Beurteilung der Sanierungsfähigkeit

Mit der Beurteilung der Sanierungsfähigkeit eines Unternehmens müssen sich die Entscheidungsträger eines Krisenunternehmens insb. auseinandersetzen, spätestens sobald sich die Krise

  • in Form einer bilanziellen bzw. wirtschaftlichen Überschuldung oder
  • in Form einer vorhandenen oder drohenden Zahlungsunfähigkeit

manifestiert hat und ein Insolvenzeröffnungsgrund nach den §§ 17 bis 19 InsO vorliegt.

In einem derart fortgeschrittenen Krisenstadium dient die Prüfung der Sanierungsfähigkeit zur Beantwortung der Frage, ob die gefährdete oder verloren gegangene wirtschaftliche Überlebensfähigkeit des Krisenunternehmens durch ursachenadäquate leistungswirtschaftliche und finanzwirtschaftliche Sanierungsmaßnahmen gesichert oder überhaupt wiederhergestellt werden kann.[1] Je früher bei mess- und spürbaren Symptomen einer Unternehmenskrise eine Prüfung der Sanierungsfähigkeit stattfindet, also z. B. bereits in früheren und weniger dramatischen Stadien einer Unternehmenskrise, desto höher ist i. d. R. die Erfolgswahrscheinlichkeit einer Unternehmenssanierung.

Marktorientierte Sichtweise der Sanierungsfähigkeitsprüfung

Generell hängt der Erfolg jeglicher unternehmerischen Tätigkeit vom Erfolg am Markt ab. Daher erfordert die Beurteilung der Sanierungsfähigkeit eines Unternehmens eine marktorientierte Sichtweise.[2] Bei der Prüfung der Sanierungsfähigkeit sind insb. die künftigen Marktchancen, die für das sanierte Unternehmen nach Umsetzung der Sanierungsmaßnahmen vorhanden sein werden, zu beurteilen. In marktorientierter Interpretation der Sanierungsfähigkeit ist die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens auf den Beschaffungs- und Absatzmärkten von besonderer Bedeutung.

Demzufolge ist die Sanierungsfähigkeit eines Unternehmens von mikroökonomischen aber auch von makroökonomischen Umweltbedingungen, wie bspw. soziologisch-kulturellen, wissenschaftlich-technologischen, rechtlich-politischen und physisch-ökologischen Einflussfaktoren, abhängig.[3]

Unternehmensexterne Marktsituation

Anders formuliert erfordert die Beurteilung der Sanierungsfähigkeit eine Analyse der unternehmensexternen Marktverhältnisse.

 
Praxis-Tipp

Informationen zu unternehmensexternen Marktverhältnissen

Die marktorientierte Sanierungsfähigkeitsprüfung führt zu einem Informationsbedarf hinsichtlich der folgenden Fragestellungen:[4]

  • Wie, d. h. in welche Richtung und in welcher Geschwindigkeit entwickelt sich der Markt insgesamt (langsam oder schnell; Wachstum, Stagnation, Rezession)?
  • Muss davon ausgegangen werden, dass ein Ereignis, das eine Krisensituation ausgelöst hat (z. B. Hochwasser, Pandemie, Cyberangriff, Krieg), andauern oder in Zukunft wiederholt auftreten wird?
  • Auf welche Wettbewerber sind die Marktanteile in welcher Weise verteilt?
  • Wie haben sich die Marktanteile in der Vergangenheit entwickelt?
  • Wer sind die wesentlichen Wettbewerber, wo liegen deren Stärken und Schwächen?
  • Welche Marktstrategie verfolgen die Wettbewerber (Kostenführerschaft vs. Diversifikationsstrategie vs. Nischenstrategie)?
  • Welche Stellung nimmt das Unternehmen innerhalb der Branche ein?
  • Wie entwickelt sich das Preisniveau?
  • Sind Veränderungen im Konsumverhalten der Verbraucher/Abnehmer zu beobachten?
  • Gibt es einen zunehmenden Wettbewerb aus dem Ausland (z. B. durch Billiglohnländer)?
  • Gewinnen Substitutionsgüter an Bedeutung?
  • Wie wird sich das Wettbewerbsumfeld in Zukunft entwickeln?
  • Welches sind die wesentlichen Herausforderungen, die das künftige Wettbewerbsumfeld mit sich bringt?
  • In welchen Märkten liegen die größten Gewinn- und Wachstumspotenziale?
  • Ist zu erwarten, dass sich das Nachfrageverhalten der Kunden aufgrund von allgemeinen gesellschaftlichen Trends(z. B. Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Konnektivität, Globalisierung, Urbanisierung, Cocooning, Mobilisierung, New Work, Gender Shift, Gesundheit, Alterung der Gesellschaft etc.) grundlegend verändert?
  • Welches sind die strategischen Erfolgsfaktoren, die den künftigen Unternehmenserfolg nachhaltig beeinflussen?

Unternehmensinterne Situation

Neben der unternehmensexternen Situation ist auch die interne Situation des Krisenunternehmens marktorientiert zu betrachten. Eine Entscheidung über die Sanierungsfähigkeit eines Krisenunternehmens kann nur auf Basis der Ergebnisse der internen und der externen Situation getroffen werden. Folglich sind die Ergebnisse der Analyse des externen Wettbewerbsumfelds stets mit den Ergebnissen der unternehmensinternen Analyse zu verknüpfen.

 
Praxis-Tipp

Informationen zur unternehmensinternen Situation

Bei der marktorientierten Analyse der unternehmensinternen Situation sind z. B. die folgenden Fragestellungen relevant:[5]

  • Welche Standorte besitzt das Unternehmen (Marktnähe, geographische Marktabdeckung etc.)?
  • Wie ist das Produktprogramm ausgestaltet (Variantenvielfalt, Design, Qualität, Image, Service, Umweltverträglichkeit, technische Vorteile, Zertifizierungsnachweise etc.)?
  • Wie sind die verfügbaren Produktionskapazitäten in quantitativer und qualitativer Hinsich...

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