Rz. 715

Hat die GmbH mehrere Geschäftsführer, so steht ihnen die Geschäftsführungsbefugnis grundsätzlich nur gemeinschaftlich zu (Grundsatz der Gesamtgeschäftsführung). Mangels abweichender Regelungen (vgl. dazu nachstehend) bedürfen Geschäftsführungsmaßnahmen einstimmiger Geschäftsführungsbeschlüsse.[1]

 

Rz. 716

Abweichende Regelungen zum Grundsatz der Gesamtgeschäftsführung können in der Weise getroffen werden, dass Einzelgeschäftsführungsbefugnis verliehen wird, für bestimmte oder alle Geschäftsführungsmaßnahmen Mehrheitsentscheidungen der Geschäftsführer (statt einstimmiger Geschäftsführungsbeschlüsse) vorgesehen werden oder eine Geschäftsverteilung/Ressortaufteilung unter den Geschäftsführern bestimmt wird. Die Befugnis, vom Grundsatz der Gesamtgeschäftsführung abweichende Regelungen zu treffen, liegt grundsätzlich bei den Gesellschaftern; soweit der Gesellschaftsvertrag dazu nicht bindend etwas anderes bestimmt, können die Gesellschafter derartige abweichende Regelungen durch mit einfacher Mehrheit zu fassenden Gesellschafterbeschluss treffen, z. B. eine Geschäftsordnung für die Geschäftsführung erlassen.[2]

 

Rz. 717

Ob dann, wenn der Gesellschaftsvertrag oder ein Gesellschafterbeschluss insoweit keine entgegenstehenden Regelungen vorgibt, die Geschäftsführer sich selbst eine Geschäftsordnung geben können, ist umstritten.[3] Für eine derartige Befugnis spricht das allgemein anerkannte Recht der Verwaltung auf Selbstorganisation, also der Grundsatz, dass jedes Kollegialorgan selbst über seine Geschäftsordnung entscheiden kann.[4] Teilweise wird aus § 43 Abs. 1 GmbHG ab einer entsprechenden Größe des Unternehmens und/oder des Geschäftsführungsorgans sogar die Pflicht abgeleitet, sich eine Geschäftsordnung zu geben.[5] Bejaht man mit der herrschenden Meinung hierfür die Kompetenz der Geschäftsführer, bedarf ihr Beschluss der Einstimmigkeit.[6] Eine besondere Form (z. B. Schriftform) ist für einen derartigen Beschluss nicht erforderlich; eine schriftliche Dokumentation ist aber dann geboten, wenn ohne eine derartige schriftliche Dokumentation "den Geboten der Klarheit und Eindeutigkeit der Aufgabenverteilung im Hinblick auf die konkreten Verhältnisse der Gesellschaft oder die Art der Verteilung der Geschäfte bzw. Aufteilung der Ressorts nicht genügend Rechnung getragen werden kann".[7]

 

Rz. 718

Die Aufgabenverteilung unter den Geschäftsführern muss nicht zwingend ausdrücklich vereinbart werden. Eine bloß faktische oder stillschweigend vorgenommene Aufteilung reicht aus[8], ist aber einerseits wegen der Gefahr von Missverständnissen über die konkrete Abgrenzung der Geschäftsführungsaufgaben und andererseits wegen des im Haftungsfall erforderlichen Nachweises, dass "eine klare und eindeutige Abgrenzung der Geschäftsführungsaufgaben" tatsächlich erfolgt ist, angesichts der damit für die einzelnen Geschäftsführern verbundenen Haftungsrisiken nicht empfehlenswert.

 

Rz. 719

Je nach Art und Größe des Unternehmens sind unterschiedliche Formen der Geschäftsverteilung denkbar und sinnvoll: Z. B. die funktionale Ressortverteilung, etwa die "klassische" Aufteilung in einen kaufmännischen Bereich und einen technischen Bereich oder Zuständigkeiten, die sich an den verschiedenen Stufen der Wertschöpfung orientieren (z. B. Forschung und Entwicklung, Einkauf, Produktion, Vertrieb) oder die Aufteilung in Sparten (z. B. Investitionsgüter, Konsumgüter, Dienstleistungen) oder eine regionale Aufteilung. Häufig findet man auch Kombinationen dieser Aufteilungsmodelle.[9]

 

Rz. 720

Zu beachten ist, dass einige Aufgaben zwingend der Gesamtgeschäftsführung unterliegen, hier also ein Geschäftsverteilungsverbot besteht. Dies betrifft insbesondere die Erfüllung solcher Aufgaben, die das Gesetz ausdrücklich den Geschäftsführern in ihrer Gesamtheit auferlegt, z. B. die Insolvenzantragspflicht, die Erfüllung der sich aus § 64 GmbHG ergebenden Pflichten (grundsätzliches Verbot von Zahlungen nach Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung; Verbot von Zahlungen an Gesellschafter, die zur Zahlungsunfähigkeit führen müssen)[10], Handelsregisteranmeldungen gem. § 78, 2. HS GmbHG, bestimmte steuerliche Pflichten[11] sowie Buchführung, Bilanzierung und Abschlussaufstellung.[12] Das Verbot der Geschäftsverteilung auf einzelne Geschäftsführer gilt darüber hinaus auch für Angelegenheiten, die für die Gesellschaft von grundlegender Bedeutung sind, etwa die Gestaltung der Geschäftspolitik oder der grundlegenden Organisationsstruktur; hier können auf einzelne Geschäftsführer allenfalls vorbereitende Aufgaben delegiert werden.[13] Auch dann, wenn die Gesellschaft in eine Krise oder eine sonstige Ausnahmesituation gerät, die nur ressortübergreifend bewältigt werden kann, muss die Geschäftsführung in ihrer Gesamtheit agieren.[14]

 

Rz. 721

Eine Ressortaufteilung befreit die einzelnen Geschäftsführer nicht gänzlich von ihrer Gesamtverantwortung auch für die anderen, ihnen nicht zugeordneten Geschäftsbereiche: Sie müssen die ressortbezogenen Tätigkeiten ihrer Mitgeschäftsfü...

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