Rz. 819

Nach § 626 Abs. 2 BGB ist die fristlose Kündigung eines Dienstvertrages nur dann wirksam, wenn sie dem Geschäftsführungsmitglied innerhalb von zwei Wochen ab Kenntnis des für die Kündigung zuständigen Organs von den Kündigungsgründen zugeht. "Kenntnis von den Kündigungsgründen" setzt voraus, dass alle Informationen vorliegen, die Ausmaß und Tragweite der Kündigungsgründe in einer Weise erkennen lassen, die das Organ in die Lage versetzen, die Kündigungsentscheidung zu treffen.[1] Kennenmüssen oder grob fahrlässig Unkenntnis genügt nicht.[2] Auch die erforderlichen Beweismittel müssen vorliegen.[3] Das Organ "kann bis zur Grenze, die ein verständig handelnder Arbeitgeber (…) beachten würde, Ermittlungen anstellen und den Betroffenen oder Zeugen anhören, ohne dass die Frist zu laufen beginnt."[4] Ist eine weitere Aufklärung des Sachverhalts erforderlich, muss diese aber mit der gebotenen Eile durchgeführt werden.[5] Im Streitfall muss das jeweilige Organ darlegen, welche Tatsachenbehauptungen unklar und daher ermittlungsbedürftig waren und welche weiteren Ermittlungen angestellt wurden.[6]

 

Rz. 820

Für die "Kenntnis von den Kündigungsgründen" kommt es nach nunmehr gefestigter Rechtsprechung des BGH auf die Kenntnis der Gesellschafter bzw. Aufsichtsrats-/Beiratsmitglieder als Gremium an.[7] Die Kenntnis einzelner Mitglieder[8] oder die außerhalb einer Gesellschafter-/Aufsichtsrats-/Beiratssitzung erlangte Kenntnis aller Mitglieder[9] setzt die Zweiwochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB noch nicht in Gang. Erhält ein Mitglied von Sachverhalten Kenntnis, die eine fristlose Kündigung des Dienstvertrages eines Geschäftsführungsmitglieds rechtfertigen können, ist diese Kenntnis dem jeweiligen Gremium als Plenum ab dem Zeitpunkt zuzurechnen, in dem unter Berücksichtigung einer – wegen der Eilbedürftigkeit kurz zu bemessenden – Einberufungsfrist das Gremium über die Kündigung Beschluss fassen könnte.[10]

 

Kenntnis von Kündigungsgründen

Erlangt ein Mitglied des für die Abberufung zuständigen Organs Kenntnis von Sachverhalten, die die fristlose Kündigung des Dienstvertrages eines Geschäftsführungsmitglieds rechtfertigen, muss es unverzüglich – mit möglichst kurz bemessener Frist – eine Sitzung bzw. Versammlung einberufen. Ist es nicht zur Einberufung berechtigt, so muss es den zur Einberufung Berechtigten unverzüglich in Kenntnis setzen und eine umgehende Einberufung zur Beschlussfassung anregen. Etwa noch erforderliche Sachverhaltsaufklärungen müssen unverzüglich durchgeführt werden.

 

Rz. 821

Für Dauerdelikte gilt bezüglich der Zwei-Wochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB: Die Frist beginnt nicht vor Beendigung des zur Kündigung berechtigenden Zustandes. Bei zusammenfassbarem Gesamtverhalten genügt es, wenn der letzte zur Kündigung berechtigende Vorfall in die Zwei-Wochenfrist fällt.[11]

[3] BAG, Urteil v. 17.3.2005, 2 AZR 245/04, NZA 2006 S. 101; Weidenkaff, in Palandt, BGB, § 626 Rn. 23.
[8] Tebben, in Michalski § 6 Rn. 238; BGH, Urteil v. 15.6.1998, II ZR 318/96, NZG 1998 S. 634; BGH Urteil v. 10.9.2001, II ZR 14/00; BGH, Urteil v. 26.11.1999, 14 U 9415/97, NZG 2000 S. 425; OLG Zweibrücken, Urteil v. 8.6.1999, 8 U 138/98, NZG 1999 S. 1011.
[9] BGH, Urteil v. 15.6.1998, II ZR 318/96, BGHZ 139 S. 89 = NJW 1998 S. 3274; Weidenkaff, in Palandt, BGB, § 626 Rn. 24.
[11] Weidenkaff, in Palandt, § 626 Rn. 27 m. w. N.

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