2.1 Erzwingbarkeit

 

Rz. 3

Zudem muss es sich um eine Außenverpflichtung aufgrund rechtlicher oder faktischer Begründung handeln.[1] Erzwingbar ist eine Leistung zum einen, wenn der Gläubiger seinen Anspruch hierauf im Klagewege durchsetzen kann (rechtlich begründete Außenverpflichtung). Allerdings stellt eine faktische ungewisse Verbindlichkeit ebenfalls eine Schuld in diesem Sinne dar, wenn am Bilanzstichtag ein faktischer Leistungszwang bestand, wenn sich – mit anderen Worten – ein Kaufmann auch ohne Rechtspflicht einer Leistung nicht entziehen kann und wenn die Verpflichtung vor oder während der betreffenden Bilanzperiode wirtschaftlich verursacht war.[2]

Es ist nicht erforderlich, dass die Leistung fällig ist. Die Fälligkeit bestimmt nur den Zeitpunkt, von dem ab der Gläubiger die geschuldete Leistung verlangen kann. "Haben die Parteien eine Zeit bestimmt, ist gemäß § 271 Abs. 2 BGB im Zweifel anzunehmen, dass der Gläubiger die Leistung nicht vor dieser Zeit verlangen, der Schuldner sie aber vorher bewirken kann."[3] Die Fälligkeit einer Verbindlichkeit sagt aus, wann Liquidität aus dem Unternehmen abfließt. Daher sind hierüber von Kapital- und KapCo-Gesellschaften im Anhang Angaben zu machen (Rz. 120 ff.).

[1] Bertram/Kessler/Müller, Haufe HGB Bilanz Kommentar, 10. Aufl. 2019, § 247 HGB Rz. 113.
[2] BGH, Urteil v. 28.1.1991, II ZR 20/90, NJW 1991 S. 1890 ff.
[3] BGH, Urteil v. 11.12.2013, IV ZR 46/13, NJW 2014 S. 847 ff.

2.1.1 Einreden

2.1.1.1 Zerstörende Einreden

 

Rz. 4

Kann der Kaufmann eine dauernde Einrede (im Gegensatz zu zeitlich befristeten Einreden) erheben, z. B. die Einrede der Verjährung gemäß § 214 Abs. 1 BGB, so ist zu unterscheiden:[1]

  • Der Kaufmann hat die Einrede erhoben und will auch in Zukunft die Zahlung verweigern: Die verjährte Verbindlichkeit ist auszubuchen.[2]
  • Grundsätzlich kommt es nicht darauf an, ob z. B. die Einrede der Verjährung erhoben wurde.[3]

    1. Allerdings ist eine Passivierung der Verbindlichkeit weiterhin beizubehalten (faktischer Leistungszwang) , wenn von der Unentziehbarkeit der Leistungsverpflichtung aus wirtschaftlichen Gründen ausgegangen werden kann und mit der Inanspruchnahme zu rechnen ist.[4]
    2. Ist anzunehmen, dass der Kaufmann sich auf die Verjährung berufen wird, darf die Verbindlichkeit nicht mehr passiviert werden.
 
Praxis-Beispiel

Der Anspruch des Gläubigers ist verjährt und der Kaufmann beabsichtigt, die Einrede der Verjährung zu erheben. Die Einrede der Verjährung ist eine zerstörende Einrede. Da der Kaufmann sie erheben will, ist die Verbindlichkeit nicht (mehr) auszuweisen und muss ausgebucht werden.

[1] Schubert, in Grottel u. a., Beck'scher Bilanz-Kommentar, 13. Aufl. 2022, § 247 HGB Rz. 182.
[3] Schubert, in Grottel u. a., Beck'scher Bilanz-Kommentar, 13. Aufl. 2022, § 247 HGB Rz. 182.
[4] Vgl. Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl. 1995-2000, § 246 HGB Rz. 112.

2.1.1.2 Aufschiebende Einrede

 

Rz. 5

Steht dem Kaufmann nur eine aufschiebende Einrede (temporäre, dilatorische, verzögernde Einrede) zu, z. B. die Einrede des nicht erfüllten Vertrags[1], die Einrede des Zurückbehaltungsrechts[2] oder die Einrede der Stundung, wird hierdurch wirtschaftlich nur die Fälligkeit der Leistung hinausgeschoben. Die Leistung ist also dem Grunde nach ebenso erzwingbar wie eine noch nicht fällige Leistung, die Verbindlichkeit muss passiviert werden.[3]

Es handelt sich um ein schwebendes Geschäft. Solange die Hauptleistung aus einem schwebenden Geschäft noch nicht erbracht ist, hier die Lieferung der Waren durch den Lieferanten, sind Ansprüche und Verbindlichkeiten in der Bilanz der Vertragsparteien nicht anzusetzen.[4]

Die Einrede kann zusätzlich noch bei der Bewertung der Verbindlichkeit zu berücksichtigen sein. Z. B. die Einrede der Vorausklage beim Bürgen.[5] Zunächst wird die Fälligkeit bis zur Erhebung der Vorausklage aufgeschoben. Ferner muss ein Bürge, der wirksam die Einrede der Vorausklage erhoben hat, die Schuld nur in Höhe des Betrags ausweisen, mit dem der Hauptschuldner auszufallen droht.

[3] Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl. 1995-2000, § 246 HGB Rz. 111.
[4] IDW, WP Handbuch, 17. Aufl. 2021, Kap. F Rz. 38 und Kap F Rz. 1034.
[5] § 771 BGB,

Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Auflage 1995-2000, § 246 HGB Rz. 111.

2.1.2 Bedingungen

2.1.2.1 Aufschiebende Bedingung

 

Rz. 6

Die Passivierung einer Verbindlichkeit unter einer aufschiebenden Bedingung[1] erfolgt erst mit dem Eintritt der Bedingung. Sind aber die künftigen Ausgaben bereits wirtschaftlich verursacht und ist der Eintritt der Bedingung hinreichend wahrscheinlich, ist handelsrechtlich eine Rückstellung zu bilden.[2]

Ist eine Verbindlichkeit nur zu erfüllen, soweit künftig Einnahmen oder Gewinne anfallen, so ist sie steuerrechtlich erst anzusetzen, wenn die Einnahmen oder Gewinne angefallen sind.[3] Sind Einnahmen oder Gewinne angefallen und ist die Höhe der Zahlung bekannt, ist eine Verbindlichkeit anzusetzen.[4] Ist die Höhe unbekannt, ist eine Rückstellung f...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge