Rz. 801

Aus der "Trennungstheorie"[1] folgt, dass Dienstverträge mit Geschäftsführungsmitgliedern nicht automatisch mit dem Ende der Organstellung enden – es sei denn, der Dienstvertrag sieht ausdrücklich eine derartige Koppelung von Organstellung und Laufzeit des Dienstvertrages vor.[2] Ist dies nicht der Fall, endet der Dienstvertrag unabhängig von der Organstellung (a) mit Ablauf einer vereinbarten Befristung, (b) aufgrund ordentlicher oder außerordentlicher Kündigung seitens des zuständigen Organs oder (c) durch einvernehmliche Aufhebung des Vertragsverhältnisses.

 

Rz. 802

Eine ordentliche Kündigung des Dienstvertrages kommt nur in Betracht, wenn der Dienstvertrag nicht befristet ist oder wenn er trotz Befristung eine (vorzeitige) Beendigung durch ordentliche Kündigung vorsieht. Zu beachten ist, dass das einer Gesellschaft im Anstellungsvertrag eingeräumte Recht, den Dienstvertrag mit einem Fremd-Geschäftsführer bei Erreichen einer bestimmten Altersgrenze zu kündigen, gegen das Diskriminierungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG verstößt und damit gem. § 7 Abs. 2 AGG unwirksam ist.[3]

 

Rz. 803

Eine außerordentliche Kündigung des Geschäftsführervertrags seitens der Gesellschaft setzt voraus

  • einen wichtigen Kündigungsgrund,
  • einen wirksamen Beschluss des für die Anstellung zuständigen Organs[4] und
  • den Zugang der Kündigungserklärung bei dem betroffenen Geschäftsführungsmitglied innerhalb der Zweiwochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB.
[1] Siehe Rn. 674.
[2] Siehe Rn. 783 ff., 766.
[4] Gegebenenfalls können die restlichen Geschäftsführer zuständig sein, wenn das Anstellungsverhältnis nach der Abberufung als Geschäftsführer als reguläres Arbeitsverhältnis weitergeführt wurde, vgl. Diekmann, in MüHaGesR, Band 3, § 43 Rn. 83.

1.12.5.1 Wichtiger Kündigungsgrund

 

Rz. 804

Ein wichtiger Kündigungsgrund liegt (nur dann) vor, wenn es der Gesellschaft unzumutbar ist, das Dienstverhältnis bis zu dessen vertraglich vereinbartem Ablauf mit dem Geschäftsführungsmitglied fortzusetzen. Umstritten ist, ob die Gesellschaft mit dem Geschäftsführer im Anstellungsvertrag festlegen kann, was als wichtiger Kündigungsgrund gelten soll. Insoweit gilt das zur Zulässigkeit von Koppelungsklauseln Gesagte (Rn. 784 ff.) entsprechend: Liegt kein objektiv zur fristlosen Kündigung berechtigender Grund vor, darf die Frist für eine ordentliche Kündigung bei einem Geschäftsführer, der nicht über einen beherrschenden Anteil am Stammkapital verfügt, nach § 622 Abs. 1 und 5 BGB 4 Wochen nicht unterschreiten. Diese gesetzliche Vorgabe kann nicht dadurch ausgehebelt werden, dass im Anstellungsvertrag ein Sachverhalt zum wichtigen Grund gemacht wird, der objektiv keiner ist. Eine einschränkende Auslegung der auf einem objektiv nicht wichtigen Grund basierten außerordentlichen Kündigungsmöglichkeit dahin, dass die Beendigung erst nach Ablauf der vier-wöchigen Mindestfrist des § 622 Abs. 1 und 5 BGB eintritt, ist jedenfalls dann nicht möglich, wenn die Koppelungsklausel (ggf. von einem Dritten, z. B. in einem Formularbuch) für eine Mehrzahl von Verträgen vorformuliert wurde, so dass dann AGB vorliegen und nach § 306 BGB eine geltungserhaltende Reduktion ausscheidet.

 

Rz. 805

Eine vorherige Anhörung des Geschäftsführungsmitglieds ist vor Ausspruch der Kündigung grundsätzlich ebenso wenig erforderlich (Ausnahme: Verdachtskündigung)[1] wie eine vorherige Abmahnung.[2] Das Erfordernis der vorherigen Abmahnung ist im Arbeitsrecht zum Schutz abhängig Beschäftigter entwickelt worden. Dieser Schutzgesichtspunkt kann bei Geschäftsführungsmitgliedern nicht im Vordergrund stehen. Von ihnen ist zu erwarten, dass sie auch ohne vorherigen Hinweis durch die Gesellschafterversammlung oder ein anderes für die Kündigung zuständiges Organ ihre Pflichten kennen und sich "dem Standard eines ordentlichen Geschäftsmanns entsprechend"[3] verhalten.

 

Rz. 806

Als wichtige Gründe für eine Kündigung des Geschäftsführungsvertrags kommen die in Rn. 762 ff. genannten Abberufungsgründe mit folgenden Maßgaben in Betracht.

 

Rz. 807

Grobe Pflichtverletzung: Die in Rn. 762 aufgeführten groben Pflichtverletzungen stellen regelmäßig auch wichtige Gründe für eine Kündigung des Dienstvertrags dar.[4]

 

Rz. 808

Unfähigkeit: Die in Rn. 763 aufgeführten Sachverhalte stellen ebenfalls i. d. R. wichtige Gründe für eine Kündigung des Dienstvertrags dar.

 

Rz. 809

Zerrüttung: Anders als bei der Abberufung (Rn. 764) rechtfertigt ein schwerwiegendes und dauerhaftes Zerwürfnis zwischen Geschäftsführungsmitgliedern oder zwischen einem Geschäftsführungsmitglied und der nachgeordneten Führungsebene nur dann die Kündigung des Dienstvertrages aus wichtigem Grund, wenn das Geschäftsführungsmitglied, dessen Dienstvertrag vorzeitig gekündigt werden soll, maßgeblichen Anteil an der Zerrüttung hat.[5] Entsprechendes gilt für den Fall, dass das Vertrauensverhältnis zwischen Geschäftsführung und Aufsichtsrat zerrüttet ist.[6]

 

Rz. 810

Kündigung auf Druck Dritter: Auch hier ist – anders als bei der Abberufung (Rn. 765...

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