Rz. 27

Neben der Befreiung infolge der Aufstellung befreiender Konzernabschlüsse i. S. d. §§ 291 bzw. 292 HGB besteht gem. § 293 Abs. 1 HGB auch die Möglichkeit, aufgrund von Größenkriterien von der Konzernabschlusserstellung entpflichtet zu werden. Demnach ist ein Mutterunternehmen von der Pflicht zur Konzernrechnungslegung befreit, sofern am aktuellen ebenso wie am vorhergehenden Abschlussstichtag mindestens zwei der drei in § 293 HGB kodifizierten Schwellenwerte (Bilanzsumme, Umsatzerlöse, im Jahresdurchschnitt beschäftigte Arbeitnehmer ≤ 250) nicht überschritten werden. Bei der Ermittlung der Größenkriterien kann das Mutterunternehmen zwischen der Anwendung der sog. Bruttomethode (Abs. 1 Nr. 1) – Addition der Jahresabschlüsse zu einem aggregierten (unkonsolidierten) Summenabschluss (Bilanzsumme: ≤ 24 Mio. EUR; Umsatzerlöse: ≤ 48 Mio. EUR) – einerseits sowie der sog. Nettomethode (Abs. 1 Nr. 2) – Erstellung eines konsolidierten (Probe-)Abschlusses (Bilanzsumme: ≤ 20 Mio EUR; Umsatzerlöse: ≤ 40 Mio. EUR) – andererseits wählen.

Von der Befreiung darf gem. § 293 Abs. 5 HGB kein Gebrauch gemacht werden, sofern das Mutterunternehmen oder ein in dessen Konzernabschluss einbezogenes Tochterunternehmen am Abschlussstichtag kapitalmarktorientiert i. S. d. § 264d ist oder es wie Kredit-/Finanzdienstleistungsinstitute respektive Versicherungsunternehmen/Pensionsfonds den Vorschriften des Ersten (vgl. §§ 340 ff. HGB) bzw. Zweiten (vgl. §§ 341 ff. HGB) Unterabschnitts des Vierten Abschnitts unterworfen ist.

 

Rz. 28

In einem zweistufigen Konzern (A beherrscht B, B beherrscht C) – alle beteiligten Konzernunternehmen sollen inländische Kapitalgesellschaften sein – müssten sowohl A als auch B gem. § 290 HGB vom Grundsatz her einen Konzernabschluss erstellen. Nun aber soll der Fall eintreten, dass für A die größenabhängige Befreiung zum Zuge kommt. Wenn A bereits größenbefreit ist, trifft dies erst recht für B zu, so dass die ansonsten gem. § 290 HGB bestehende Konzernrechnungslegungspflicht durch die größenabhängige Befreiungsvorschrift wieder entfällt.

 

Rz. 29

Die Verbundbedingung II setzt voraus, dass auf der Grundlage des Zweiten Unterabschnitts insgesamt eine Konsolidierungspflicht existiert. Wenn eine gem. § 290 HGB bestehende grundsätzliche Aufstellungspflicht durch andere Vorschriften des Zweiten Unterabschnitts bereits wieder aufgehoben wird, so ist das Tatbestandsmerkmal der Konzernrechnungslegungspflicht nach diesem Abschnitt als nicht mehr erfüllt anzusehen, mithin bei enger Auslegung des Wortlauts des § 271 Abs. 2 HGB die zweite Verbundbedingung nicht (mehr) gegeben. Dafür scheint auch die Regelung zu sprechen, dass Tochterunternehmen, die nach § 296 HGB nicht einbezogen werden (müssen), ebenfalls als verbundene Unternehmen gelten.[1] Wenn allein von der grundsätzlichen Einbeziehungspflicht gem. § 290 HGB ausgegangen würde, ergäbe der letzte Halbsatz des § 271 Abs. 2 HGB keinen Sinn; er wäre überflüssig.

Es muss insoweit qua § 271 Abs. 2 HGB insgesamt eine Aufstellungs- und Einbeziehungspflicht nach Maßgabe der Vorschriften des Zweiten Unterabschnitts bestehen, sofern der Gesetzgeber – wie bei den Tochterunternehmen, die nach § 296 HGB nicht einbezogen werden – trotz fehlender Einbeziehungspflicht den Verbundtatbestand nicht ausdrücklich festlegt. Da eine solche Situation im Falle einer größenabhängigen Befreiung nicht gegeben ist, ist mit Kropff festzustellen, dass bei wortgetreuer Auslegung in Konzernen unterhalb der Größenkriterien "zwischen den Konzernunternehmen auch kein Verhältnis verbundener Unternehmen besteht."[2] Da demzufolge bei einer größenabhängigen Befreiung kein Unternehmensverbund vorliegt, wird hierdurch eine Lücke in der gesetzlichen Regelung des § 271 Abs. 2 HGB offenkundig. Diese Lücke ist betriebswirtschaftlich unbefriedigend und in keinster Weise zu rechtfertigen.

 

Rz. 30

Wenn der Gesetzgeber anführt, dass ein Unternehmensverbund auch dann anzunehmen ist, "wenn die Aufstellung unterbleibt", interpretiert die herrschende Meinung dies derart, dass damit ganz offensichtlich nur der Fall zu erfassen ist, dass ein Konzernabschluss "entgegen den gesetzlichen Vorschriften im Zweiten Unterabschnitt [... (konkret: §§ 290315e HGB), d. Verf.] nicht aufgestellt"[3] wird. Auch der Fall, dass ein Tochterunternehmen gesetzeswidrig im Konzernabschluss unberücksichtigt bleibt, sei unter diesen Sachverhalt zu subsumieren. Damit wird dem Gesetzgeber aber die Regelung einer Selbstverständlichkeit unterstellt, die in dieser Form und an dieser Stelle als Folgeregelung eines Regelverstoßes als ungewöhnlich zu bezeichnen ist.

[1] Vgl. Rz. 33.
[2] Kropff, DB 1986, S. 364 (326); vgl. auch Schorndorfer, Verbundene Unternehmen im Dritten Buch des HGB, 1991, S. 146, m. w. N.; a. A. Mock, in Hachmeister u. a., Bilanzrecht, 2. Aufl. 2020, § 271 HGB Rz. 34; Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl. 1997, § 271 HGB Rz. 46 ff.; Wohlgemuth, DStR 1991, S. 1529 (1531).
[3] IDW, WP-Handbuch, 14. Au...

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