Rz. 914

Über die Mindestkompetenz "Überwachung der Geschäftsführung" hinaus, können dem fakultativen Aufsichtsorgan weitere Funktionen und Kompetenzen übertragen werden, und zwar im Ergebnis alle Funktionen und Entscheidungskompetenzen, die nach dem gesetzlichen Regelstatut den Gesellschaftern zustehen, z. B.[1]:

  • Zuständigkeit zur Bestellung und Abberufung von Geschäftsführern[2] und zum Abschluss, Änderung und Kündigung von Dienstverträgen mit diesen;
  • Weisungsbefugnis gegenüber Geschäftsführern;
  • Vertretung gegenüber den Geschäftsführern;
  • Feststellung des Jahresabschlusses;
  • Einflussnahme auf die Geschäftsführung durch Verabschiedung eines Kataloges zustimmungspflichtiger Maßnahmen zugunsten des beratenden Beirates;
  • Übertragung der Funktion des Schlichters, Vermittlers oder gar des Schiedsrichters bei Uneinigkeit (Pattsituationen) zwischen den Gesellschaftern,
 

Rz. 915

Die Möglichkeit der Zuweisung von Aufgaben an das Aufsichtsorgan findet erst dort ihre Grenzen, wo Aufgaben einem anderen Organ zwingend zugeordnet sind:[3]

Beispiele zwingender Zuständigkeiten des Geschäftsführers:

  • Vertretungsbefugnis gem. § 35 Abs. 1 GmbHG;
  • Handelsregisteranmeldungen;
  • Aufstellung des Jahresabschlusses.
  • Stellung des Insolvenzantrages

Beispiele zwingender Zuständigkeiten der Gesellschafterversammlung:

  • Gesellschaftsvertragsänderungen gem. § 53 Abs. 2 GmbHG;
  • Beschlüsse über den Abschluss von Unternehmensverträgen;
  • Umwandlungsbeschlüsse.

Ergänzend sind die dem Aufsichtsrat im Aktiengesetz zugewiesenen Funktionen und Kompetenzen eine gute Ausgangsbasis für Überlegungen, welche Rechte im konkreten Fall auf das Aufsichtsorgan übertragen werden sollen.

 

Rz. 916

In diesem Zusammenhang stellt sich dann die weitere Frage, ob und inwieweit die Gesellschafterversammlung Kompetenzen konkurrierend oder verdrängend auf das fakultative Aufsichtsorgan verlagert: Bei der konkurrierenden Verlagerung bleibt die Gesellschafterversammlung neben dem Aufsichtsorgan entscheidungsbefugt; in diesem Fall sollten die Gesellschafter klarstellend bestimmen, ob das Prioritätsprinzip gelten soll (maßgeblich ist die Entscheidung desjenigen Organs, das zuerst entscheidet), oder ob die Gesellschafterversammlung berechtigt sein soll, eine vom Aufsichtsorgan getroffene Entscheidung abzuändern. Bei der verdrängenden Kompetenzverlagerung ist die Gesellschafterversammlung von einer eigenen Entscheidung ausgeschlossen.[4]

[1] Vgl. auch Kautzsch, in Römermann, MAH GmbH-Recht, § 18 Rn. 31; Diekmann, in MüHaGesR, Band 3, § 49 Rn. 13.
[2] Die Zuständigkeit zur Abberufung aus wichtigem Grund kann der Gesellschafterversammlung allerdings nicht entzogen werden.
[3] Vgl. hierzu (auch zu nachfolgenden Beispielen): Diekmann, in MüHaGesR, Band 3, § 49 Rn. 14 ff.
[4] Siehe Liebscher, in MüKo-GmbHG, § 45 Rn. 93 ff.

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