Rz. 22

Ebenso wie die 7. EG-Richtlinie sieht auch die (konsolidierte) Bilanzrichtlinie 2013/34/EU vor, dass es prinzipiell auf jeder Konzernstufe einen (Teil-)Konzernabschluss aufzustellen gilt, sofern einer der pflichtbegründenden Tatbestände des § 290 Abs. 1 f. HGB als erfüllt anzusehen ist (sog. "Tannenbaumprinzip").[1] Um die Aufstellung auf jeder Konzernstufe zu vermeiden, hat der Gesetzgeber mit der Einführung der §§ 291 f. HGB die Möglichkeit eingeräumt, unter bestimmten Voraussetzungen sog. befreiende Konzernabschlüsse zu erstellen.

 

Rz. 23

Ein befreiender Konzernabschluss mitsamt Lagebericht kann nach § 291 HGB von jedem – in der EU bzw. einem anderen EWR-Vertragsstaat domizilierenden – Unternehmen unabhängig von seiner Rechtsform und Größe aufgestellt werden. Voraussetzung ist lediglich, dass das Unternehmen, wäre es eine Kapitalgesellschaft, zur Aufstellung eines Konzernabschlusses unter Einbeziehung des zu befreienden Mutterunternehmens und seiner Tochterunternehmen verpflichtet wäre.[2] Eine Nicht-Kapitalgesellschaft wird somit als fiktive Kapitalgesellschaft betrachtet und sodann die Frage gestellt, ob diese Nicht-Kapitalgesellschaft – wäre sie eine Kapitalgesellschaft – zur Konzernrechnungslegung verpflichtet wäre. Somit können auch Unternehmen, die nicht unter den Anwendungsbereich von § 290 HGB fallen – inländische Nicht-Kapitalgesellschaften wie auch Unternehmen mit Sitz im Ausland, grundsätzlich einen befreienden Konzernabschluss aufstellen.

 

Rz. 24

Neben der Befreiung eines Mutterunternehmens von der Aufstellung eines Konzernabschlusses stellt gem. § 271 Abs. 2 HGB (Verbundbedingung II) ein befreiender Konzernabschluss nach § 291 HGB bzw. § 292 HGB einen Anknüpfungspunkt für die Begründung eines Unternehmensverbunds dar. Es gilt hervorzuheben, dass im Rahmen der Bestimmung des Unternehmensverbunds nach § 271 Abs. 2 HGB keine tatsächliche Aufstellung eines befreienden Konzernabschlusses notwendig ist. Allein die Fiktion, dass die befreiende Wirkung bei Aufstellung eines solchen Abschlusses durch ein übergeordnetes Mutterunternehmen gegeben wäre, ist zur Klassifizierung der einzubeziehenden Unternehmen als "verbundene Unternehmen" ausreichend.

 

Rz. 25

Im Kontext eines befreienden Konzernabschlusses ist insbesondere auf den Minderheitenschutz gem. § 291 Abs. 3 HGB hinzuweisen. Nicht-beherrschende Gesellschafter können ab einem bestimmten Anteilsbesitz nach § 291 Abs. 3 Nr. 2 HGB die Erstellung eines sog. Partialabschlusses verlangen bzw. müssen einer intendierten Befreiung nicht zustimmen und können damit die Aufstellung eines befreienden Konzernabschlusses verhindern. Ein befreiender Konzernabschluss durch ein übergeordnetes Mutterunternehmen wäre damit nicht möglich. Ist dies der Fall, folgt daraus nach dem Wortlaut des § 271 Abs. 2 HGB, dass der betreffende teilkonsolidierte Abschluss zur Bestimmung des Unternehmensverbunds heranzuziehen ist. Es hinge somit vom Verhalten der Minderheiten ab, ob sämtliche Konzernunternehmen als verbundene Unternehmen zu klassifizieren sind oder ob nur die Unternehmen des jeweiligen Teilkonzerns als Unternehmensverbund gelten.[3] Dies stellt eine unbefriedigende Rechtslage dar.

Darüber hinaus ist gem. § 291 Abs. 3 Nr. 1 HGB eine Befreiung nicht möglich, sofern das zu befreiende Mutterunternehmen einen organisierten Markt i. S. d. § 2 Abs. 11 WpHG durch von ihm ausgegebene Wertpapiere i. S. d. § 2 Abs. 1 WpHG in Anspruch nimmt. In diesem Fall ist die Voraussetzung zur Erstellung eines befreienden Konzernabschlusses ebenso nicht gegeben, da ein Gesamt-Konzernabschluss mit befreiender Wirkung von der (obersten) Konzernspitze nicht erstellt werden könnte, auch wenn dies beabsichtigt wäre.[4] Verbundbeziehungen zwischen einem Mutterunternehmen und etwaigen kapitalmarktorientierten Tochterunternehmen, die gleichzeitig Mutterunternehmen sind und infolgedessen einen teilkonsolidierten Abschluss erstellen müssten, wären nach § 271 Abs. 2 HGB somit nicht berichtspflichtig. Hinsichtlich der mit § 315e HGB verbundenen Besonderheiten wird auf Rz. 31 verwiesen.

 

Rz. 26

Gem. § 292 HGB besteht zudem die Möglichkeit, Mutterunternehmen, die zugleich Tochterunternehmen eines übergeordneten Mutterunternehmens mit Sitz in einem Drittstaat sind, unter bestimmten Voraussetzungen von der Pflicht zur Aufstellung, Prüfung und Offenlegung eines Konzernabschlusses mitsamt Lageberichts zu befreien. Von dieser auch in Art. 11 der 7. EG-Richtlinie (83/349/EWG) bereits enthaltenen Option hatte Deutschland mit § 292 HGB und der darauf gründenden Konzernabschlussbefreiungsverordnung (KonBefrV) Gebrauch gemacht. Art. 23 Abs. 8 der (konsolidierten) Bilanzrichtlinie 2013/34/EU stellt indes nunmehr klar, dass der übergeordnete Konzernabschluss nicht nur nach besagter Richtlinie oder gleichwertigen Vorgaben, sondern auch nach den im Einklang mit der (IAS-)Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 angenommenen internationalen Rechnungslegungsstandards oder diesen gleichwertigen Vorgaben aufgestellt worden sein kann, um ...

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