Rz. 729

Nach § 37 Abs. 2 GmbHG kann der Umfang der Vertretungsmacht nach außen nicht beschränkt werden. Diese Regelung ist vor dem Hintergrund von Art. 9 Abs. 1 und 2 der "Richtlinie (EU) 2017/1132 v. 14.6.2017 über bestimmte Aspekte des Gesellschaftsrechts" (GesRL) bzw. der durch die GesRL abgelösten Vorgängerrichtlinie (Richtlinie (EU) 2009/101/EG v. 16.9.2009 – "Publizitätsrichtlinie"/PubLR, dort Art. 10; davor Richtlinie 68/151/EWG v. 9.3.1968, dort Art. 9) auszulegen. Art. 9 Abs. 1 und 2 GesRL lautet:

Zitat

(1) Die Gesellschaft wird Dritten gegenüber durch Handlungen ihrer Organe verpflichtet, selbst wenn die Handlungen nicht zum Gegenstand des Unternehmens gehören, es sei denn, dass diese Handlungen die Befugnisse überschreiten, die nach dem Gesetz diesen Organen zugewiesen sind oder zugewiesen werden können. Für Handlungen, die den Rahmen des Gegenstands des Unternehmens überschreiten, können die Mitgliedstaaten jedoch vorsehen, dass die Gesellschaft nicht verpflichtet wird, wenn sie beweist, dass dem Dritten bekannt war, dass die Handlung den Unternehmensgegenstand überschritt, oder dass er darüber nach den Umständen nicht in Unkenntnis sein konnte. Allein die Bekanntmachung der Satzung reicht zu diesem Beweis nicht aus.

(2) Satzungsmäßige oder auf einem Beschluss der zuständigen Organe beruhende Beschränkungen der Befugnisse der Organe der Gesellschaft können Dritten nicht entgegengesetzt werden, auch dann nicht, wenn sie bekannt gemacht worden sind.

Welche Rechtsfolgen sich im Außenverhältnis im Falle eines Überschreitens oder eines Missbrauchs der Vertretungsbefugnis ergeben, ist – je nach Fallkonstellation – umstritten. Zu differenzieren ist insoweit zwischen folgenden Fallgruppen:

(1) Kollusives (vorsätzliches) Zusammenwirken zwischen dem GmbH Geschäftsführer und dem Geschäftsgegner zum Nachteil der Gesellschaft.
(2) Handeln zum Nachteil der Gesellschaft ohne kollusives Zusammenwirken.
(3)

Überschreiten der Kompetenzbefugnis ohne Schädigungsabsicht

(a) bei Geschäften zwischen GmbH (vertreten durch den Geschäftsführer) und einem Gesellschafter,
(b) bei Geschäften mit Dritten, die vom Unternehmensgegenstand nicht gedeckt sind,
(c) bei Geschäften mit Dritten, für die satzungsmäßige oder auf einem Beschluss der zuständigen Organe beruhende Beschränkungen missachtet werden.
(4) Insichgeschäfte gem. § 181 BGB.
 

Rz. 730

Die erste Fallgruppe liegt vor, wenn der GmbH-Geschäftsführer und der Geschäftsgegner vorsätzlich zusammenwirken, um die GmbH zu schädigen. In Rechtsprechung und Literatur besteht für diese Fallgruppe Einigkeit darüber, dass ein derartiges zwischen dem GmbH-Geschäftsführer und dem Geschäftsgegner zum Nachteil der GmbH geschlossenes Geschäft sittenwidrig (§ 138 Abs. 1 BGB) und daher nichtig ist.[1] Insoweit hat der EuGH[2] entschieden, dass Art. 9 der Richtlinie 68/151/EWG (jetzt Art. 9 GesRL) einzelstaatlichen Regelungen für Fälle, bei denen der GmbH-Geschäftsführer mit einem dem Geschäftsgegner bekannten Interessenkonflikt handelt, nicht entgegensteht. Erst recht muss dies für den Fall kollusiven Zusammenwirkens zum Nachteil der GmbH gelten. Ein solcher Fall liegt auch vor, wenn GmbH-Geschäftsführer oder Geschäftsgegner einen arglosen Untervertreter als Bevollmächtigten einschalten.[3]

 

Rz. 731

Welche Voraussetzungen im Einzelnen für die zweite Fallgruppe vorliegen müssen, also für die Fälle, in denen es zwar an einem arglistigen Zusammenwirken zwischen GmbH-Geschäftsführer und Geschäftsgegner fehlt, aber dennoch die Gesellschaft befugt sein soll, sich wegen rechtsmissbräuchlichen Verhaltens auf die Unwirksamkeit des Geschäfts zu berufen, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten. Teils wird für den Geschäftsgegner erkennbarer Schädigungsvorsatz des GmbH-Geschäftsführers verlangt; teils wird auf den Schädigungsvorsatz des GmbH-Geschäftsführers verzichtet und als ausreichend angesehen, dass das Geschäft objektiv für die GmbH nachteilig und dies dem Dritten bekannt ist oder sich ihm "geradezu aufdrängen muss"/evident ist.[4] Gegen letztere Auffassung wird zu Recht eingewandt, dass es nicht Aufgabe des Vertragsgegners sein könne, darüber zu entscheiden, ob das Rechtsgeschäft für den Vertragspartner (also die GmbH) nachteilig ist.[5] Teils wird auf den "durch subjektive Elemente geleiteten Fehlgebrauch der Funktion" des GmbH-Geschäftsführers abgestellt,[6] während die Gegenmeinung hervorhebt, dass es nicht um den Missbrauch der Vertretungsmacht des GmbH-Geschäftsführers, sondern um "Rechtsmissbrauch auf Seiten des Geschäftspartners", also um die Frage gehe, unter welchen Voraussetzungen dieser rechtsmissbräuchlich handle und sich deshalb nicht auf die Wirksamkeit des Vertrages berufen könne.[7] Richtigerweise ist darauf abzustellen, dass der GmbH-Geschäftsführer in Schädigungsabsicht handelt und dies für den Geschäftsgegner erkennbar ist; nur dann wird vermieden, dass einerseits das Risiko für die GmbH nachteiliger Entscheidungen auf den Geschäftspartner verlagert wird[8] und andererseits der ...

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