Zwischen der Unternehmensstrategie und den daraus abgeleiteten Finanzierungsentscheidungen im Rahmen einer Finanz- und Liquiditätsstrategie gibt es einen untrennbaren Zusammenhang. Für viele große Finanzierungsthemen sind strategische Entscheidungen eines Unternehmens ursächlich, die i. d. R. darauf abzielen, Ressourcen zu erweitern, zu reduzieren, zu konzentrieren oder neu auszurichten. Diese Maßnahmen entfalten damit direkte Auswirkungen auf den Kapitalbedarf. Als Beispiele lassen sich die strategische Akquisition eines anderen Unternehmens, große Investitionsprojekte, die Erschließung neuer Märkte im Rahmen einer Internationalisierung oder die Entwicklung neuer Produkte nennen. Strategische Maßnahmen führen allerdings nicht zwangsläufig zu einem erhöhten Finanzierungsbedarf. Im Zuge der Tendenz einer Konzentrierung auf die Kernkompetenzen von Unternehmen werden beispielsweise einzelne Geschäftsfelder oder Teilbereiche abgespalten (Desinvestition) oder ausgelagert (Outsourcing). Daher lassen sich kapitalbindende strategische Maßnahmen und kapitalfreisetzende strategische Maßnahmen unterscheiden. Diese Kategorisierung trifft auch auf das operative Tagesgeschäft zu (s. Abb. 1).[1]

Im Rahmen einer Finanz- und Liquiditätsstrategie gilt es, unter Berücksichtigung der unternehmensindividuellen Zielsetzungen und der geplanten Kapital bindenden und Kapital freisetzenden Maßnahmen der Unternehmensstrategie, Vorgaben in den folgenden finanziellen Teilbereichen zu entwickeln.

Abb. 1: Übersicht Kapital bindender und Kapital freisetzender Maßnahmen[2]

[1] Vgl. Zantow, 2004, S. 15 f; Gugglberger/König/Mayer, 2004, S. 34 ff.
[2] Vgl. Gugglberger/König/Mayer, 2004, S. 35.

2.1.1 Finanzstruktur

Ein wesentliches Element einer Finanz- und Liquiditätsstrategie ist die Entscheidung über die bilanzielle Finanzstruktur, die sich sowohl in der Vermögens- als auch in der Kapitalstruktur widerspiegelt.[1] Die Gestaltung der Vermögensstruktur, d. h. das anzustrebende Verhältnis zwischen Anlage- und Umlaufvermögen, hängt primär von der Art des Unternehmens ab und ist daher nur bedingt beeinflussbar. Verständlicherweise sind im produzierenden Gewerbe Sachanlagen (Grundstücke, Immobilien, Maschinen etc.), Vorräte, Lagerbestände an Halb- und/oder Fertigfabrikaten und Forderungen aus Lieferungen und Leistungen stärker in der Bilanz repräsentiert als bei Dienstleistungsunternehmen.[2]

Eine größere Bedeutung hingegen hat die Gestaltung der Kapitalstruktur, d. h. das anzustrebende Verhältnis zwischen Eigen- und Fremdkapital. Hinsichtlich der Gestaltung einer optimalen Kapitalstruktur gilt es, die beiden gegenläufigen Kriterien "wirtschaftlicher Erfolg" und "Sicherheit" miteinander in Einklang zu bringen. Aufgrund der steuerlichen Abzugsfähigkeit von Fremdkapitalzinsen ist eine möglichst hohe Fremdkapitalaufnahme aus erfolgsorientierter Sicht sinnvoll, solange die Bedingung Gesamtkapitalrentabilität über dem Fremdkapitalzins erfüllt ist (positiver Leverage-Effekt). Im Gegensatz dazu ist allerdings insbesondere in unternehmerischen Schwäche- und Krisenperioden aufgrund der hohen Risiken des Fremdkapitals eine möglichst hohe Eigenkapitalausstattung wichtig.[3]

Viele Unternehmen definieren daher im Rahmen ihrer Finanz- und Liquiditätsstrategie einen Zielwert für die Eigenkapitalquote. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, den dynamischen Verschuldungsgrad als Zielgröße zu nutzen, der eine Beziehung zwischen Verschuldung (im Sinne von Fremdkapitalfinanzierung) und Cashflow herstellt. Der dynamische Verschuldungsgrad gibt dabei an, in welchem Zeitraum aus dem verfügbaren Cashflow die Netto-Verbindlichkeiten getilgt werden können. Andere Unternehmen nutzen eine Verschuldungskennzahl aus dem angloamerikanischen Raum, den Debt Multiple, die ein Verhältnis zwischen Fremdkapital und EBITDA darstellt.[4]

Neben diesen vertikalen Gestaltungskriterien der Finanzstruktur gibt es darüber hinaus horizontale Finanzierungsregeln, die anzustrebende Beziehungen zwischen Vermögensgegenständen und Kapitalausstattung nach dem Kongruenzprinzip in Bezug auf ihre Fristigkeiten (lang-, mittel- und kurzfristig) formulieren, beispielsweise die Goldene Finanzierungsregel, die Goldene Bank- bzw. Bilanzregel oder die verschiedenen Liquiditätsgrade ersten bis dritten Grades.[5]

[1] Vgl. Prätsch/Schikorra/Ludwig, 2012, S. 18 f.
[2] Vgl. Eilenberger, 1991, S. 45 f.
[3] Vgl. Volkart, 2006, S. 564 ff.
[4] Vgl. Eilenberger, 1991, S. 46 f.
[5] Vgl. beispielhaft Zantow, 2004, S. 394 f.

2.1.2 Kapitalbeschaffung

Auf der Grundlage der vorher definierten Ziele im Bereich der Finanzstruktur gilt es, in diesem Teilbereich die unternehmensspezifischen Finanzierungsinstrumente zu konkretisieren. Ziel ist es dabei, den strategisch und operativ ermittelten Finanzierungsbedarf zu möglichst geringen Kapitalkosten zu decken. Neben den klassischen Instrumenten der Beteiligungsfinanzierung, der Kreditfinanzierung und der Gewinnthesaurierung werden dabei auch zunehmend innovative Instrumente wie mezzanine Finanzierungsformen, Private Equity, Forfaitierung ...

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