unterschiedsbetragsmehrung) die Eignung hat, den Vermögensvorteil einer dem Gesellschafter nahestehenden Person zuzuwenden. Für vGA-Fälle in Konzernen und Unternehmensgruppen stellt dies sogar den Regelfall dar (Rz. 70 ff.). Bei Vorteilsgewährungen an nahestehende Personen muss für das Vorliegen einer vGA allerdings festgestellt werden, dass die beabsichtigte Vorteilsgewährung ihre Veranlassung im Gesellschaftsverhältnis hat, d. h. nicht im eigenen Interesse der Gesellschaft liegt.[9] Mit anderen Worten muss die Vorteilsgewährung an die nahestehende Person im Interesse des Gesellschafters, d. h. i. d. R. mit dessen Einverständnis erfolgen. Ein Nahestehen zwischen dem Gesellschafter und einer anderen Person muss auf eine Beziehung zurückzuführen sein, die geeignet ist, auf die Vorteilsgewährung der Kapitalgesellschaft an einen Dritten Einfluss zu nehmen (sog. geschäftsfremde Einflussnahmemöglichkeit).[10] Diese Beziehung kann familienrechtlicher, persönlicher (Lebensgemeinschaft), gesellschaftsrechtlicher (unmittelbare oder mittelbare Beteiligung), rechtlicher (insbesondere schuldrechtlicher) oder tatsächlicher Natur sein.[11] Dem Dritten muss der Vermögensvorteil durch die Körperschaft im Interesse des Anteilseigners zugewendet werden.[12] Die Vorteilsgewährung löst bei der ausschüttenden Gesellschaft die Rechtsfolge des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG aus, d. h. der Gewinn der ausschüttenden Gesellschaft darf nicht um die Zuwendung gemindert werden. Die Vorteilsgewährung an die nahestehende Person ist dem Gesellschafter als eigene Einnahme i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG steuerlich zuzurechnen.[13] Bei einer vGA innerhalb einer Beteiligungskette wird der Beteiligun...

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