Leitsatz

Für die erstmalige Festsetzung der Investitionszulage besteht eine Anlaufhemmung weder nach § 170 Abs. 2 Nr. 1 noch nach § 170 Abs. 3 AO 1977. Die Anlaufhemmung nach § 170 Abs. 3 AO 1977 greift indes für die Aufhebung oder Änderung von unter dem Vorbehalt der Nachprüfung durchgeführten Festsetzungen der Investitionszulage mit der Folge ein, dass der Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 Abs. 4 Satz 1 AO 1977 nicht vor dem Ablauf der durch § 170 Abs. 3 AO 1977 verlängerten Änderungsfrist wegfällt.

 

Normenkette

§ 155 Abs. 4 AO , § 164 Abs. 2 und 4 AO , § 169 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO , § 170 Abs 1 bis 3 AO , § 44 Abs. 1 FGO , § 4 Satz 1, § 7 Abs 1 Satz 1 InvZulG 1991

 

Sachverhalt

Die Klägerin betreibt eine Apotheke im Fördergebiet. Sie beantragte mit Antrag vom 22.6. 1992 für das Kalenderjahr 1991 eine Investitionszulage in Höhe von 22 812 DM nach einer Bemessungsgrundlage von 190 096 DM. Darin enthalten waren u.a. Anschaffungskosten für eine "Küche" in Höhe von 7 500 DM und eine Einbruchmeldeanlage in Höhe von 9 600 DM.

Das FA setzte die Investitionszulage unter dem Vorbehalt der Nachprüfung mit Bescheid vom 10.7.1992 antragsgemäß fest. Im Anschluss an Beanstandungen des Landesrechnungshofs erließ das FA unter dem 18.12.1996 einen nach § 164 Abs. 2 AO geänderten Investitionszulagenbescheid und setzte die Investitionszulage für 1991 auf 20 760 DM herab. Es versagte nunmehr die Investitionszulage für die Alarmanlage (1 152 DM) und für die "Küche" (900 DM).

Hiergegen erhob die Klägerin Einspruch und Klage. Sie vertrat die Auffassung, der Vorbehalt der Nachprüfung sei nach § 164 Abs. 4 AO entfallen. Bereits zum 31.12.1995 sei nämlich die Festsetzungsfrist nach § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO abgelaufen gewesen.

Das FG schloss sich dieser Auffassung an und gab der Klage statt. Die Revision des FA war erfolgreich.

 

Entscheidung

Nach Auffassung des BFH war die Festsetzungsfrist nicht abgelaufen gewesen. Da der erstmalige Investitionszulagenbescheid 1992 ergangen sei, habe die Festsetzungsfrist nach § 170 Abs. 3 AO erst 1993 zu laufen begonnen und habe mit Ablauf des Jahres 1996 geendet. Der geänderte Bescheid sei demnach noch innerhalb der Festsetzungsfrist ergangen und der Vorbehalt der Nachprüfung nicht gem. § 164 Abs. 4 AO entfallen. Die Anlaufhemmung diene dem Zweck, der Finanzbehörde für die Änderung einer fehlerhaften Festsetzung auch dann noch ausreichend Zeit zu verschaffen, wenn der Antrag erst später gestellt worden sei.

 

Hinweis

Die normale Festsetzungsfrist für Steuern beträgt vier Jahre (§ 169 Abs. 2 Nr. 2 AO) und beginnt mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist (§ 170 Abs. 1 AO). Ist eine Steuererklärung einzureichen, beginnt die Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuererklärung eingereicht wird, spätestens jedoch mit Ablauf des 3. Kalenderjahres nach Entstehen der Steuer (§ 170 Abs. 2 AO). Da eine Pflicht zur Abgabe des Antrags auf Investitionszulage nicht besteht, tritt diese Anlaufhemmung nicht ein, es verbleibt vielmehr bei der allgemeinen Festsetzungsfrist von vier Jahren nach Entstehen des Anspruchs auf Investitionszulage.

Nach dem Investitionszulagengesetz 1999 kann im Gegensatz zur bisherigen Rechtslage bis zum Ablauf der vierjährigen Festsetzungsfrist Investitionszulage beantragt werden. Es ist aber zu beachten, dass die Festsetzungsfrist für die Investitionszulage mit Ablauf des Kalenderjahres beginnt, in dem die Investition abgeschlossen ist, und demnach zumindest ein Jahr früher Festsetzungsverjährung eintritt als bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer. Diese Festsetzungsfrist verlängert sich aber, wenn bereits ein Investitionszulagenbescheid ergangen ist (§ 170 Abs. 3 AO). Dann beginnt sie erst mit Ablauf des Jahres, in dem der Antrag auf Investitionszulage gestellt wurde.

Dies bedeutet, dass es unterschiedliche Festsetzungsfristen für die Investitionszulage gibt, je nachdem ob es sich um die erstmalige Festsetzung handelt – dann vier Jahre – oder ob es um die Änderung eines bereits ergangenen Bescheids geht – dann vier Jahre nach Stellen des Antrags. Ohne die verlängerte Festsetzungsfrist könnte der Antrag auf Investitionszulage kurz vor Ablauf der Festsetzungsfrist gestellt werden und die Finanzbehörde hätte praktisch keine Möglichkeit, den Bescheid unter dem Vorbehalt der Nachprüfung festzusetzen und zu einem späteren Zeitpunkt, etwa im Rahmen einer Außenprüfung, zu überprüfen.

Der Streitfall warf zusätzlich die verfahrensrechtliche Frage auf, ob eine vor Ergehen der Einspruchsentscheidung erhobene Klage zulässig wird, wenn diese während des Klageverfahrens ergeht. Dies hat der BFH im Einklang mit seiner bisherigen Rechtsprechung bejaht.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 29.3.2001, III R 1/99

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