Rz. 698

Fehler bei der Bestellung von Geschäftsführungsmitgliedern haben – je nach Natur und Schwere des Fehlers – unterschiedliche Rechtsfolgen. Denkbar ist insoweit z. B., dass der Geschäftsführer die Bestellung nicht angenommen hat, der seiner Bestellung zugrunde liegende Beschluss nichtig bzw. rechtskräftig für nichtig erklärt wurde oder bei der Bestellung gesetzliche Erfordernisse und Ausschlüsse missachtet wurden.[1] In Betracht kommen außerdem in der Person des Geschäftsführers begründete Wirksamkeitsvoraussetzungen oder Ausschlussgründe (z. B. fehlende Geschäftsfähigkeit oder Inhabilitätsgründe). Bezüglich der Rechtsfolgen wird differenziert: Einigkeit besteht in Rechtsprechung und Literatur darin, dass geschäftsunfähige Personen generell nicht als Vertreter und damit auch nicht als Geschäftsführer einer GmbH in Betracht kommen. Die von ihnen abgegebenen Willenserklärungen sind nach § 105 BGB unheilbar nichtig. Die Grundsätze der fehlerhaften Organstellung (s. dazu nachstehend) sind unanwendbar.[2] Nach h. M. gilt das Gleiche für beschränkt Geschäftsfähige, für die nach § 6 Abs. 2 Satz 1 GmbHG ein Bestellungsverbot besteht, sowie für Personen, für die ein gesetzlicher Ausschlussgrund (z. B. Berufsverbot oder Verurteilung wegen Insolvenz- oder Unternehmensstraftaten, § 6 Abs. 2 Satz 2 und 3 GmbHG) gilt; in diesen Fällen des Verstoßes der Bestellung gegen gesetzliche Ausschlussgründe liegt gleichzeitig ein Verstoß gegen § 134 BGB vor, was zur Nichtigkeit der Bestellung führt.[3]

 

Rz. 699

In allen anderen Fällen finden die Grundsätze des fehlerhaften Bestellungsverhältnisses Anwendung, insbesondere wenn dem designierten Geschäftsführungsmitglied ein satzungsmäßiges Qualifikationsmerkmal fehlt[4] oder wenn der Bestellungsbeschluss der Gesellschafterversammlung an einem formalen Mangel leidet, z. B. die Bestellung durch eine nicht ordnungsgemäß einberufene Gesellschafterversammlung erfolgt ist. In diesen Fällen wird der fehlerhaft bestellte Geschäftsführer solange, wie er dieses Amt faktisch ausübt, wie ein fehlerfrei bestellter Geschäftsführer behandelt:

Die von ihm vorgenommenen Maßnahmen genießen im Innen- wie auch im Außenverhältnis uneingeschränkte Wirksamkeit. Anders als bei § 15 HGB und anders als nach den Grundsätzen der allgemeinen Rechtsscheinhaftung muss der Dritte im Anwendungsbereich der Grundsätze des fehlerhaften Bestellungsverhältnisses nicht gutgläubig sein; der (vertragsreuige) Dritte kann sich nicht auf die Fehlerhaftigkeit der Bestellung des Geschäftsführers berufen: Auch er ist – wie die GmbH – an den von einem fehlerhaft bestellten Geschäftsführer für die GmbH abgeschlossenen Vertrag gebunden. Auch alle von einem fehlerhaft bestellten Geschäftsführer ausgesprochenen sonstigen Erklärungen (z. B. Kündigungen) müssen die GmbH und der Rechtsverkehr als wirksam für und gegen sich gelten lassen.

 

Fehlerhaft bestellt

Das fehlerhaft bestellte Geschäftsführungsmitglied wird solange, wie es sein Amt ausübt, auch hinsichtlich seiner Pflichten, Haftung und Vergütung wie ein ordnungsgemäß bestellter Geschäftsführer behandelt. Das gilt allerdings nicht für geschäftsunfähige und beschränkt geschäftsfähige Geschäftsführer.

 

Rz. 700

Es unterliegt also uneingeschränkt den für Geschäftsführer geltenden Sorgfalts- und Treuepflichten, ist uneingeschränkt dem Unternehmenswohl verpflichtet und an alle weiteren korporativen Pflichten eines Geschäftsführers gebunden, mit der Folge, dass es für Pflichtverletzungen nach den für Geschäftsführer geltenden Grundsätzen haftet.

Aber: Im Geltungsbereich der Lehre zu fehlerhaften Bestellungsverhältnissen sind nur die in der Vergangenheit liegenden Maßnahmen, die ein fehlerhaft bestellter Geschäftsführer getroffen hat, wirksam. Das zuständige Organ kann jederzeit mit Wirkung für die Zukunft (ex nunc) das fehlerhafte Bestellungsverhältnis beenden (und ist im Zweifel dazu auch verpflichtet); erforderlich ist dafür ein Beschluss des Organs, für den bereits die Fehlerhaftigkeit der Bestellung den für eine Abberufung notwendigen wichtigen Grund begründet (sofern im Einzelfall ein wichtiger Grund für die Abberufung überhaupt erforderlich ist). Umgekehrt ist auch das betroffene Geschäftsführungsmitglied berechtigt, sein Amt niederzulegen.

[1] Kleindiek, in Lutter/Hommelhoff, vor § 35 Rn. 7; Fastrich, in Baumbach/Hueck, § 6 Rn. 33.
[2] Im Einzelnen: Schramm, in MüKo-BGB, § 165 Rn. 12 ff.
[3] OLG Frankfurt am Main, Beschluss v. 11.7.2011, 20 W 246/11, GmbHR 2011 S. 1156, 1157; OLG Hamm, Beschluss v. 29.12.2010, 15 W 659/10, ZIP 2011 S. 527; Koch, in Hüffer/Koch, AktG, § 76, Rn. 62; differenzierend u. a. Bayer/Lieder, NZG 2012, S. 1, 4.
[4] Ganz h. M.: Altmeppen, in Roth/Altmeppen, GmbHG, § 6 Rn. 45; Goette, in MüKo-GmbHG, § 6 Rn. 47; Bayer/Lieder, NZG 2012, S. 1, 4.

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