Die Anlässe einer Unternehmensbewertung können vielfältig sein. So sieht sich der Unternehmer etwa

  • beim Unternehmenserwerb oder Unternehmensverkauf,
  • beim Scheidungsstreit um den Zugewinnausgleich,
  • bei Pflichtteilsansprüchen
  • mit der Frage nach einem Unternehmenswert konfrontiert.

Dabei weist schon die Sprache auf eine Hauptproblematik hin. Wenn eine Sache "einen Wert hat", sollte sich dieser mit raffinierten Methoden auch objektiv (heraus-)finden lassen. Wenn ihr andererseits nur "ein Wert beizulegen ist", könnte jede Bewertung willkürlich sein. In diesem Spannungsfeld von Objektivität und Subjektivität, von erfreulichen und unerfreulichen Bewertungsanlässen kann der Überblick leicht verloren gehen. Experten übernehmen die Regie und der Betroffene kann nur hoffen, dass der Gutachter auch "gut Acht gibt".

Dass es überhaupt Experten für Bewertung braucht, liegt an der Inhomogenität der "Ware" Unternehmen: Jedes Unternehmen ist – zu einem gewissen Grad – einzigartig. Für jeden Unternehmenskauf gibt es in diesem Sinne nur einen Anbieter und wenige Nachfrager. Der Preis, den der Veräußerer mindestens verlangen bzw. der Erwerber höchstens anbieten sollte, muss individuell ermittelt werden. Der Gutachter ist dabei, wenn er nur von einer Seite beauftragt wird, beratend argumentativ tätig.

Neutralität des Gutachters ist hingegen dort gefordert, wo ein Unternehmen (oder Anteil) überhaupt nicht oder ohne freie Verhandlung übertragen werden soll und deshalb aus rechtlichen Gründen ein Verkehrswert ermittelt werden muss. Der Zugewinnausgleich in Scheidungsfällen und der Pflichtteil sind familienrechtliche Beispiele. Der Ausschluss eines Gesellschafters oder die Abfindung eines Minderheitsaktionärs bei Abschluss eines Beherrschungsvertrags sind Fälle aus dem Gesellschaftsrecht. Zwischen den genannten Polen des freien Verkaufs bzw. der fehlenden oder unfreien Transaktion liegen Bewertungsanlässe aus dem Gründungsrecht.

 
Praxis-Beispiel

Bewertungsanlass "Gründung einer Kapitalgesellschaft"

A und B wollen zu je 50 % eine AG gründen. A soll sein Einzelunternehmen einbringen, B eine Bareinlage leisten. Die Preisfindung für das Einzelunternehmen und damit die Festlegung der Bareinlage von B ist zunächst Sache der Parteien. Ein Gutachter kann insoweit beraten. Andererseits besteht ein öffentliches Interesse an der ordnungsgemäßen Kapitalaufbringung. Die Gründer der AG haben deshalb in einem Gründungsbericht die Angemessenheit der Sacheinlage darzulegen.[1] Dieser Bericht ist intern durch den Aufsichtsrat und extern durch einen Gründungsprüfer zu prüfen.[2] Im Prüfungsbericht ist die Bewertungsmethode zu erläutern und festzustellen, ob der Wert der Sacheinlage den Aktienausgabebetrag erreicht.[3]

Gründen A und B keine AG, sondern eine GmbH, ist zwar keine Gründungsprüfung, aber ein Gründungsbericht gesetzlich erforderlich.[4] In der Registerpraxis wird auch hierzu eine gutachtenähnliche Stellungnahme eines Wirtschaftsprüfers oder Steuerberaters verlangt.

Das Nebeneinander von öffentlichem Interesse und freier Parteivereinbarung kennzeichnet auch Umwandlungsfälle: Bei Verschmelzungen etwa ist grundsätzlich eine Prüfung über das Umtauschverhältnis geboten,[5] auf die aber einstimmig verzichtet werden kann.[6] Ggf. greifen jedoch wiederum Sachgründungsvorschriften.[7]

 
Bewertungsanlass Bewertungsgutachten notwendig, weil ... Bewertungszweck Vorrangige Funktion des Gutachters
freier Verkauf, Aufnahme neuer Gesellschafter (gegen Bareinlage) Einzigartigkeit des Unternehmens, daher ein Anbieter, wenige Nachfrager, daher kein (offensichtlicher) Marktpreis Hilfe bei Festlegung und Einschätzung Preisforderung/Preisgebot beratend, argumentativ
Sachgründung (Einbringung Unternehmen) Umwandlungsfälle

a) siehe 1 (verdoppelt, wenn auch Gegenleistung Unternehmensanteile, z. B. Fusion)

b) öffentliches Interesse
u. a. Ermittlung Umtauschrelation, Kapitalaufbringung teils beratend, argumentativ, teils neutral, entscheidend (insbesondere bei gesetzlicher Prüfung)
unfreie Transaktion bzw. dominierte Situation (z. B. Ausschluss eines Gesellschafters, squeeze-out) Transaktion auch ohne Einigung über Preis, dann Ersatzwert nötig (Verkehrswert als potenzieller Marktpreis, ggf. Vertragswert) Ermittlung Ersatzwert (potenzieller Marktpreis, ggf. Vertragswert) neutral, entscheidend
Fehlende Transaktion (Zugewinn, Pflichtteil) Wert zwar ggf. verhandelbar, aber bei Nichteinigung dennoch Anspruch nach Ersatzmaßstab (Verkehrswert) Ermittlung Ersatzwert (potenzieller Marktpreis) neutral, entscheidend

Tab. 1: Bewertungsanlass, Bewertungszweck

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