Rz. 1120

Eine Haftung von Organmitgliedern gegenüber Gläubigern kommt nach spezialgesetzlichen Normen und aufgrund der allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätze in Betracht

  • gem. § 69 AO für die vorsätzliche oder grob fahrlässige Nichterfüllung der Steuerverpflichtungen der GmbH;
  • gem. § 311 Abs. 3 BGB, wenn das Organmitglied als Vertreter der Gesellschaft besonderes Vertrauen in Anspruch nimmt;
  • bei deliktischem Handeln gem. § 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB i. V. m. einem Schutzgesetz[1], § 826 BGB[2], z. B. bei Verstößen die Pflicht zur Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen (§ 266a StGB);[3]
  • bei Wettbewerbsverstößen und Schutzrechtsverletzungen, wenn das Organmitglied selbst Störer ist;
  • bei der Verletzung von Schutzrechten Dritter: Dafür haften Geschäftsführer neben der Gesellschaft persönlich im Außenverhältnis (also gegenüber dem Schutzrechtsinhaber), wenn sie Kenntnis von der Schutzrechtsverletzung erlangen und nicht alles ihnen tatsächlich und rechtlich Mögliche unternehmen, um die Verletzung in Zukunft zu verhindern; dies gilt nach obergerichtlicher Rechtsprechung auch für den Geschäftsführer, der nach der internen Ressortverteilung an sich für die Produktion und den Vertrieb der schutzrechtsverletzenden Produkte gar nicht zuständig war.[4]
 

Rz. 1121

Der BGH[5] hat unter folgenden Voraussetzungen die Haftung von Vorstandsmitgliedern einer nicht börsennotierten AG gegenüber Kapitalanlegern bejaht: "Treten organschaftliche Vertreter einer kapitalsuchenden Gesellschaft Anlageinteressenten persönlich mit dem Anspruch gegenüber, sie über die für eine Anlageentscheidung wesentlichen Umstände zu informieren, so haften sie für die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit ihrer Angaben nach den Grundsätzen des Verschuldens bei Vertragsschluss (c.i.c.).". Dasselbe wird auch für eine persönliche Haftung eines GmbH-Geschäftsführers gegenüber Gläubigern gelten müssen.[6]

 

Rz. 1122

Eine dem § 93 Abs. 5 AktG vergleichbare Regelung, nach der im Falle der Zahlungsunfähigkeit der GmbH ein auf grob pflichtwidrigem Organhandeln beruhender Schaden der Gesellschaft durch die Gläubiger selbst gegenüber dem Geschäftsführer geltend gemacht werden könnte, besteht im GmbHG hingegen nicht.[7] Allerdings besteht immer die Möglichkeit, dass die Gläubiger einen Titel gegen die GmbH erwirken und den Anspruch der Gesellschaft gegen den Geschäftsführer pfänden und sich zur Einziehung überweisen lassen.

[1] Die ganz h. M. sieht § 43 GmbHG nicht als Schutzgesetz i. S. d. § 823 Abs. 2 BGB an; siehe nur: Zöllner/Noack, in Baumbach/Hueck, § 43 Rn. 79; BGH Urteil v. 13.4.1994, II ZR 16/93, GmbHR 1994 S. 390 ff.; dasselbe gilt für § 93 AktG: Spindler, in MüKo-AktG, § 93 Rn. 346.
[2] Z. B. BGH, Urteil v. 30.11.1978, II ZR 204/76, NJW 1979 S. 2104 (sittenwidrige Gläubigerschädigung durch GF einer unterkapitalisierten Gesellschaft); mit weiteren Beispielen: Zöllner/Noack, in Baumbach/Hueck, § 43 Rn. 86.
[3] Siehe hierzu auch Rn.; beachte BGH, Beschluss v. 14.7.2008, II ZR 238/07, DStR 2008 S. 2169 f. = GmbHR 2008 S. 1217 f.: Der wegen Vorenthaltung von Arbeitnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung schadensersatzpflichtige Geschäftsführer einer GmbH (§ 823 Abs. 2 BGB i. V. m. §§ 266a Abs. 1, 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB) haftet nicht für Säumniszuschläge gem. § 24 Abs. 1 SGB IV. Diese Vorschrift ist kein Schutzgesetz i. S. d. § 823 Abs. 2 BGB.
[5] BGH, Urteil v. 2.6.2008, II ZR 210/06, NZG 2008 S. 661 = AG 2008 S. 662 (zur AG); Kritik an dieser Entscheidung u. a. von Fleischer, NJW 2009, S. 2337, 2341: Aus der Entscheidung des BGH folge eine Haftung der Vorstandsmitglieder schon für leichteste Fahrlässigkeit, was die Haftungsbegrenzung der spezialgesetzlichen Prospekthaftung (§ 45 Abs. 1 BörsG, 13 VerkProspG) auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit unterlaufe.
[6] U. H. Schneider in Scholz, § 43 Rn. 316.
[7] Vgl. zum Grundsatz der Innenhaftung Fleischer, in MüKo-GmbHG, § 52 Rn. 339 f.; Abzulehnen ist die Auffassung, die aktienrechtlichen Bestimmungen hier analog anzuwenden, so z. B. Paefgen, AG 2014, S. 554, 576; Um derartige, unmittelbare Ansprüche zu begründen, ist ein Tätigwerden des Gesetzgebers erforderlich.

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