Finanzielles Gleichgewicht

Die dargestellten Sanierungsursachen der leistungswirtschaftlichen Unternehmenssphäre haben indirekt Auswirkungen auf die finanzielle Situation des Unternehmens, da die Finanzmittelströme (z. B. Einzahlungen aus Umsatzerlösen) in entgegengesetzter Richtung zu den leistungswirtschaftlichen Güterströmen (z. B. Absatz der Fertigerzeugnisse) fließen. Rein finanzwirtschaftliche Fehldispositionen (wie z. B. Spekulationsverluste, fehlerhafte Liquiditätsbedarfs-und Finanzierungsplanung, Rating-Abstufung) führen demgegenüber direkt zu einer Verschlechterung der Finanzlage und im Extremfall zum Verlust des finanziellen Gleichgewichts des Unternehmens. Die finanzwirtschaftlichen Sanierungsursachen sind dabei regelmäßig als Resultat von einzelnen oder wiederholten Fehlentscheidungen und -einschätzungen der finanziellen Unternehmensführung anzusehen. Zu unterscheiden sind

  • die Missachtung der Risikotragfähigkeit,
  • der Verlust der Kapitaldienstfähigkeit sowie
  • weitere Fehlentscheidungen bei der Finanzmittelbeschaffung und -verwendung.

Missachtung der Risikotragfähigkeit

Als eine primäre Ursache der finanziellen Sanierung ist die Verletzung des Grundsatzes der Risikotragfähigkeit anzuführen, die sich dadurch äußert, dass ein Unternehmen die Fähigkeit verliert, die Summe der eintretenden Risiken durch die verfügbaren Risikodeckungsmassen zu bewältigen. So führen hohe, auf eintretende Risiken zurückzuführende Verluste und/oder Liquiditätsabflüsse und die dadurch bedingte Eigenkapitalvernichtung und Minderung der liquiden Mittel zu einer Störung des finanziellen Gleichgewichts des Unternehmens.

Verluste der Kapitaldienstfähigkeit

Symptomatisch für ein finanzielles Ungleichgewicht sind auch mögliche Schwierigkeiten des Unternehmens, den im Rahmen einer Kreditfinanzierung entstandenen Gläubigeransprüchen jederzeit im vertraglich vereinbarten Umfang Folge leisten zu können. Bei gestörtem finanziellem Gleichgewicht ist es möglich, dass ein Unternehmen seine Kapitaldienstfähigkeit verliert und dauerhaft illiquide wird.

Weitere finanzielle Fehlentscheidungen

Als finanzwirtschaftliche Krisenursachen können darüber hinaus die folgenden Sachverhalte genannt werden:

  • ein nicht ausreichender Bestand an Eigenkapital, d. h. eine schon anfängliche oder mit einer Unternehmenserweiterung eingetretene Unterkapitalisierung,
  • vorzeitige Kapitalrückforderungen durch Fremd- oder Eigenkapitalgeber, z. B. durch Vereinbarung von impliziten Kündigungsoptionen, die unerwartet durch Kapitalgeber ausgeübt werden,
  • eine Fehldisposition in der zeitlichen Kapitalbindung, z. B. durch langfristige Kapitalanlage verbunden mit kurzfristiger Finanzierung, die zu einem Verlust der Kapitaldienstfähigkeit führen kann, wenn die Zins- und Tilgungsverpflichtungen den erweiterten Cashflow übersteigen,
  • eine Fehldisposition in der sachlichen Kapitalbindung, d. h. eine unzweckmäßige Verwendung der vorhandenen Mittel im Rahmen der leistungswirtschaftlichen und finanzwirtschaftlichen Investitionstätigkeit,
  • Verzögerungen oder Ausfälle im Rückfluss liquider Mittel, z. B. durch mangelhaftes Debitorenmanagement, Forderungsverzug oder -ausfall,
  • ein damit möglicherweise verbundener erhöhter Abschreibungsbedarf, der nicht über Umsatzerlöse abgedeckt ist, sowie
  • hohe, an ehemalige Arbeitnehmer zu leistende Pensionszahlungen, die zwar passivseitig in den Pensionsrückstellungen bilanziert, aktivseitig jedoch möglicherweise gebunden und nicht in liquider Form verfügbar sind.
 
Achtung

Krisenunternehmen setzen Betriebsmittel- und Überbrückungskredite oft langfristig ein

Bei der Analyse der typischen Finanzierungsstruktur von Krisenunternehmen fällt auf, dass die zur Finanzierung des Betriebskapitals (= Umlaufvermögen — kurzfristiges Fremdkapital) gedachten, tendenziell eher kurzfristigen Betriebsmittelkredite häufig auch zur längerfristigen Investitionsfinanzierung eingesetzt werden. Zur Erhaltung der Liquidität werden in Krisenunternehmen oftmals auch die negativen Cashflows durch Überbrückungskredite gedeckt, die durch häufige Prolongation mit der Zeit faktisch zur einer langfristigen Finanzierungsform werden.[1]

[1] Vgl. Brühl/Lerche, 2004, S. 190.

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