Rz. 903

Zentrale Aufgabe und gleichzeitig Mindestkompetenz eines Aufsichtsrats, der diese Bezeichnung verdient, und eines aufsichtsratsähnlichen Beirats, auf den § 52 Abs. 1 GmbHG analog Anwendung findet, ist die Überwachung der Geschäftsführung (siehe Rn. 891: "Ohne Überwachung kein Aufsichtsrat, sondern ein (beratender) Beirat"). Der in § 52 Abs. 1 GmbHG normierte Vorbehalt anderweitiger gesellschaftsvertraglicher Regelungen ist insoweit auf die Ausgestaltung der Überwachung beschränkt, sodass nur die Ausgestaltung zur Disposition der Gesellschafter steht, die Überwachungspflicht und -kompetenz selbst jedoch nicht vollständig abbedungen werden kann, denn letzteres stünde im Widerspruch zur Funktion des Organs.[1]

Die Überwachung der Geschäftsführung umfasst die

  • Rechtmäßigkeit,
  • Ordnungsmäßigkeit,
  • Wirtschaftlichkeit und
  • Zweckmäßigkeit

der Geschäftsführung.[2]

 

Rz. 904

Aufgrund der Struktur der GmbH, in der die Gesellschafterversammlung auch bei Einrichtung eines eigenen Aufsichtsorgans oberstes Organ bleibt, unterliegen solche Geschäftsführungsmaßnahmen, die durch die Gesellschafterversammlung wahrgenommen, von dieser angewiesen oder genehmigt werden, nicht der Überwachung durch den Aufsichtsrat. So kann der Aufsichtsrat/Beirat bei einer Geschäftsführungsmaßnahme, die auf der Befolgung einer Weisung der Gesellschafterversammlung beruht, lediglich die konkrete Ausführung durch die Geschäftsführer, nicht jedoch die zugrundeliegende Weisung überprüft werden.Schon gar nicht sind solche Geschäftsführungsmaßnahmen, die die Gesellschafterversammlung eigenständig wahrnimmt (s. dazu Rn. 704), von der Überwachungskompetenz des Aufsichtsrats/Beirats erfasst.

 

Rz. 905

Intensität und Umfang der Überwachungspflichten sind einerseits davon abhängig, wie risikoreich die Geschäfte des Unternehmens sind, und andererseits davon, in welcher wirtschaftlichen Situation sich die GmbH jeweils befindet: In Krisenzeiten erhöhen sich Intensität und Umfang der Überwachungspflichten des Aufsichtsorgans.[3] Damit das Aufsichtsorgan seinen Überwachungspflichten nachkommen kann, muss es sich "ein genaues Bild von der wirtschaftlichen Situation der Gesellschaft verschaffen und insbesondere in einer Krisensituation alle ihm nach (§ 52 Abs. 1 GmbHG i. V. m.) §§ 90 Abs. 3, 111 Abs. 2 AktG zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen ausschöpfen."[4] Bei Geschäften, die wegen ihres Umfangs, der Risiken oder ihrer strategischen Funktion für die Gesellschaft besonders bedeutsam sind, muss jedes Mitglied des Aufsichtsorgans den Sachverhalt selbst erfassen und eine eigene Risikoanalyse anstellen, um sich ein eigenes Urteil zu bilden.[5]

 

Rz. 906

Zu überwachen sind nicht nur die von der Geschäftsführung selbst geplanten und vorgenommenen Maßnahmen, sondern auch solche, die von der Geschäftsführung auf andere, z. B. Mitarbeiter der GmbH oder einen Ausschuss, delegiert werden.[6]

 

Rz. 907

Die Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Geschäftsführung bezieht sich auf die Einhaltung aller einschlägigen Gesetze, Verordnungen und sonstigen Vorschriften (angefangen mit dem GmbHG, über das Kartellrecht, Wettbewerbsrecht, das Vergaberecht, das Datenschutzrecht, Steuerrecht bis zu den Vorschriften des Außenwirtschaftsrechts etc.; s. dazu Rn. 866 ff. Compliance-Pflichten der Geschäftsführung)[7] sowie der Vorgaben, die sich für die Geschäftsführung aus dem Gesellschaftsvertrag der Gesellschaft, einer Geschäftsordnung, Beschlüssen der Gesellschafter und des Aufsichtsorgans sowie dem Geschäftsführeranstellungsvertrag ergeben.

 

Rz. 908

Die Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführung hat das Aufsichtsorgan darauf zu überwachen, ob die Geschäftsführung eine der Gesellschaft entsprechende und angemessene Organisation des Unternehmens eingerichtet hat.[8] Hierzu gehört auch ein sachgerechtes RisikoMFrüherkennungssystem (Überwachungssystem), mit dem Entwicklungen, die den Fortbestand der Gesellschaft gefährden können, rechtzeitig erkannt werden (s. dazu Rn. 880 "Risikofrüherkennung"),[9] und ggf. die Einrichtung und sachgerechte Durchführung eines Risikomanagement-Systems (s. dazu Rn. 881).

 

Rz. 909

Von maßgeblicher Bedeutung ist schließlich die Aufgabe des Aufsichtsorgans, die Geschäftsführer hinsichtlich der Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit ihrer Geschäftsführung zu überwachen. Das Aufsichtsorgan muss sicherstellen, dass die Geschäftsführung im Rahmen des Unternehmensgegenstandes tätig wird und die für kurz-, mittel- und langfristig verfolgten Unternehmensziele erforderlichen Entscheidungen trifft und umsetzt und dabei unangemessene Risiken vermeidet.[10]

 

Rz. 910

In zeitlicher Hinsicht[11] umfasst die Überwachungstätigkeit des Aufsichtsorgans

  • die nachwirkende (reaktive) Kontrolle, also z. B. die Prüfung, ob sich Geschäftsführungsmitglieder bei ihrer Tätigkeit gegenüber der GmbH schadensersatzpflichtig gemacht haben;[12]
  • die begleitende Überwachung, in deren Rahmen sich das Aufsichtsorgan über die Tätigkeit der Geschäftsführung, ihrer Geschäftspolitik und Entwicklung des Unternehmens auf dem L...

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